Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Unsre postdampferliiiieii

ok QÄVÄl Ärvliiwew, dem deutschen Schiffbau das Zeugnis ausgestellt wurde,
daß seine Leistungen mit denen der englischen Werften völlig gleichwertig seien.

Am 30. Juni 1886 ging der erste Neichspostdampfer, die "Oder," von
Bremerhaven nach Ostasien ab. Aus der Rede, mit der der Staatssekretär
des Reichspostamts Dr. Stephan dieses Ereignis feierte, heben wir nur folgende
Stelle hervor: "Wir alle haben das Bewußtsein, daß der heutige Tag ein
für das Vaterland bedeutungsvoller ist; ein historisches Ereignis ist es, daß
das erste Schiff, das dazu berufen ist, an seinem Topp die Neichspostflagge
zu bisher und in die fernsten Weltgegenden deutsche Produkte, aber auch deutsche
Sympathien und Grüße hinaufzutragen, heute in See geht. Auch bei diesem
neuen Unternehmen, das mit Hilfe des Reichs ins Leben tritt, zeigt sich die
gewaltige Macht des heutigen Verkehrs. Der Verkehr ist in unserm Zeitalter
das herrschende Prinzip, wie es zu den Zeiten der Hellenen die schönen Künste
und Wissenschaften, der Römer das Staats- und Rechtsleben, zur Zeit der
arabischen Herrschaft der religiöse Fanatismus, im Mittelalter die religiöse
Vertiefung war, die sich mit romantischen Ideen verknüpfte, endlich in der zu¬
nächst hinter uns liegenden Zeit die humanistischen und philanthropischen
Ideen. Heute ist der Verkehr die beherrschende Macht. Keineswegs etwa ist
ein solches Wort gleichbedeutend mit Herrschaft des Materialismus. Fördert
der Verkehr doch nicht bloß den Austausch der Güter, sondern auch den der
Ideen, Gefühle und Empfindungen, wie die Ergebnisse der geistigen Forschung
und vereinigt so die ideelle und reale Seite des Lebens."

Der Fahrplan der Dampferlinien war folgendermaßen festgestellt worden.
Beide Hauptlinien entsprangen in Bremerhaven. Die Dampfer der ostasiatischen
Linie berührten Antwerpen, Port Said, Suez, Aden, Colombo, Singapore
und Hongkong und endeten in Shanghai; die der australischen Linie hielten
bis Aden die gleiche Straße ein, bogen aber von dort nach Südosten ab,
berührten die Tschagos-Jnseln, Adelaide und Melbourne und endeten in Sydney.
Auf dem Rückwege wurden dieselben Häfen berührt. Da die Dampfer der
beiden Hauptlinien in Zeitabständen von je vier Wochen fuhren, so stellten
sie auf der gemeinsamen Strecke Bremerhaven-Aden eine vierzehntägige Ver¬
bindung her. An die asiatische Hauptlinie schloß sich in Hongkong eine Dampfer¬
rundfahrt über Jokohama, Hiogo und Nagasaki an. In Sydney entsprangen
Anschlußdampfer nach den Tonga- und Samoainseln. Auf der Mittelmeerlinie
Triest-Brindisi-Alexandrien wurden die Dampfer in vierzehntägiger Zwischen¬
räumen abgefertigt, um denen der Hauptlinien unter Benutzung der Eisenbahn
Alexandrien-Suez die Reisenden und die Postsendungen zuzuführen und die
von Ostasien und Australien eingetroffnen Reisenden und Posten nach Brindisi
und Trieft zu schaffen.

(Schlusj folgt)




Unsre postdampferliiiieii

ok QÄVÄl Ärvliiwew, dem deutschen Schiffbau das Zeugnis ausgestellt wurde,
daß seine Leistungen mit denen der englischen Werften völlig gleichwertig seien.

Am 30. Juni 1886 ging der erste Neichspostdampfer, die „Oder," von
Bremerhaven nach Ostasien ab. Aus der Rede, mit der der Staatssekretär
des Reichspostamts Dr. Stephan dieses Ereignis feierte, heben wir nur folgende
Stelle hervor: „Wir alle haben das Bewußtsein, daß der heutige Tag ein
für das Vaterland bedeutungsvoller ist; ein historisches Ereignis ist es, daß
das erste Schiff, das dazu berufen ist, an seinem Topp die Neichspostflagge
zu bisher und in die fernsten Weltgegenden deutsche Produkte, aber auch deutsche
Sympathien und Grüße hinaufzutragen, heute in See geht. Auch bei diesem
neuen Unternehmen, das mit Hilfe des Reichs ins Leben tritt, zeigt sich die
gewaltige Macht des heutigen Verkehrs. Der Verkehr ist in unserm Zeitalter
das herrschende Prinzip, wie es zu den Zeiten der Hellenen die schönen Künste
und Wissenschaften, der Römer das Staats- und Rechtsleben, zur Zeit der
arabischen Herrschaft der religiöse Fanatismus, im Mittelalter die religiöse
Vertiefung war, die sich mit romantischen Ideen verknüpfte, endlich in der zu¬
nächst hinter uns liegenden Zeit die humanistischen und philanthropischen
Ideen. Heute ist der Verkehr die beherrschende Macht. Keineswegs etwa ist
ein solches Wort gleichbedeutend mit Herrschaft des Materialismus. Fördert
der Verkehr doch nicht bloß den Austausch der Güter, sondern auch den der
Ideen, Gefühle und Empfindungen, wie die Ergebnisse der geistigen Forschung
und vereinigt so die ideelle und reale Seite des Lebens."

