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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Kunstsammler in Berlin

Schon bei der ersten, von der Kunstgeschichtlichen Gesellschaft veranstalteten
Ausstellung, die sich auf das siebzehnte Jahrhundert -- mit der Person des
Großen Kurfürsten im Mittelpunkte -- beschränkte, traten andre Sammlernamen
in den Vordergrund, und wieder andre bei der 1892 veranstalteten Ausstellung
von Kunstwerken des achtzehnten Jahrhunderts. Seitdem hat sich das Bild
der Berliner Kunstsammlungen abermals verändert, und wenn auch die dies¬
jährige Ausstellung wiederum ein allerdings nicht sehr fest begrenztes Sonder¬
gebiet, die Renaissance von 1400 bis 1600, umfaßt hat, so läßt sich auch
darnach, wenn man die Spezialscimmlungen von niederländischen Gemälden des
siebzehnten und von Porzellanen und Faiencen des achtzehnten Jahrhunderts
hinzuzieht, ein ziemlich vollständiger Überblick über die Zahl der Berliner
Privatsammlungen gewinnen. Das "Kunsthandbuch" der königlichen Museen
führt ihrer nur etwa fünfundzwanzig auf, die Gemälde, Bildmerke und andre
Erzeugnisse der christlichen Kunst enthalten, die für Ausstellungen in Betracht
kommen. In dem Verzeichnis, das dem Katalog der Nenaissanceausstellung
vorausgeschickt ist, finden wir aber schon zweiundsiebzig Namen von Sammlern
aufgeführt, von denen etwa zwanzig bloße Gelegenheitssammler sein mögen.
Immerhin bleibt noch die stattliche Zahl von fünfzig übrig.

Mit Paris und London können sich die Berliner Sammler natürlich nicht
vergleichen, weder an Zahl noch an Reichtum und Bedeutung ihrer Kunstschütze.
Das zeigt sich besonders bei den in Berliner Privatbesitz vorhandnen Gemälden.
Schon der einzige Rothschild in Paris hat künstlerisch und materiell wertvollere
Gemälde der italienischen und niederländischen Schulen, als alle Berliner Privat¬
sammlungen zusammengenommen. Nur der deutsche Kaiser kann sich mit ihm
messen. Aber wir können ihn nicht zu den Privatsammlern im eigentlichen
Sinne rechnen, weil die Bilder und sonstigen Kunstwerke, um die es sich hier
vorzugsweise handelt, aus der von dem Großen Kurfürsten und Friedrich dem
Großen hinterlassenen Erbschaft stammen, namentlich die Bilder von Watteau,
Lancret und Pater, um die uns die ganze Welt beneidet. Diese aus dem
siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert herrührenden Kunstwerke haben den
Hauptbestandteil der drei Ausstellungen von 1383, 1890 und 1892 ausgemacht.
Daß sich im königlichen Privatbesitz aber auch noch über zwanzig Kunstwerke aus
der Nencnssancezeit vorgefunden haben, die den Verwüstungen und Geldnöten
des dreißigjährigen und siebenjährigen Krieges entgangen sind, wird Wohl für
die meisten Besucher der Ausstellung von 1898 eine Überraschung gewesen sein.
Auf Hoffesten hat man zwar schon oft das prächtige Silberbüffet bewundert, das
unter Kaiser Wilhelm II. durch eine sinnreich angebrachte elektrische Beleuchtung
ein Schaustück von unvergleichlichen Reize geworden ist. Aber vielleicht nur
wenige von den Gästen haben gewußt, daß die künstlerisch wertvollsten Haupt¬
stücke dieses Büffels, der nach der Maximilian II. darstellenden Deckelsigur
sogenannte Kaiserbecher und der Dianapokal, Werke zweier Großmeister deutscher


Kunstsammler in Berlin

Schon bei der ersten, von der Kunstgeschichtlichen Gesellschaft veranstalteten
Ausstellung, die sich auf das siebzehnte Jahrhundert — mit der Person des
Großen Kurfürsten im Mittelpunkte — beschränkte, traten andre Sammlernamen
in den Vordergrund, und wieder andre bei der 1892 veranstalteten Ausstellung
von Kunstwerken des achtzehnten Jahrhunderts. Seitdem hat sich das Bild
der Berliner Kunstsammlungen abermals verändert, und wenn auch die dies¬
jährige Ausstellung wiederum ein allerdings nicht sehr fest begrenztes Sonder¬
gebiet, die Renaissance von 1400 bis 1600, umfaßt hat, so läßt sich auch
darnach, wenn man die Spezialscimmlungen von niederländischen Gemälden des
siebzehnten und von Porzellanen und Faiencen des achtzehnten Jahrhunderts
hinzuzieht, ein ziemlich vollständiger Überblick über die Zahl der Berliner
Privatsammlungen gewinnen. Das „Kunsthandbuch" der königlichen Museen
führt ihrer nur etwa fünfundzwanzig auf, die Gemälde, Bildmerke und andre
Erzeugnisse der christlichen Kunst enthalten, die für Ausstellungen in Betracht
kommen. In dem Verzeichnis, das dem Katalog der Nenaissanceausstellung
vorausgeschickt ist, finden wir aber schon zweiundsiebzig Namen von Sammlern
aufgeführt, von denen etwa zwanzig bloße Gelegenheitssammler sein mögen.
Immerhin bleibt noch die stattliche Zahl von fünfzig übrig.

