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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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das Rainer gebraucht hatte, brauchte ihn ja gar nicht einzuschließen. Er hatte sichs
ganz einfach gedacht, Rainer zu fragen, ob er meinte, daß er Talent hätte. Aber
jetzt wars ihm nicht möglich, er brachte es nicht heraus.

Rainer hatte weiter gar nicht acht auf ihn. Er ließ die Rollen liegen und
warf sich gestiefelt und gespornt rückwärts aufs Bett: Du mußt eben hinausgehen,
nahm er seinen Gedanken wieder auf, und die Sachen an Ort und Stelle
zeichnen, wie sie wachsen, oder schlägt dich der alte Satyr tot, wenn er dich
dabei findet?

Das wird er nicht gerade wagen, wenn schon, die Feindschaft zwischen ihm
und meinem Vater immer noch frisch ist. Aber jetzt, wo ich von zu Haus weg
bin . . .

Da hat dich der Alte in Gnaden aufgenommen? So hast du zwei, den
Großvater und den Vater, und wenn du den einen erzürnst, hales der andre mit
dir, und umgekehrt? Das ist nicht übel. sowas müßte für uns arme Kerle alle
eingerichtet werden.

Gur so arg ist es nicht. Einstweilen kriege ich von keinem was.

Keinen Pfennig?

Nichts! Das heißt, von: Großvater einmal zu essen in der Woche -- am
Sonntag.

Und so kommst du her und willst malen? Das ist talentvoll, das muß man
sagen. Also regelrecht durchgebrannt. Ich hätt es mir denken können. So kommen
viele zur Akademie.

Und werden was? fragte Wilhelm gespannt.

Warth ab, mein Sohn!

Also sind es doch nicht durchaus die talentvollsten, die so herkommen?

Dummkopf, bin ich denn so hergekommen?

Nein, du nicht. Aber du könntest ja eine Ausnahme sein.

Das freilich. Aber es gehört überhaupt nicht dazu.

Das ist mir recht. Ich bin nämlich recht eigentlich nicht durchgebrannt.

Doch nicht?

Nein. Aber ich werd es dir schon ordentlich erzählen müssen, sonst kennst dn
dich niemals aus.

Ja, weiß der Himmel, das ist wahr.

Nur kurzweilig wirds nicht sein, meinte Wilhelm zögernd.

So koche uns eben einen Kaffee, damit ich nicht einschlafe. Der Spiritus
steht auf der Kommode, und der Kaffee daneben. Hast dus? Gut! Dann fang an.
Wissen möcht ich doch, was mit dem Satyr eigentlich ist.

Es hebt aber so ziemlich bei Adam an.

Vorwärts, sag ich dir. Das ist ja nicht zum aushalten, wie du dich
windest.

(Fortsetzung folgt)




das Rainer gebraucht hatte, brauchte ihn ja gar nicht einzuschließen. Er hatte sichs
ganz einfach gedacht, Rainer zu fragen, ob er meinte, daß er Talent hätte. Aber
jetzt wars ihm nicht möglich, er brachte es nicht heraus.

Rainer hatte weiter gar nicht acht auf ihn. Er ließ die Rollen liegen und
warf sich gestiefelt und gespornt rückwärts aufs Bett: Du mußt eben hinausgehen,
nahm er seinen Gedanken wieder auf, und die Sachen an Ort und Stelle
zeichnen, wie sie wachsen, oder schlägt dich der alte Satyr tot, wenn er dich
dabei findet?

Das wird er nicht gerade wagen, wenn schon, die Feindschaft zwischen ihm
und meinem Vater immer noch frisch ist. Aber jetzt, wo ich von zu Haus weg
bin . . .

Da hat dich der Alte in Gnaden aufgenommen? So hast du zwei, den
Großvater und den Vater, und wenn du den einen erzürnst, hales der andre mit
dir, und umgekehrt? Das ist nicht übel. sowas müßte für uns arme Kerle alle
eingerichtet werden.

Gur so arg ist es nicht. Einstweilen kriege ich von keinem was.

Keinen Pfennig?