Der Fahrplan der Dampferlinien war folgendermaßen festgestellt worden.
Beide Hauptlinien entsprangen in Bremerhaven. Die Dampfer der ostasiatischen
Linie berührten Antwerpen, Port Said, Suez, Aden, Colombo, Singapore
und Hongkong und endeten in Shanghai; die der australischen Linie hielten
bis Aden die gleiche Straße ein, bogen aber von dort nach Südosten ab,
berührten die Tschagos-Jnseln, Adelaide und Melbourne und endeten in Sydney.
Auf dem Rückwege wurden dieselben Häfen berührt. Da die Dampfer der
beiden Hauptlinien in Zeitabständen von je vier Wochen fuhren, so stellten
sie auf der gemeinsamen Strecke Bremerhaven-Aden eine vierzehntägige Ver¬
bindung her. An die asiatische Hauptlinie schloß sich in Hongkong eine Dampfer¬
rundfahrt über Jokohama, Hiogo und Nagasaki an. In Sydney entsprangen
Anschlußdampfer nach den Tonga- und Samoainseln. Auf der Mittelmeerlinie
Triest-Brindisi-Alexandrien wurden die Dampfer in vierzehntägiger Zwischen¬
räumen abgefertigt, um denen der Hauptlinien unter Benutzung der Eisenbahn
Alexandrien-Suez die Reisenden und die Postsendungen zuzuführen und die
von Ostasien und Australien eingetroffnen Reisenden und Posten nach Brindisi
und Trieft zu schaffen.

