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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr.

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Ungedruckte Briefe von Robert Schumann

und dem anregenden Verkehr mit Künstlern hingeben. Sie war eine ausgezeichnete
Pianistin, eine begeisterte Verehrerin Schumanns, dessen Carnaval, Davidsbündler-
tttnze, Phantasiestücke usw. sie schon zu einer Zeit spielte, als mau in Wien den
Komponisten kaum dem Namen nach kannte. Es sind neunundzwanzig Kompositionen,
Klavierstücke und Lieder, von ihr erschienen, die ersten schon in ihrem siebzehnten
Lebensjahre, die letzten 1844. Schumann widmete ihr 1839 seine Humoreske,
was von ihrer Seite im Jahre 1840 durch die Zueignung zweier Phantasiestücke
(Op. 25) erwidert wurde. Sie starb am 3. Juli 1837 in Graz.

Leipzig, den 9^ Februar 1838


Gnädigstes Fräulein,

Ihr Gruß hat mich mit großer Freude erfüllt. Thut doch jede Theilnahme
wohl, doppelt und mehrfach, wenn sie aus einem echten Künstlerherzeu kömmt.
Der Wege durchkreuzen sich so viel, daß man die einzelnen, die Freude brachten,
nicht aus dem Auge lassen darf -- und deshalb möchten Sie Sich auch
meiner erinnern manchmal, wie ich noch wenige Minuten vorher, ehe ich Ihr
gütiges Schreiben empfing, mich warm genug gegen einen Freund über einige
Ihrer Kompositionen ausgesprochen hatte. Es scheint, Sie lesen die Zeitschrift
erst seit Kurzem, sonst würden Sie Ihren Namen schon manchmal angetroffen
haben. Ich erlaube mir Ihnen hier noch einige Blätter beizulegen; möchten
Sie darin nur die Sympathie für Ihr seltenes Talent, so auch das Streben,
nach unparteiischen Grundsätzen geurteilt zu haben, nicht verkennen!

Durch den Umzug nach Wien werden Sie der musikalischen Welt um so
viel näher gerückt, daß er nur von den schönsten Folgen für Sie sein kann.
Darf ich Ihnen auch meinen Glückwunsch zu der Veranlassung dieser Ver¬
tauschung Ihres Wohnortes bringen?

Clara Wieck werden Sie schwerlich noch in Wien treffen; doch ist es ihr
so wohl dort ergangen, daß sie es wohl im nächsten Jahr noch einmal be¬
suchen wird. Die schüttet's wie aus goldenen Eimern; das Außerordentlichste
werden Sie hören und das liebenswürdigste Mädchen überdieß kennen lernen.

Daß Sie mein Carnaval reizen mag, begreife ich wohl; es sieht ja im
Künstlerherzen manchmal wunderlich aus, und die schreienden Dissonanzen,
wie sie das Leben zusammensetzt, mildert die versöhnende Kunst, wie sie oft
auch wieder die Freuden in dunkle lange Schleier einhüllt, daß man sie nicht
so offen sehe.

Aufmerksam erlaube ich mir Sie, mein verehrtes Fräulein, noch auf zwei
meiner Compositionen zu machen; es ist eine Sonate (c>x. 11) und zwei Hefte
Davidsbündlertänze (ox. 6), beide unter den Namen Florestan und Euse-
bius erschienen; da habe ich denn viel geschwärmt, als ich sie schrieb, und
es hängen selige Gedanken daran.

Doch genug für diesmal. Vielleicht vergönnen Sie mir, Ihnen einmal
wieder Nachricht geben zu dürfen. Es ist ein Schwung in unserem Musik-


Ungedruckte Briefe von Robert Schumann

und dem anregenden Verkehr mit Künstlern hingeben. Sie war eine ausgezeichnete
Pianistin, eine begeisterte Verehrerin Schumanns, dessen Carnaval, Davidsbündler-
tttnze, Phantasiestücke usw. sie schon zu einer Zeit spielte, als mau in Wien den
Komponisten kaum dem Namen nach kannte. Es sind neunundzwanzig Kompositionen,
Klavierstücke und Lieder, von ihr erschienen, die ersten schon in ihrem siebzehnten
Lebensjahre, die letzten 1844. Schumann widmete ihr 1839 seine Humoreske,
was von ihrer Seite im Jahre 1840 durch die Zueignung zweier Phantasiestücke
(Op. 25) erwidert wurde. Sie starb am 3. Juli 1837 in Graz.

Leipzig, den 9^ Februar 1838


Gnädigstes Fräulein,

Ihr Gruß hat mich mit großer Freude erfüllt. Thut doch jede Theilnahme
wohl, doppelt und mehrfach, wenn sie aus einem echten Künstlerherzeu kömmt.
Der Wege durchkreuzen sich so viel, daß man die einzelnen, die Freude brachten,
nicht aus dem Auge lassen darf — und deshalb möchten Sie Sich auch
meiner erinnern manchmal, wie ich noch wenige Minuten vorher, ehe ich Ihr
gütiges Schreiben empfing, mich warm genug gegen einen Freund über einige
Ihrer Kompositionen ausgesprochen hatte. Es scheint, Sie lesen die Zeitschrift
erst seit Kurzem, sonst würden Sie Ihren Namen schon manchmal angetroffen
haben. Ich erlaube mir Ihnen hier noch einige Blätter beizulegen; möchten
Sie darin nur die Sympathie für Ihr seltenes Talent, so auch das Streben,
nach unparteiischen Grundsätzen geurteilt zu haben, nicht verkennen!

