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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Aus unsrer Vstmark

König ebenso warm preist wie der "deutschsprechende Preuße."^) Sie hat
deshalb seit 1894 den Kampf ans der Grundlage des gemeinen Rechts und
der gegen die Polen erlassenen Gesetze wieder aufgenommen und erfüllt ihre
Pflicht, das Deutschtum zu schützen. Die Presse und die mehr als zwei¬
tausend polnischen Vereine, die in letzter Linie sämtlich und eingestandner¬
maßen eine politische und nationale Tendenz haben, besonders die uniformirteN
Lolcols (Turnvereine), und auch die seit 1894 zur Absonderung von den
evangelischen und deutschen Lehrern in größerer Zahl gegründeten katholischen
Lehrervereine werden aufs sorgfältigste überwacht, und wenn Ungehöriges
geschieht, wird, wie in Schneidemühl, wo in einem Vergnügungsverein zum
Klavier xmnissiino ein verbotenes, aufreizendes Lied gesungen worden war,
die gerichtliche Bestrafung herbeigeführt. Ausflüge von Vereinen in die
Nachbarschaft, öffentliche Umzüge mit Fahnen usw. werden, vermutlich auf
Grund einer Ministerialverfügung, nicht mehr erlaubt, politische Versammlungen
werden, wenn der aufsichtführende Beamte des Polnischen nicht mächtig ist,
vielfach aufgelöst, das farbenprächtige Gepränge, mit dem der Erzbischof von
Gnesen und Posen vor einigen Jahren in seinen Diözesen allerorten
empfangen und begleitet wurde, als gälte es das Gedächtnis der Zeiten des
Primas von Polen zu erneuern, wird nicht mehr geduldet. In der Verwaltung,
vor Gericht und im Unterricht wird der deutschen Sprache die ihr durch
Gesetz und Verordnung gewährte Stellung sorgfältig gewahrt, die Schule ins¬
besondre gegen alle polnischen Angriffe und Beschwerden gewissenhaft als das
Bollwerk verteidigt, an dem auf die Dauer alle staatsfeindlichen Bestrebungen
zu Schanden werden würden, wenn die Deutschen der Ostmarken die Über¬
legenheit im wirtschaftlichen Leben, die sie noch immer haben, zu Gunsten
der Ausbreitung und vermehrten Verwendung des Deutschen geltend machten.
Es wird Sorge getragen, daß durch den Lehrstoff, namentlich in Ge¬
schichte, Deutsch und Gesang, in den Seelen der polnischen Schulkinder der
Liebe zum Vaterlande und zum Herrscherhause eine Stätte bereitet und
damit ein Gegengewicht gegen die Einflüsse geschaffen wird, die die polnische
Jugend in das Lager hinüberzuziehen suchen, in dem die Eltern fast aus¬
nahmslos stehen. Als 1895 zu der Zeit der Posener Provinzialgewerbeaus-
stellung hundert Galizier Posen einen Gegenbesuch als Quittung für die Be¬
teiligung an den Tagen von Lemberg machten, fiel es galizischen Gästen
wiederholt auf, daß polnische Kinder auf öffentlichen Plätzen im Chor
deutsche Lieder sangen und dazu tanzten, und sie schlössen allzu pessimistisch
daraus, daß es mit der Germanisirung im Galopp gehe, und daß es in
fünfzig Jahren um die Polen im preußischen Anteil geschehen sein werde.



"Wir sind preussische Unterthanen) keine Preußen," sagte einmal das führende polnische
Organ,
Aus unsrer Vstmark

König ebenso warm preist wie der „deutschsprechende Preuße."^) Sie hat
deshalb seit 1894 den Kampf ans der Grundlage des gemeinen Rechts und
der gegen die Polen erlassenen Gesetze wieder aufgenommen und erfüllt ihre
Pflicht, das Deutschtum zu schützen. Die Presse und die mehr als zwei¬
tausend polnischen Vereine, die in letzter Linie sämtlich und eingestandner¬
maßen eine politische und nationale Tendenz haben, besonders die uniformirteN
Lolcols (Turnvereine), und auch die seit 1894 zur Absonderung von den
evangelischen und deutschen Lehrern in größerer Zahl gegründeten katholischen
Lehrervereine werden aufs sorgfältigste überwacht, und wenn Ungehöriges
geschieht, wird, wie in Schneidemühl, wo in einem Vergnügungsverein zum
Klavier xmnissiino ein verbotenes, aufreizendes Lied gesungen worden war,
die gerichtliche Bestrafung herbeigeführt. Ausflüge von Vereinen in die
Nachbarschaft, öffentliche Umzüge mit Fahnen usw. werden, vermutlich auf
Grund einer Ministerialverfügung, nicht mehr erlaubt, politische Versammlungen
werden, wenn der aufsichtführende Beamte des Polnischen nicht mächtig ist,
vielfach aufgelöst, das farbenprächtige Gepränge, mit dem der Erzbischof von
Gnesen und Posen vor einigen Jahren in seinen Diözesen allerorten
empfangen und begleitet wurde, als gälte es das Gedächtnis der Zeiten des
Primas von Polen zu erneuern, wird nicht mehr geduldet. In der Verwaltung,
vor Gericht und im Unterricht wird der deutschen Sprache die ihr durch
Gesetz und Verordnung gewährte Stellung sorgfältig gewahrt, die Schule ins¬
besondre gegen alle polnischen Angriffe und Beschwerden gewissenhaft als das
Bollwerk verteidigt, an dem auf die Dauer alle staatsfeindlichen Bestrebungen
zu Schanden werden würden, wenn die Deutschen der Ostmarken die Über¬
legenheit im wirtschaftlichen Leben, die sie noch immer haben, zu Gunsten
der Ausbreitung und vermehrten Verwendung des Deutschen geltend machten.
Es wird Sorge getragen, daß durch den Lehrstoff, namentlich in Ge¬
schichte, Deutsch und Gesang, in den Seelen der polnischen Schulkinder der
Liebe zum Vaterlande und zum Herrscherhause eine Stätte bereitet und
damit ein Gegengewicht gegen die Einflüsse geschaffen wird, die die polnische
Jugend in das Lager hinüberzuziehen suchen, in dem die Eltern fast aus¬
nahmslos stehen. Als 1895 zu der Zeit der Posener Provinzialgewerbeaus-
stellung hundert Galizier Posen einen Gegenbesuch als Quittung für die Be¬
teiligung an den Tagen von Lemberg machten, fiel es galizischen Gästen
wiederholt auf, daß polnische Kinder auf öffentlichen Plätzen im Chor
deutsche Lieder sangen und dazu tanzten, und sie schlössen allzu pessimistisch
daraus, daß es mit der Germanisirung im Galopp gehe, und daß es in
fünfzig Jahren um die Polen im preußischen Anteil geschehen sein werde.



