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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Die sogenannte Sonntagsnihe der Postbeamten

sehr schwer, in manchen Orten überhaupt nicht zu finden; auch halten diese
Leute selten lange ans, weil ihnen die niedrige Vergütung auf die Dauer
keinen hinlänglichen Ersatz für die Einbuße bietet, die sie selbst an ihrer
Sonntagsfreiheit erleiden. So fällt aus Mangel an geeigneten Vertretern die
Dienstbefreiung an den Sonntagen für die Unterbenmten vielfach aus; in den
Nachweisungen, die dem Reichspostamt vorgelegt werden, steht davon natürlich
nichts. Die Ordnung im Dienstbetrieb wird durch die Einstellung von Per¬
sonen, die im Postdienst nicht ausgebildet sind, selbstverständlich gestört, die
Interessen des Publikums werden geschädigt, eine Beschwerde jagt die andre,
aber es bleibt alles beim alten; denn Aushelfer sind billiger zu unterhalten
als etatsmäßige Unterbeamte.

Herr von Stephan erklärte in der bereits erwähnten Reichstagssitzung
vom 12. Februar 1894: "Wenn wir dem Antrage, die Pnketbestellung an
den Sonntagen aufzuheben, Folge geben, dann wäre es unmöglich, den Dienst
am Montag prompt und ordnungsmäßig auszuführen. Mit der Einstellung
von Aushelfcru ist nichts zu machen; denn es müssen gelernte und geübte
Leute sein." Wie reimt sich das zusammen? Weshalb sollten die Aushelfer
am Montag nicht ebensogut zu verwenden sein wie am Sonntag? Allerdings
hat Herr von Stephan in dem Punkte Recht, daß Anshelfer ein elender Not¬
behelf sind. Also schaffe man die Aushelfer ab und stelle bei jeder Postanstalt
so viel Unterbeamte an, wie für die Durchführung der Sonntngsrnhe er¬
forderlich sind.

Hier muß noch eine Einrichtung erwähnt werden, die einzeln stehenden
PostVerwaltern Gelegenheit zum Kirchenbesuch und zur selbständigen Verfügung
über einen dienstfreien Sonntag geben soll. Zu diesem Zweck werden benach¬
barte Postanstalten beauftragt, Sonntags in bestimmten Zwischenräumen einen
jüngern Beamten nach dem Stationsort des PostVerwalters, der abgelöst werden
soll, zu entsenden. Leider verliert diese zum Besten der Postverwalter getroffne
Maßnahme dadurch an Wert, daß sie auf Kosten einer andern Beamtenklasfe
durchgeführt wird. Die zur Vertretung entsandten jüngern Beamten, die diese
Reisen doch nicht aus freien Stücken, sondern auf Anordnung ihrer Vorgesetzten
ausführen, büßen nämlich nicht nur die ihnen selbst zustehende freie Zeit ein,
sondern müssen sich auch an Stelle der ordnungsmäßigen Tagegelder und Fuhr-
kosteu mit einer Vergütung von drei Mark begnügen, die in vielen Fällen nicht
einmal zur Bestreitung der entstehenden Kosten ausreicht.

Die Veranstaltungen, die die PostVerwaltung seither zur Durchführung
der Sonntagsruhe getroffen hat, beschränken sich also auf die Vertretung
der einzeln stehenden PostVerwalter und ans die Einstellung von Aushelfern
für die Unterbeamten. Die Höhe des Betrages, der zu diesem Zweck aufge¬
wendet wird, ist nicht bekannt; bedeutend wird die Summe nicht sein, sonst
hätte man sicher schon wiederholt durch Nennung der Zahlen zu glänzen gesucht.


Die sogenannte Sonntagsnihe der Postbeamten

sehr schwer, in manchen Orten überhaupt nicht zu finden; auch halten diese
Leute selten lange ans, weil ihnen die niedrige Vergütung auf die Dauer
keinen hinlänglichen Ersatz für die Einbuße bietet, die sie selbst an ihrer
Sonntagsfreiheit erleiden. So fällt aus Mangel an geeigneten Vertretern die
Dienstbefreiung an den Sonntagen für die Unterbenmten vielfach aus; in den
Nachweisungen, die dem Reichspostamt vorgelegt werden, steht davon natürlich
nichts. Die Ordnung im Dienstbetrieb wird durch die Einstellung von Per¬
sonen, die im Postdienst nicht ausgebildet sind, selbstverständlich gestört, die
Interessen des Publikums werden geschädigt, eine Beschwerde jagt die andre,
aber es bleibt alles beim alten; denn Aushelfer sind billiger zu unterhalten
als etatsmäßige Unterbeamte.

Herr von Stephan erklärte in der bereits erwähnten Reichstagssitzung
vom 12. Februar 1894: „Wenn wir dem Antrage, die Pnketbestellung an
den Sonntagen aufzuheben, Folge geben, dann wäre es unmöglich, den Dienst
am Montag prompt und ordnungsmäßig auszuführen. Mit der Einstellung
von Aushelfcru ist nichts zu machen; denn es müssen gelernte und geübte
Leute sein." Wie reimt sich das zusammen? Weshalb sollten die Aushelfer
am Montag nicht ebensogut zu verwenden sein wie am Sonntag? Allerdings
hat Herr von Stephan in dem Punkte Recht, daß Anshelfer ein elender Not¬
behelf sind. Also schaffe man die Aushelfer ab und stelle bei jeder Postanstalt
so viel Unterbeamte an, wie für die Durchführung der Sonntngsrnhe er¬
forderlich sind.

