Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zum Heimaischutz

keine "Equipage" hat. der wünscht sich eine Eisenbahn, und wäre es auch nur
eine "Bimmelbahn"; und wer in diesen Hohlwegen und Wasserrillen Dünger
auf Berge fahren oder Langholz mit vier Pferden vom Berge aus dem Forst
abfahren muß, wessen Korn im Waldcsschcitten feucht bleibt und auswächst,
der hat keine Freude an Hohlwegen und Waldspitzen, sondern verwünscht sie
aus Herzensgrunde. Wenn der Verfasser des "Heimatschutzes" nur ein ein¬
ziges mal einen Wagen mit Dünger beladen in einem Hohlwege auf den
Berg gefahren hätte, ein einziges Jahr über versumpfte Wiesen, infolge Wald¬
schattens ausgewachsenes Korn, durch schlechte Gräser erkranktes Vieh, unbe¬
aufsichtigtes Gesinde, Dorf- und Wiesenüberschwemmung seinen Ärger gehabt
hätte, so würde er über die Verkoppeluugen anders denken.

Ganz einverstanden bin ich mit dem "Heimatschutz" darin, daß durch
die Verkoppelung nicht störend in gute Volkssitten eingegriffen werden soll.
Das ist aber auch gar nicht nötig; im Gegenteil, es kann und soll durch sie
vieles geschehen, um das Land- und Gemeindeleben behaglicher zu gestalten.
Anweisung von Fest- und Spielplätzen, Anregung zur Anpflanzung nicht
bloß von Nutzbciumeu, sondern auch von Schatten spendenden Bäumen an
geeigneten Stellen der Feldmark, möglichste Erhaltung des Gemeindeforsts,
Organisirung der Gemeinde- und Genosfenschaftsverbcinde zu ihrer Erhaltung.
Aufforstung öder Flächen, Anlegung von Gemeindeobstwäldchcn, Anweisung von
Flächen zum Nutzen der kleinen Besitzer und der Landarbeiter, das und vieles
andre find Maßregeln, durch die die Behaglichkeit des Landlebens und die
Freude daran bei Verkoppelungen erhöht werden kann. In dieser Richtung
sind die von den Vereinen sür das Wohl der Landbevölkerung gegebnen An¬
regungen mit großem Danke aufzunehmen. Wenn dagegen der Vorsitzende
einer Generalversammlung hannoverscher Touristenvereine mit seinen Be¬
mühungen, die Feldmark Hameln vor der Verkoppelung zu bewcchreu, selbst
in der Touristeuversammlung unverstanden geblieben ist, so ist das wohl er¬
klärlich. Die Verkoppeluugen und Gemeinheitsteilungen verhindern, das hieße
dem Landmann die beste Gelegenheit nehmen, durch eigne Arbeit vorwärts¬
zukommen. Es ist der Segen der Arbeit, der auf ihnen ruht, und den soll
man niemandem verkümmern.




Zum Heimaischutz

keine „Equipage" hat. der wünscht sich eine Eisenbahn, und wäre es auch nur
eine „Bimmelbahn"; und wer in diesen Hohlwegen und Wasserrillen Dünger
auf Berge fahren oder Langholz mit vier Pferden vom Berge aus dem Forst
abfahren muß, wessen Korn im Waldcsschcitten feucht bleibt und auswächst,
der hat keine Freude an Hohlwegen und Waldspitzen, sondern verwünscht sie
aus Herzensgrunde. Wenn der Verfasser des „Heimatschutzes" nur ein ein¬
ziges mal einen Wagen mit Dünger beladen in einem Hohlwege auf den
Berg gefahren hätte, ein einziges Jahr über versumpfte Wiesen, infolge Wald¬
schattens ausgewachsenes Korn, durch schlechte Gräser erkranktes Vieh, unbe¬
aufsichtigtes Gesinde, Dorf- und Wiesenüberschwemmung seinen Ärger gehabt
hätte, so würde er über die Verkoppeluugen anders denken.

