Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch

"damit die Liebe nicht vereine, was das Gesetz getrennt hatte," wie einmal ein
Nechtsphilosoph gesagt hat. Wenn man sich nicht durch eine Berufung aus die
deutsche Rechtsentwicklung dem Verdacht aussetzte, als sehne man sich nach dem
Metgenuß und wolle ans der Bärenhaut liegen, so könnte man darauf hinweisen,
das; das römische Dotalrecht der Teil des römische" Rechts ist, der an der
deutschen Sitte am meisten und am allgemeinsten gescheitert ist. Selbst in
dem kleinen Gebiete, wo man ihm eine wirkliche Aufnahme zuschreibt, ist auf
einem künstlichen Umwege, aber im Leben überwiegend der deutsche Nechts-
gedanke in der Lehre von der stillschweigenden Dosbestellung wieder zur Geltung ge¬
kommen. Man braucht aber nicht einmal so weit zurückzugreifen; jeder weiß, wie
wenig man gerade hier von den materiellen Grundlagen des Lebens absehen kann,
und wie empfindlich sich die gemeine Wirklichkeit der Dinge zu rächen Pflegt,
wenn man sie vernachlässigt. Ein Eherecht, das die vermögensrechtliche Seite
der Ehe ganz außer acht ließe, würde damit nichts weiter schaffen als die
Möglichkeit und den Anlaß bestündiger Reibungen und Meinungsverschieden¬
heiten, die nur zu sehr geeignet sind, die rechte eheliche Gesinnung zu unter¬
graben. Auch dies hat Planck im Reichstag mit treffenden Worten ausein¬
andergesetzt.

Auf der andern Seite darf man nicht zu weit gehen. Man kann vielfach
hören, da die Ehe "eine allgemeine Gemeinschaft zwischen Mann und Frau
sein solle, sei das einzige prinzipiell zulässige Güterrecht die allgemeine Güter¬
gemeinschaft." Das ist nicht richtig. Wie alles Irdische, so ist auch die Ehe
vergänglich, und es liegt nicht der mindeste Grund dafür vor, ihre vermögens¬
rechtlichen Wirkungen weiter zu erstrecke", als es ihr sonstiger Zweck und Sinn
erfordert. Dies würde aber die Gütergemeinschaft zur Folge haben. Wenn
arm und reich einander heiraten, so würde bei der Gütergemeinschaft im Falle
der Ehescheidung der eine Teil mit der Hälfte des Vermögens des andern
davon ziehen, und ebenso beim Todesfall, wenn keine Kinder und Enkel vor¬
handen sind, das ursprüngliche Vermögen des einen Teils zur Hälfte dem
Erbrechte der Verwandten des andern Teils unterliegen. Das ist unbillig
und ungerecht und wird auch unzweifelhaft in solchen Fällen von allen Be¬
teiligten so empfunden. Die Verwaltungsgemeinschaft des bürgerlichen Gesetz¬
buchs, die jedem Ehegatten das Eigentum seines Vermögens beläßt und bei
der Auflösung der Ehe jedem zurückgiebt, was er eingebracht hat, vereinigt
nur für die Dauer und für die Zwecke der Ehe beide Vermögen zu gemein¬
schaftlicher Verwaltung und ist deshalb auch grundsätzlich die richtige Regelung.