(Schlusj folgt)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0074" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224320"/>
          <fw type="header" place="top"> Unsre postdampferliiiieii</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_201" prev="#ID_200"> ok QÄVÄl Ärvliiwew, dem deutschen Schiffbau das Zeugnis ausgestellt wurde,<lb/>
daß seine Leistungen mit denen der englischen Werften völlig gleichwertig seien.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_202"> Am 30. Juni 1886 ging der erste Neichspostdampfer, die &#x201E;Oder," von<lb/>
Bremerhaven nach Ostasien ab. Aus der Rede, mit der der Staatssekretär<lb/>
des Reichspostamts Dr. Stephan dieses Ereignis feierte, heben wir nur folgende<lb/>
Stelle hervor: &#x201E;Wir alle haben das Bewußtsein, daß der heutige Tag ein<lb/>
für das Vaterland bedeutungsvoller ist; ein historisches Ereignis ist es, daß<lb/>
das erste Schiff, das dazu berufen ist, an seinem Topp die Neichspostflagge<lb/>
zu bisher und in die fernsten Weltgegenden deutsche Produkte, aber auch deutsche<lb/>
Sympathien und Grüße hinaufzutragen, heute in See geht. Auch bei diesem<lb/>
neuen Unternehmen, das mit Hilfe des Reichs ins Leben tritt, zeigt sich die<lb/>
gewaltige Macht des heutigen Verkehrs. Der Verkehr ist in unserm Zeitalter<lb/>
das herrschende Prinzip, wie es zu den Zeiten der Hellenen die schönen Künste<lb/>
und Wissenschaften, der Römer das Staats- und Rechtsleben, zur Zeit der<lb/>
arabischen Herrschaft der religiöse Fanatismus, im Mittelalter die religiöse<lb/>
Vertiefung war, die sich mit romantischen Ideen verknüpfte, endlich in der zu¬<lb/>
nächst hinter uns liegenden Zeit die humanistischen und philanthropischen<lb/>
Ideen. Heute ist der Verkehr die beherrschende Macht. Keineswegs etwa ist<lb/>
ein solches Wort gleichbedeutend mit Herrschaft des Materialismus. Fördert<lb/>
der Verkehr doch nicht bloß den Austausch der Güter, sondern auch den der<lb/>
Ideen, Gefühle und Empfindungen, wie die Ergebnisse der geistigen Forschung<lb/>
und vereinigt so die ideelle und reale Seite des Lebens."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_203"> Der Fahrplan der Dampferlinien war folgendermaßen festgestellt worden.<lb/>
Beide Hauptlinien entsprangen in Bremerhaven. Die Dampfer der ostasiatischen<lb/>
Linie berührten Antwerpen, Port Said, Suez, Aden, Colombo, Singapore<lb/>
und Hongkong und endeten in Shanghai; die der australischen Linie hielten<lb/>
bis Aden die gleiche Straße ein, bogen aber von dort nach Südosten ab,<lb/>
berührten die Tschagos-Jnseln, Adelaide und Melbourne und endeten in Sydney.<lb/>
Auf dem Rückwege wurden dieselben Häfen berührt. Da die Dampfer der<lb/>
beiden Hauptlinien in Zeitabständen von je vier Wochen fuhren, so stellten<lb/>
sie auf der gemeinsamen Strecke Bremerhaven-Aden eine vierzehntägige Ver¬<lb/>
bindung her. An die asiatische Hauptlinie schloß sich in Hongkong eine Dampfer¬<lb/>
rundfahrt über Jokohama, Hiogo und Nagasaki an. In Sydney entsprangen<lb/>
Anschlußdampfer nach den Tonga- und Samoainseln. Auf der Mittelmeerlinie<lb/>
Triest-Brindisi-Alexandrien wurden die Dampfer in vierzehntägiger Zwischen¬<lb/>
räumen abgefertigt, um denen der Hauptlinien unter Benutzung der Eisenbahn<lb/>
Alexandrien-Suez die Reisenden und die Postsendungen zuzuführen und die<lb/>
von Ostasien und Australien eingetroffnen Reisenden und Posten nach Brindisi<lb/>
und Trieft zu schaffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_204"> (Schlusj folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0074] Unsre postdampferliiiieii ok QÄVÄl Ärvliiwew, dem deutschen Schiffbau das Zeugnis ausgestellt wurde, daß seine Leistungen mit denen der englischen Werften völlig gleichwertig seien. Am 30. Juni 1886 ging der erste Neichspostdampfer, die „Oder," von Bremerhaven nach Ostasien ab. Aus der Rede, mit der der Staatssekretär des Reichspostamts Dr. Stephan dieses Ereignis feierte, heben wir nur folgende Stelle hervor: „Wir alle haben das Bewußtsein, daß der heutige Tag ein für das Vaterland bedeutungsvoller ist; ein historisches Ereignis ist es, daß das erste Schiff, das dazu berufen ist, an seinem Topp die Neichspostflagge zu bisher und in die fernsten Weltgegenden deutsche Produkte, aber auch deutsche Sympathien und Grüße hinaufzutragen, heute in See geht. Auch bei diesem neuen Unternehmen, das mit Hilfe des Reichs ins Leben tritt, zeigt sich die gewaltige Macht des heutigen Verkehrs. Der Verkehr ist in unserm Zeitalter das herrschende Prinzip, wie es zu den Zeiten der Hellenen die schönen Künste und Wissenschaften, der Römer das Staats- und Rechtsleben, zur Zeit der arabischen Herrschaft der religiöse Fanatismus, im Mittelalter die religiöse Vertiefung war, die sich mit romantischen Ideen verknüpfte, endlich in der zu¬ nächst hinter uns liegenden Zeit die humanistischen und philanthropischen Ideen. Heute ist der Verkehr die beherrschende Macht. Keineswegs etwa ist ein solches Wort gleichbedeutend mit Herrschaft des Materialismus. Fördert der Verkehr doch nicht bloß den Austausch der Güter, sondern auch den der Ideen, Gefühle und Empfindungen, wie die Ergebnisse der geistigen Forschung und vereinigt so die ideelle und reale Seite des Lebens." Der Fahrplan der Dampferlinien war folgendermaßen festgestellt worden. Beide Hauptlinien entsprangen in Bremerhaven. Die Dampfer der ostasiatischen Linie berührten Antwerpen, Port Said, Suez, Aden, Colombo, Singapore und Hongkong und endeten in Shanghai; die der australischen Linie hielten bis Aden die gleiche Straße ein, bogen aber von dort nach Südosten ab, berührten die Tschagos-Jnseln, Adelaide und Melbourne und endeten in Sydney. Auf dem Rückwege wurden dieselben Häfen berührt. Da die Dampfer der beiden Hauptlinien in Zeitabständen von je vier Wochen fuhren, so stellten sie auf der gemeinsamen Strecke Bremerhaven-Aden eine vierzehntägige Ver¬ bindung her. An die asiatische Hauptlinie schloß sich in Hongkong eine Dampfer¬ rundfahrt über Jokohama, Hiogo und Nagasaki an. In Sydney entsprangen Anschlußdampfer nach den Tonga- und Samoainseln. Auf der Mittelmeerlinie Triest-Brindisi-Alexandrien wurden die Dampfer in vierzehntägiger Zwischen¬ räumen abgefertigt, um denen der Hauptlinien unter Benutzung der Eisenbahn Alexandrien-Suez die Reisenden und die Postsendungen zuzuführen und die von Ostasien und Australien eingetroffnen Reisenden und Posten nach Brindisi und Trieft zu schaffen. (Schlusj folgt)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/74
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/74>, abgerufen am 21.05.2024.