„Wir sind preussische Unterthanen) keine Preußen," sagte einmal das führende polnische
Organ,
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[0448] Aus unsrer Vstmark König ebenso warm preist wie der „deutschsprechende Preuße."^) Sie hat deshalb seit 1894 den Kampf ans der Grundlage des gemeinen Rechts und der gegen die Polen erlassenen Gesetze wieder aufgenommen und erfüllt ihre Pflicht, das Deutschtum zu schützen. Die Presse und die mehr als zwei¬ tausend polnischen Vereine, die in letzter Linie sämtlich und eingestandner¬ maßen eine politische und nationale Tendenz haben, besonders die uniformirteN Lolcols (Turnvereine), und auch die seit 1894 zur Absonderung von den evangelischen und deutschen Lehrern in größerer Zahl gegründeten katholischen Lehrervereine werden aufs sorgfältigste überwacht, und wenn Ungehöriges geschieht, wird, wie in Schneidemühl, wo in einem Vergnügungsverein zum Klavier xmnissiino ein verbotenes, aufreizendes Lied gesungen worden war, die gerichtliche Bestrafung herbeigeführt. Ausflüge von Vereinen in die Nachbarschaft, öffentliche Umzüge mit Fahnen usw. werden, vermutlich auf Grund einer Ministerialverfügung, nicht mehr erlaubt, politische Versammlungen werden, wenn der aufsichtführende Beamte des Polnischen nicht mächtig ist, vielfach aufgelöst, das farbenprächtige Gepränge, mit dem der Erzbischof von Gnesen und Posen vor einigen Jahren in seinen Diözesen allerorten empfangen und begleitet wurde, als gälte es das Gedächtnis der Zeiten des Primas von Polen zu erneuern, wird nicht mehr geduldet. In der Verwaltung, vor Gericht und im Unterricht wird der deutschen Sprache die ihr durch Gesetz und Verordnung gewährte Stellung sorgfältig gewahrt, die Schule ins¬ besondre gegen alle polnischen Angriffe und Beschwerden gewissenhaft als das Bollwerk verteidigt, an dem auf die Dauer alle staatsfeindlichen Bestrebungen zu Schanden werden würden, wenn die Deutschen der Ostmarken die Über¬ legenheit im wirtschaftlichen Leben, die sie noch immer haben, zu Gunsten der Ausbreitung und vermehrten Verwendung des Deutschen geltend machten. Es wird Sorge getragen, daß durch den Lehrstoff, namentlich in Ge¬ schichte, Deutsch und Gesang, in den Seelen der polnischen Schulkinder der Liebe zum Vaterlande und zum Herrscherhause eine Stätte bereitet und damit ein Gegengewicht gegen die Einflüsse geschaffen wird, die die polnische Jugend in das Lager hinüberzuziehen suchen, in dem die Eltern fast aus¬ nahmslos stehen. Als 1895 zu der Zeit der Posener Provinzialgewerbeaus- stellung hundert Galizier Posen einen Gegenbesuch als Quittung für die Be¬ teiligung an den Tagen von Lemberg machten, fiel es galizischen Gästen wiederholt auf, daß polnische Kinder auf öffentlichen Plätzen im Chor deutsche Lieder sangen und dazu tanzten, und sie schlössen allzu pessimistisch daraus, daß es mit der Germanisirung im Galopp gehe, und daß es in fünfzig Jahren um die Polen im preußischen Anteil geschehen sein werde. „Wir sind preussische Unterthanen) keine Preußen," sagte einmal das führende polnische Organ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/448>, abgerufen am 22.05.2024.