Nur nebenbei ist auf die Gründe aufmerksam zu machen, die die wirtschaftliche
Not unsrer Zeit der Einführung der Gütergemeinschaft entgegenstellt. Bei ihr,
die ohne Rücksicht auf Zweck und Dauer der Ehe und für immer beide Ver¬
mögen in der verwaltenden Hand des Mannes vereinigt, haftet "das Gesamt¬
gut" für die Schulden des Mannes; gerät dieser daher wirtschaftlich in Ver-


Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch

„damit die Liebe nicht vereine, was das Gesetz getrennt hatte," wie einmal ein
Nechtsphilosoph gesagt hat. Wenn man sich nicht durch eine Berufung aus die
deutsche Rechtsentwicklung dem Verdacht aussetzte, als sehne man sich nach dem
Metgenuß und wolle ans der Bärenhaut liegen, so könnte man darauf hinweisen,
das; das römische Dotalrecht der Teil des römische» Rechts ist, der an der
deutschen Sitte am meisten und am allgemeinsten gescheitert ist. Selbst in
dem kleinen Gebiete, wo man ihm eine wirkliche Aufnahme zuschreibt, ist auf
einem künstlichen Umwege, aber im Leben überwiegend der deutsche Nechts-
gedanke in der Lehre von der stillschweigenden Dosbestellung wieder zur Geltung ge¬
kommen. Man braucht aber nicht einmal so weit zurückzugreifen; jeder weiß, wie
wenig man gerade hier von den materiellen Grundlagen des Lebens absehen kann,
und wie empfindlich sich die gemeine Wirklichkeit der Dinge zu rächen Pflegt,
wenn man sie vernachlässigt. Ein Eherecht, das die vermögensrechtliche Seite
der Ehe ganz außer acht ließe, würde damit nichts weiter schaffen als die
Möglichkeit und den Anlaß bestündiger Reibungen und Meinungsverschieden¬
heiten, die nur zu sehr geeignet sind, die rechte eheliche Gesinnung zu unter¬
graben. Auch dies hat Planck im Reichstag mit treffenden Worten ausein¬
andergesetzt.

Auf der andern Seite darf man nicht zu weit gehen. Man kann vielfach
hören, da die Ehe „eine allgemeine Gemeinschaft zwischen Mann und Frau
sein solle, sei das einzige prinzipiell zulässige Güterrecht die allgemeine Güter¬
gemeinschaft." Das ist nicht richtig. Wie alles Irdische, so ist auch die Ehe
vergänglich, und es liegt nicht der mindeste Grund dafür vor, ihre vermögens¬
rechtlichen Wirkungen weiter zu erstrecke», als es ihr sonstiger Zweck und Sinn
erfordert. Dies würde aber die Gütergemeinschaft zur Folge haben. Wenn
arm und reich einander heiraten, so würde bei der Gütergemeinschaft im Falle
der Ehescheidung der eine Teil mit der Hälfte des Vermögens des andern
davon ziehen, und ebenso beim Todesfall, wenn keine Kinder und Enkel vor¬
handen sind, das ursprüngliche Vermögen des einen Teils zur Hälfte dem
Erbrechte der Verwandten des andern Teils unterliegen. Das ist unbillig
und ungerecht und wird auch unzweifelhaft in solchen Fällen von allen Be¬
teiligten so empfunden. Die Verwaltungsgemeinschaft des bürgerlichen Gesetz¬
buchs, die jedem Ehegatten das Eigentum seines Vermögens beläßt und bei
der Auflösung der Ehe jedem zurückgiebt, was er eingebracht hat, vereinigt
nur für die Dauer und für die Zwecke der Ehe beide Vermögen zu gemein¬
schaftlicher Verwaltung und ist deshalb auch grundsätzlich die richtige Regelung.