Hier muß noch eine Einrichtung erwähnt werden, die einzeln stehenden
PostVerwaltern Gelegenheit zum Kirchenbesuch und zur selbständigen Verfügung
über einen dienstfreien Sonntag geben soll. Zu diesem Zweck werden benach¬
barte Postanstalten beauftragt, Sonntags in bestimmten Zwischenräumen einen
jüngern Beamten nach dem Stationsort des PostVerwalters, der abgelöst werden
soll, zu entsenden. Leider verliert diese zum Besten der Postverwalter getroffne
Maßnahme dadurch an Wert, daß sie auf Kosten einer andern Beamtenklasfe
durchgeführt wird. Die zur Vertretung entsandten jüngern Beamten, die diese
Reisen doch nicht aus freien Stücken, sondern auf Anordnung ihrer Vorgesetzten
ausführen, büßen nämlich nicht nur die ihnen selbst zustehende freie Zeit ein,
sondern müssen sich auch an Stelle der ordnungsmäßigen Tagegelder und Fuhr-
kosteu mit einer Vergütung von drei Mark begnügen, die in vielen Fällen nicht
einmal zur Bestreitung der entstehenden Kosten ausreicht.

Die Veranstaltungen, die die PostVerwaltung seither zur Durchführung
der Sonntagsruhe getroffen hat, beschränken sich also auf die Vertretung
der einzeln stehenden PostVerwalter und ans die Einstellung von Aushelfern
für die Unterbeamten. Die Höhe des Betrages, der zu diesem Zweck aufge¬
wendet wird, ist nicht bekannt; bedeutend wird die Summe nicht sein, sonst
hätte man sicher schon wiederholt durch Nennung der Zahlen zu glänzen gesucht.


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[0086] Die sogenannte Sonntagsnihe der Postbeamten sehr schwer, in manchen Orten überhaupt nicht zu finden; auch halten diese Leute selten lange ans, weil ihnen die niedrige Vergütung auf die Dauer keinen hinlänglichen Ersatz für die Einbuße bietet, die sie selbst an ihrer Sonntagsfreiheit erleiden. So fällt aus Mangel an geeigneten Vertretern die Dienstbefreiung an den Sonntagen für die Unterbenmten vielfach aus; in den Nachweisungen, die dem Reichspostamt vorgelegt werden, steht davon natürlich nichts. Die Ordnung im Dienstbetrieb wird durch die Einstellung von Per¬ sonen, die im Postdienst nicht ausgebildet sind, selbstverständlich gestört, die Interessen des Publikums werden geschädigt, eine Beschwerde jagt die andre, aber es bleibt alles beim alten; denn Aushelfer sind billiger zu unterhalten als etatsmäßige Unterbeamte. Herr von Stephan erklärte in der bereits erwähnten Reichstagssitzung vom 12. Februar 1894: „Wenn wir dem Antrage, die Pnketbestellung an den Sonntagen aufzuheben, Folge geben, dann wäre es unmöglich, den Dienst am Montag prompt und ordnungsmäßig auszuführen. Mit der Einstellung von Aushelfcru ist nichts zu machen; denn es müssen gelernte und geübte Leute sein." Wie reimt sich das zusammen? Weshalb sollten die Aushelfer am Montag nicht ebensogut zu verwenden sein wie am Sonntag? Allerdings hat Herr von Stephan in dem Punkte Recht, daß Anshelfer ein elender Not¬ behelf sind. Also schaffe man die Aushelfer ab und stelle bei jeder Postanstalt so viel Unterbeamte an, wie für die Durchführung der Sonntngsrnhe er¬ forderlich sind. Hier muß noch eine Einrichtung erwähnt werden, die einzeln stehenden PostVerwaltern Gelegenheit zum Kirchenbesuch und zur selbständigen Verfügung über einen dienstfreien Sonntag geben soll. Zu diesem Zweck werden benach¬ barte Postanstalten beauftragt, Sonntags in bestimmten Zwischenräumen einen jüngern Beamten nach dem Stationsort des PostVerwalters, der abgelöst werden soll, zu entsenden. Leider verliert diese zum Besten der Postverwalter getroffne Maßnahme dadurch an Wert, daß sie auf Kosten einer andern Beamtenklasfe durchgeführt wird. Die zur Vertretung entsandten jüngern Beamten, die diese Reisen doch nicht aus freien Stücken, sondern auf Anordnung ihrer Vorgesetzten ausführen, büßen nämlich nicht nur die ihnen selbst zustehende freie Zeit ein, sondern müssen sich auch an Stelle der ordnungsmäßigen Tagegelder und Fuhr- kosteu mit einer Vergütung von drei Mark begnügen, die in vielen Fällen nicht einmal zur Bestreitung der entstehenden Kosten ausreicht. Die Veranstaltungen, die die PostVerwaltung seither zur Durchführung der Sonntagsruhe getroffen hat, beschränken sich also auf die Vertretung der einzeln stehenden PostVerwalter und ans die Einstellung von Aushelfern für die Unterbeamten. Die Höhe des Betrages, der zu diesem Zweck aufge¬ wendet wird, ist nicht bekannt; bedeutend wird die Summe nicht sein, sonst hätte man sicher schon wiederholt durch Nennung der Zahlen zu glänzen gesucht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/86>, abgerufen am 15.06.2024.