Nichts! Das heißt, von: Großvater einmal zu essen in der Woche — am
Sonntag.

Und so kommst du her und willst malen? Das ist talentvoll, das muß man
sagen. Also regelrecht durchgebrannt. Ich hätt es mir denken können. So kommen
viele zur Akademie.

Und werden was? fragte Wilhelm gespannt.

Warth ab, mein Sohn!

Also sind es doch nicht durchaus die talentvollsten, die so herkommen?

Dummkopf, bin ich denn so hergekommen?

Nein, du nicht. Aber du könntest ja eine Ausnahme sein.

Das freilich. Aber es gehört überhaupt nicht dazu.

Das ist mir recht. Ich bin nämlich recht eigentlich nicht durchgebrannt.

Doch nicht?

Nein. Aber ich werd es dir schon ordentlich erzählen müssen, sonst kennst dn
dich niemals aus.

Ja, weiß der Himmel, das ist wahr.

Nur kurzweilig wirds nicht sein, meinte Wilhelm zögernd.

So koche uns eben einen Kaffee, damit ich nicht einschlafe. Der Spiritus
steht auf der Kommode, und der Kaffee daneben. Hast dus? Gut! Dann fang an.
Wissen möcht ich doch, was mit dem Satyr eigentlich ist.

Es hebt aber so ziemlich bei Adam an.

Vorwärts, sag ich dir. Das ist ja nicht zum aushalten, wie du dich
windest.

(Fortsetzung folgt)




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[0558] das Rainer gebraucht hatte, brauchte ihn ja gar nicht einzuschließen. Er hatte sichs ganz einfach gedacht, Rainer zu fragen, ob er meinte, daß er Talent hätte. Aber jetzt wars ihm nicht möglich, er brachte es nicht heraus. Rainer hatte weiter gar nicht acht auf ihn. Er ließ die Rollen liegen und warf sich gestiefelt und gespornt rückwärts aufs Bett: Du mußt eben hinausgehen, nahm er seinen Gedanken wieder auf, und die Sachen an Ort und Stelle zeichnen, wie sie wachsen, oder schlägt dich der alte Satyr tot, wenn er dich dabei findet? Das wird er nicht gerade wagen, wenn schon, die Feindschaft zwischen ihm und meinem Vater immer noch frisch ist. Aber jetzt, wo ich von zu Haus weg bin . . . Da hat dich der Alte in Gnaden aufgenommen? So hast du zwei, den Großvater und den Vater, und wenn du den einen erzürnst, hales der andre mit dir, und umgekehrt? Das ist nicht übel. sowas müßte für uns arme Kerle alle eingerichtet werden. Gur so arg ist es nicht. Einstweilen kriege ich von keinem was. Keinen Pfennig? Nichts! Das heißt, von: Großvater einmal zu essen in der Woche — am Sonntag. Und so kommst du her und willst malen? Das ist talentvoll, das muß man sagen. Also regelrecht durchgebrannt. Ich hätt es mir denken können. So kommen viele zur Akademie. Und werden was? fragte Wilhelm gespannt. Warth ab, mein Sohn! Also sind es doch nicht durchaus die talentvollsten, die so herkommen? Dummkopf, bin ich denn so hergekommen? Nein, du nicht. Aber du könntest ja eine Ausnahme sein. Das freilich. Aber es gehört überhaupt nicht dazu. Das ist mir recht. Ich bin nämlich recht eigentlich nicht durchgebrannt. Doch nicht? Nein. Aber ich werd es dir schon ordentlich erzählen müssen, sonst kennst dn dich niemals aus. Ja, weiß der Himmel, das ist wahr. Nur kurzweilig wirds nicht sein, meinte Wilhelm zögernd. So koche uns eben einen Kaffee, damit ich nicht einschlafe. Der Spiritus steht auf der Kommode, und der Kaffee daneben. Hast dus? Gut! Dann fang an. Wissen möcht ich doch, was mit dem Satyr eigentlich ist. Es hebt aber so ziemlich bei Adam an. Vorwärts, sag ich dir. Das ist ja nicht zum aushalten, wie du dich windest. (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/558>, abgerufen am 22.05.2024.