Nur nebenbei ist auf die Gründe aufmerksam zu machen, die die wirtschaftliche
Not unsrer Zeit der Einführung der Gütergemeinschaft entgegenstellt. Bei ihr,
die ohne Rücksicht auf Zweck und Dauer der Ehe und für immer beide Ver¬
mögen in der verwaltenden Hand des Mannes vereinigt, haftet „das Gesamt¬
gut" für die Schulden des Mannes; gerät dieser daher wirtschaftlich in Ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227911"/>
            <fw type="header" place="top"> Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_742" prev="#ID_741"> &#x201E;damit die Liebe nicht vereine, was das Gesetz getrennt hatte," wie einmal ein<lb/>
Nechtsphilosoph gesagt hat. Wenn man sich nicht durch eine Berufung aus die<lb/>
deutsche Rechtsentwicklung dem Verdacht aussetzte, als sehne man sich nach dem<lb/>
Metgenuß und wolle ans der Bärenhaut liegen, so könnte man darauf hinweisen,<lb/>
das; das römische Dotalrecht der Teil des römische» Rechts ist, der an der<lb/>
deutschen Sitte am meisten und am allgemeinsten gescheitert ist. Selbst in<lb/>
dem kleinen Gebiete, wo man ihm eine wirkliche Aufnahme zuschreibt, ist auf<lb/>
einem künstlichen Umwege, aber im Leben überwiegend der deutsche Nechts-<lb/>
gedanke in der Lehre von der stillschweigenden Dosbestellung wieder zur Geltung ge¬<lb/>
kommen. Man braucht aber nicht einmal so weit zurückzugreifen; jeder weiß, wie<lb/>
wenig man gerade hier von den materiellen Grundlagen des Lebens absehen kann,<lb/>
und wie empfindlich sich die gemeine Wirklichkeit der Dinge zu rächen Pflegt,<lb/>
wenn man sie vernachlässigt. Ein Eherecht, das die vermögensrechtliche Seite<lb/>
der Ehe ganz außer acht ließe, würde damit nichts weiter schaffen als die<lb/>
Möglichkeit und den Anlaß bestündiger Reibungen und Meinungsverschieden¬<lb/>
heiten, die nur zu sehr geeignet sind, die rechte eheliche Gesinnung zu unter¬<lb/>
graben. Auch dies hat Planck im Reichstag mit treffenden Worten ausein¬<lb/>
andergesetzt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_743" next="#ID_744"> Auf der andern Seite darf man nicht zu weit gehen. Man kann vielfach<lb/>
hören, da die Ehe &#x201E;eine allgemeine Gemeinschaft zwischen Mann und Frau<lb/>
sein solle, sei das einzige prinzipiell zulässige Güterrecht die allgemeine Güter¬<lb/>
gemeinschaft." Das ist nicht richtig. Wie alles Irdische, so ist auch die Ehe<lb/>
vergänglich, und es liegt nicht der mindeste Grund dafür vor, ihre vermögens¬<lb/>
rechtlichen Wirkungen weiter zu erstrecke», als es ihr sonstiger Zweck und Sinn<lb/>
erfordert. Dies würde aber die Gütergemeinschaft zur Folge haben. Wenn<lb/>
arm und reich einander heiraten, so würde bei der Gütergemeinschaft im Falle<lb/>
der Ehescheidung der eine Teil mit der Hälfte des Vermögens des andern<lb/>
davon ziehen, und ebenso beim Todesfall, wenn keine Kinder und Enkel vor¬<lb/>
handen sind, das ursprüngliche Vermögen des einen Teils zur Hälfte dem<lb/>
Erbrechte der Verwandten des andern Teils unterliegen. Das ist unbillig<lb/>
und ungerecht und wird auch unzweifelhaft in solchen Fällen von allen Be¬<lb/>
teiligten so empfunden. Die Verwaltungsgemeinschaft des bürgerlichen Gesetz¬<lb/>
buchs, die jedem Ehegatten das Eigentum seines Vermögens beläßt und bei<lb/>
der Auflösung der Ehe jedem zurückgiebt, was er eingebracht hat, vereinigt<lb/>
nur für die Dauer und für die Zwecke der Ehe beide Vermögen zu gemein¬<lb/>
schaftlicher Verwaltung und ist deshalb auch grundsätzlich die richtige Regelung.<lb/>
Nur nebenbei ist auf die Gründe aufmerksam zu machen, die die wirtschaftliche<lb/>