Ganz einverstanden bin ich mit dem „Heimatschutz" darin, daß durch
die Verkoppelung nicht störend in gute Volkssitten eingegriffen werden soll.
Das ist aber auch gar nicht nötig; im Gegenteil, es kann und soll durch sie
vieles geschehen, um das Land- und Gemeindeleben behaglicher zu gestalten.
Anweisung von Fest- und Spielplätzen, Anregung zur Anpflanzung nicht
bloß von Nutzbciumeu, sondern auch von Schatten spendenden Bäumen an
geeigneten Stellen der Feldmark, möglichste Erhaltung des Gemeindeforsts,
Organisirung der Gemeinde- und Genosfenschaftsverbcinde zu ihrer Erhaltung.
Aufforstung öder Flächen, Anlegung von Gemeindeobstwäldchcn, Anweisung von
Flächen zum Nutzen der kleinen Besitzer und der Landarbeiter, das und vieles
andre find Maßregeln, durch die die Behaglichkeit des Landlebens und die
Freude daran bei Verkoppelungen erhöht werden kann. In dieser Richtung
sind die von den Vereinen sür das Wohl der Landbevölkerung gegebnen An¬
regungen mit großem Danke aufzunehmen. Wenn dagegen der Vorsitzende
einer Generalversammlung hannoverscher Touristenvereine mit seinen Be¬
mühungen, die Feldmark Hameln vor der Verkoppelung zu bewcchreu, selbst
in der Touristeuversammlung unverstanden geblieben ist, so ist das wohl er¬
klärlich. Die Verkoppeluugen und Gemeinheitsteilungen verhindern, das hieße
dem Landmann die beste Gelegenheit nehmen, durch eigne Arbeit vorwärts¬
zukommen. Es ist der Segen der Arbeit, der auf ihnen ruht, und den soll
man niemandem verkümmern.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0061" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225647"/>
          <fw type="header" place="top"> Zum Heimaischutz</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_146" prev="#ID_145"> keine &#x201E;Equipage" hat. der wünscht sich eine Eisenbahn, und wäre es auch nur<lb/>
eine &#x201E;Bimmelbahn"; und wer in diesen Hohlwegen und Wasserrillen Dünger<lb/>
auf Berge fahren oder Langholz mit vier Pferden vom Berge aus dem Forst<lb/>
abfahren muß, wessen Korn im Waldcsschcitten feucht bleibt und auswächst,<lb/>
der hat keine Freude an Hohlwegen und Waldspitzen, sondern verwünscht sie<lb/>
aus Herzensgrunde. Wenn der Verfasser des &#x201E;Heimatschutzes" nur ein ein¬<lb/>
ziges mal einen Wagen mit Dünger beladen in einem Hohlwege auf den<lb/>
Berg gefahren hätte, ein einziges Jahr über versumpfte Wiesen, infolge Wald¬<lb/>
schattens ausgewachsenes Korn, durch schlechte Gräser erkranktes Vieh, unbe¬<lb/>
aufsichtigtes Gesinde, Dorf- und Wiesenüberschwemmung seinen Ärger gehabt<lb/>
hätte, so würde er über die Verkoppeluugen anders denken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_147"> Ganz einverstanden bin ich mit dem &#x201E;Heimatschutz" darin, daß durch<lb/>
die Verkoppelung nicht störend in gute Volkssitten eingegriffen werden soll.<lb/>
Das ist aber auch gar nicht nötig; im Gegenteil, es kann und soll durch sie<lb/>
vieles geschehen, um das Land- und Gemeindeleben behaglicher zu gestalten.<lb/>
Anweisung von Fest- und Spielplätzen, Anregung zur Anpflanzung nicht<lb/>
bloß von Nutzbciumeu, sondern auch von Schatten spendenden Bäumen an<lb/>
geeigneten Stellen der Feldmark, möglichste Erhaltung des Gemeindeforsts,<lb/>
Organisirung der Gemeinde- und Genosfenschaftsverbcinde zu ihrer Erhaltung.<lb/>
Aufforstung öder Flächen, Anlegung von Gemeindeobstwäldchcn, Anweisung von<lb/>