Mit Paris und London können sich die Berliner Sammler natürlich nicht
vergleichen, weder an Zahl noch an Reichtum und Bedeutung ihrer Kunstschütze.
Das zeigt sich besonders bei den in Berliner Privatbesitz vorhandnen Gemälden.
Schon der einzige Rothschild in Paris hat künstlerisch und materiell wertvollere
Gemälde der italienischen und niederländischen Schulen, als alle Berliner Privat¬
sammlungen zusammengenommen. Nur der deutsche Kaiser kann sich mit ihm
messen. Aber wir können ihn nicht zu den Privatsammlern im eigentlichen
Sinne rechnen, weil die Bilder und sonstigen Kunstwerke, um die es sich hier
vorzugsweise handelt, aus der von dem Großen Kurfürsten und Friedrich dem
Großen hinterlassenen Erbschaft stammen, namentlich die Bilder von Watteau,
Lancret und Pater, um die uns die ganze Welt beneidet. Diese aus dem
siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert herrührenden Kunstwerke haben den
Hauptbestandteil der drei Ausstellungen von 1383, 1890 und 1892 ausgemacht.
Daß sich im königlichen Privatbesitz aber auch noch über zwanzig Kunstwerke aus
der Nencnssancezeit vorgefunden haben, die den Verwüstungen und Geldnöten
des dreißigjährigen und siebenjährigen Krieges entgangen sind, wird Wohl für
die meisten Besucher der Ausstellung von 1898 eine Überraschung gewesen sein.
Auf Hoffesten hat man zwar schon oft das prächtige Silberbüffet bewundert, das
unter Kaiser Wilhelm II. durch eine sinnreich angebrachte elektrische Beleuchtung
ein Schaustück von unvergleichlichen Reize geworden ist. Aber vielleicht nur
wenige von den Gästen haben gewußt, daß die künstlerisch wertvollsten Haupt¬
stücke dieses Büffels, der nach der Maximilian II. darstellenden Deckelsigur
sogenannte Kaiserbecher und der Dianapokal, Werke zweier Großmeister deutscher


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[0190] Kunstsammler in Berlin Schon bei der ersten, von der Kunstgeschichtlichen Gesellschaft veranstalteten Ausstellung, die sich auf das siebzehnte Jahrhundert — mit der Person des Großen Kurfürsten im Mittelpunkte — beschränkte, traten andre Sammlernamen in den Vordergrund, und wieder andre bei der 1892 veranstalteten Ausstellung von Kunstwerken des achtzehnten Jahrhunderts. Seitdem hat sich das Bild der Berliner Kunstsammlungen abermals verändert, und wenn auch die dies¬ jährige Ausstellung wiederum ein allerdings nicht sehr fest begrenztes Sonder¬ gebiet, die Renaissance von 1400 bis 1600, umfaßt hat, so läßt sich auch darnach, wenn man die Spezialscimmlungen von niederländischen Gemälden des siebzehnten und von Porzellanen und Faiencen des achtzehnten Jahrhunderts hinzuzieht, ein ziemlich vollständiger Überblick über die Zahl der Berliner Privatsammlungen gewinnen. Das „Kunsthandbuch" der königlichen Museen führt ihrer nur etwa fünfundzwanzig auf, die Gemälde, Bildmerke und andre Erzeugnisse der christlichen Kunst enthalten, die für Ausstellungen in Betracht kommen. In dem Verzeichnis, das dem Katalog der Nenaissanceausstellung vorausgeschickt ist, finden wir aber schon zweiundsiebzig Namen von Sammlern aufgeführt, von denen etwa zwanzig bloße Gelegenheitssammler sein mögen. Immerhin bleibt noch die stattliche Zahl von fünfzig übrig. Mit Paris und London können sich die Berliner Sammler natürlich nicht vergleichen, weder an Zahl noch an Reichtum und Bedeutung ihrer Kunstschütze. Das zeigt sich besonders bei den in Berliner Privatbesitz vorhandnen Gemälden. Schon der einzige Rothschild in Paris hat künstlerisch und materiell wertvollere Gemälde der italienischen und niederländischen Schulen, als alle Berliner Privat¬ sammlungen zusammengenommen. Nur der deutsche Kaiser kann sich mit ihm messen. Aber wir können ihn nicht zu den Privatsammlern im eigentlichen Sinne rechnen, weil die Bilder und sonstigen Kunstwerke, um die es sich hier vorzugsweise handelt, aus der von dem Großen Kurfürsten und Friedrich dem Großen hinterlassenen Erbschaft stammen, namentlich die Bilder von Watteau, Lancret und Pater, um die uns die ganze Welt beneidet. Diese aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert herrührenden Kunstwerke haben den Hauptbestandteil der drei Ausstellungen von 1383, 1890 und 1892 ausgemacht. Daß sich im königlichen Privatbesitz aber auch noch über zwanzig Kunstwerke aus der Nencnssancezeit vorgefunden haben, die den Verwüstungen und Geldnöten des dreißigjährigen und siebenjährigen Krieges entgangen sind, wird Wohl für die meisten Besucher der Ausstellung von 1898 eine Überraschung gewesen sein. Auf Hoffesten hat man zwar schon oft das prächtige Silberbüffet bewundert, das unter Kaiser Wilhelm II. durch eine sinnreich angebrachte elektrische Beleuchtung ein Schaustück von unvergleichlichen Reize geworden ist. Aber vielleicht nur wenige von den Gästen haben gewußt, daß die künstlerisch wertvollsten Haupt¬ stücke dieses Büffels, der nach der Maximilian II. darstellenden Deckelsigur sogenannte Kaiserbecher und der Dianapokal, Werke zweier Großmeister deutscher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/190>, abgerufen am 05.06.2024.