Not unsrer Zeit der Einführung der Gütergemeinschaft entgegenstellt. Bei ihr,<lb/>
die ohne Rücksicht auf Zweck und Dauer der Ehe und für immer beide Ver¬<lb/>
mögen in der verwaltenden Hand des Mannes vereinigt, haftet &#x201E;das Gesamt¬<lb/>
gut" für die Schulden des Mannes; gerät dieser daher wirtschaftlich in Ver-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0275] Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch „damit die Liebe nicht vereine, was das Gesetz getrennt hatte," wie einmal ein Nechtsphilosoph gesagt hat. Wenn man sich nicht durch eine Berufung aus die deutsche Rechtsentwicklung dem Verdacht aussetzte, als sehne man sich nach dem Metgenuß und wolle ans der Bärenhaut liegen, so könnte man darauf hinweisen, das; das römische Dotalrecht der Teil des römische» Rechts ist, der an der deutschen Sitte am meisten und am allgemeinsten gescheitert ist. Selbst in dem kleinen Gebiete, wo man ihm eine wirkliche Aufnahme zuschreibt, ist auf einem künstlichen Umwege, aber im Leben überwiegend der deutsche Nechts- gedanke in der Lehre von der stillschweigenden Dosbestellung wieder zur Geltung ge¬ kommen. Man braucht aber nicht einmal so weit zurückzugreifen; jeder weiß, wie wenig man gerade hier von den materiellen Grundlagen des Lebens absehen kann, und wie empfindlich sich die gemeine Wirklichkeit der Dinge zu rächen Pflegt, wenn man sie vernachlässigt. Ein Eherecht, das die vermögensrechtliche Seite der Ehe ganz außer acht ließe, würde damit nichts weiter schaffen als die Möglichkeit und den Anlaß bestündiger Reibungen und Meinungsverschieden¬ heiten, die nur zu sehr geeignet sind, die rechte eheliche Gesinnung zu unter¬ graben. Auch dies hat Planck im Reichstag mit treffenden Worten ausein¬ andergesetzt. Auf der andern Seite darf man nicht zu weit gehen. Man kann vielfach hören, da die Ehe „eine allgemeine Gemeinschaft zwischen Mann und Frau sein solle, sei das einzige prinzipiell zulässige Güterrecht die allgemeine Güter¬ gemeinschaft." Das ist nicht richtig. Wie alles Irdische, so ist auch die Ehe vergänglich, und es liegt nicht der mindeste Grund dafür vor, ihre vermögens¬ rechtlichen Wirkungen weiter zu erstrecke», als es ihr sonstiger Zweck und Sinn erfordert. Dies würde aber die Gütergemeinschaft zur Folge haben. Wenn arm und reich einander heiraten, so würde bei der Gütergemeinschaft im Falle der Ehescheidung der eine Teil mit der Hälfte des Vermögens des andern davon ziehen, und ebenso beim Todesfall, wenn keine Kinder und Enkel vor¬ handen sind, das ursprüngliche Vermögen des einen Teils zur Hälfte dem Erbrechte der Verwandten des andern Teils unterliegen. Das ist unbillig und ungerecht und wird auch unzweifelhaft in solchen Fällen von allen Be¬ teiligten so empfunden. Die Verwaltungsgemeinschaft des bürgerlichen Gesetz¬ buchs, die jedem Ehegatten das Eigentum seines Vermögens beläßt und bei der Auflösung der Ehe jedem zurückgiebt, was er eingebracht hat, vereinigt nur für die Dauer und für die Zwecke der Ehe beide Vermögen zu gemein¬ schaftlicher Verwaltung und ist deshalb auch grundsätzlich die richtige Regelung. Nur nebenbei ist auf die Gründe aufmerksam zu machen, die die wirtschaftliche Not unsrer Zeit der Einführung der Gütergemeinschaft entgegenstellt. Bei ihr, die ohne Rücksicht auf Zweck und Dauer der Ehe und für immer beide Ver¬ mögen in der verwaltenden Hand des Mannes vereinigt, haftet „das Gesamt¬ gut" für die Schulden des Mannes; gerät dieser daher wirtschaftlich in Ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/275
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/275>, abgerufen am 21.05.2024.