Flächen zum Nutzen der kleinen Besitzer und der Landarbeiter, das und vieles<lb/>
andre find Maßregeln, durch die die Behaglichkeit des Landlebens und die<lb/>
Freude daran bei Verkoppelungen erhöht werden kann. In dieser Richtung<lb/>
sind die von den Vereinen sür das Wohl der Landbevölkerung gegebnen An¬<lb/>
regungen mit großem Danke aufzunehmen. Wenn dagegen der Vorsitzende<lb/>
einer Generalversammlung hannoverscher Touristenvereine mit seinen Be¬<lb/>
mühungen, die Feldmark Hameln vor der Verkoppelung zu bewcchreu, selbst<lb/>
in der Touristeuversammlung unverstanden geblieben ist, so ist das wohl er¬<lb/>
klärlich. Die Verkoppeluugen und Gemeinheitsteilungen verhindern, das hieße<lb/>
dem Landmann die beste Gelegenheit nehmen, durch eigne Arbeit vorwärts¬<lb/>
zukommen. Es ist der Segen der Arbeit, der auf ihnen ruht, und den soll<lb/>
man niemandem verkümmern.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0061] Zum Heimaischutz keine „Equipage" hat. der wünscht sich eine Eisenbahn, und wäre es auch nur eine „Bimmelbahn"; und wer in diesen Hohlwegen und Wasserrillen Dünger auf Berge fahren oder Langholz mit vier Pferden vom Berge aus dem Forst abfahren muß, wessen Korn im Waldcsschcitten feucht bleibt und auswächst, der hat keine Freude an Hohlwegen und Waldspitzen, sondern verwünscht sie aus Herzensgrunde. Wenn der Verfasser des „Heimatschutzes" nur ein ein¬ ziges mal einen Wagen mit Dünger beladen in einem Hohlwege auf den Berg gefahren hätte, ein einziges Jahr über versumpfte Wiesen, infolge Wald¬ schattens ausgewachsenes Korn, durch schlechte Gräser erkranktes Vieh, unbe¬ aufsichtigtes Gesinde, Dorf- und Wiesenüberschwemmung seinen Ärger gehabt hätte, so würde er über die Verkoppeluugen anders denken. Ganz einverstanden bin ich mit dem „Heimatschutz" darin, daß durch die Verkoppelung nicht störend in gute Volkssitten eingegriffen werden soll. Das ist aber auch gar nicht nötig; im Gegenteil, es kann und soll durch sie vieles geschehen, um das Land- und Gemeindeleben behaglicher zu gestalten. Anweisung von Fest- und Spielplätzen, Anregung zur Anpflanzung nicht bloß von Nutzbciumeu, sondern auch von Schatten spendenden Bäumen an geeigneten Stellen der Feldmark, möglichste Erhaltung des Gemeindeforsts, Organisirung der Gemeinde- und Genosfenschaftsverbcinde zu ihrer Erhaltung. Aufforstung öder Flächen, Anlegung von Gemeindeobstwäldchcn, Anweisung von Flächen zum Nutzen der kleinen Besitzer und der Landarbeiter, das und vieles andre find Maßregeln, durch die die Behaglichkeit des Landlebens und die Freude daran bei Verkoppelungen erhöht werden kann. In dieser Richtung sind die von den Vereinen sür das Wohl der Landbevölkerung gegebnen An¬ regungen mit großem Danke aufzunehmen. Wenn dagegen der Vorsitzende einer Generalversammlung hannoverscher Touristenvereine mit seinen Be¬ mühungen, die Feldmark Hameln vor der Verkoppelung zu bewcchreu, selbst in der Touristeuversammlung unverstanden geblieben ist, so ist das wohl er¬ klärlich. Die Verkoppeluugen und Gemeinheitsteilungen verhindern, das hieße dem Landmann die beste Gelegenheit nehmen, durch eigne Arbeit vorwärts¬ zukommen. Es ist der Segen der Arbeit, der auf ihnen ruht, und den soll man niemandem verkümmern.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/61
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/61>, abgerufen am 22.05.2024.