Durch den Umzug nach Wien werden Sie der musikalischen Welt um so
viel näher gerückt, daß er nur von den schönsten Folgen für Sie sein kann.
Darf ich Ihnen auch meinen Glückwunsch zu der Veranlassung dieser Ver¬
tauschung Ihres Wohnortes bringen?

Clara Wieck werden Sie schwerlich noch in Wien treffen; doch ist es ihr
so wohl dort ergangen, daß sie es wohl im nächsten Jahr noch einmal be¬
suchen wird. Die schüttet's wie aus goldenen Eimern; das Außerordentlichste
werden Sie hören und das liebenswürdigste Mädchen überdieß kennen lernen.

Daß Sie mein Carnaval reizen mag, begreife ich wohl; es sieht ja im
Künstlerherzen manchmal wunderlich aus, und die schreienden Dissonanzen,
wie sie das Leben zusammensetzt, mildert die versöhnende Kunst, wie sie oft
auch wieder die Freuden in dunkle lange Schleier einhüllt, daß man sie nicht
so offen sehe.

Aufmerksam erlaube ich mir Sie, mein verehrtes Fräulein, noch auf zwei
meiner Compositionen zu machen; es ist eine Sonate (c>x. 11) und zwei Hefte
Davidsbündlertänze (ox. 6), beide unter den Namen Florestan und Euse-
bius erschienen; da habe ich denn viel geschwärmt, als ich sie schrieb, und
es hängen selige Gedanken daran.

Doch genug für diesmal. Vielleicht vergönnen Sie mir, Ihnen einmal
wieder Nachricht geben zu dürfen. Es ist ein Schwung in unserem Musik-


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[0088] Ungedruckte Briefe von Robert Schumann und dem anregenden Verkehr mit Künstlern hingeben. Sie war eine ausgezeichnete Pianistin, eine begeisterte Verehrerin Schumanns, dessen Carnaval, Davidsbündler- tttnze, Phantasiestücke usw. sie schon zu einer Zeit spielte, als mau in Wien den Komponisten kaum dem Namen nach kannte. Es sind neunundzwanzig Kompositionen, Klavierstücke und Lieder, von ihr erschienen, die ersten schon in ihrem siebzehnten Lebensjahre, die letzten 1844. Schumann widmete ihr 1839 seine Humoreske, was von ihrer Seite im Jahre 1840 durch die Zueignung zweier Phantasiestücke (Op. 25) erwidert wurde. Sie starb am 3. Juli 1837 in Graz. Leipzig, den 9^ Februar 1838 Gnädigstes Fräulein, Ihr Gruß hat mich mit großer Freude erfüllt. Thut doch jede Theilnahme wohl, doppelt und mehrfach, wenn sie aus einem echten Künstlerherzeu kömmt. Der Wege durchkreuzen sich so viel, daß man die einzelnen, die Freude brachten, nicht aus dem Auge lassen darf — und deshalb möchten Sie Sich auch meiner erinnern manchmal, wie ich noch wenige Minuten vorher, ehe ich Ihr gütiges Schreiben empfing, mich warm genug gegen einen Freund über einige Ihrer Kompositionen ausgesprochen hatte. Es scheint, Sie lesen die Zeitschrift erst seit Kurzem, sonst würden Sie Ihren Namen schon manchmal angetroffen haben. Ich erlaube mir Ihnen hier noch einige Blätter beizulegen; möchten Sie darin nur die Sympathie für Ihr seltenes Talent, so auch das Streben, nach unparteiischen Grundsätzen geurteilt zu haben, nicht verkennen! Durch den Umzug nach Wien werden Sie der musikalischen Welt um so viel näher gerückt, daß er nur von den schönsten Folgen für Sie sein kann. Darf ich Ihnen auch meinen Glückwunsch zu der Veranlassung dieser Ver¬ tauschung Ihres Wohnortes bringen? Clara Wieck werden Sie schwerlich noch in Wien treffen; doch ist es ihr so wohl dort ergangen, daß sie es wohl im nächsten Jahr noch einmal be¬ suchen wird. Die schüttet's wie aus goldenen Eimern; das Außerordentlichste werden Sie hören und das liebenswürdigste Mädchen überdieß kennen lernen. Daß Sie mein Carnaval reizen mag, begreife ich wohl; es sieht ja im Künstlerherzen manchmal wunderlich aus, und die schreienden Dissonanzen, wie sie das Leben zusammensetzt, mildert die versöhnende Kunst, wie sie oft auch wieder die Freuden in dunkle lange Schleier einhüllt, daß man sie nicht so offen sehe. Aufmerksam erlaube ich mir Sie, mein verehrtes Fräulein, noch auf zwei meiner Compositionen zu machen; es ist eine Sonate (c>x. 11) und zwei Hefte Davidsbündlertänze (ox. 6), beide unter den Namen Florestan und Euse- bius erschienen; da habe ich denn viel geschwärmt, als ich sie schrieb, und es hängen selige Gedanken daran. Doch genug für diesmal. Vielleicht vergönnen Sie mir, Ihnen einmal wieder Nachricht geben zu dürfen. Es ist ein Schwung in unserem Musik-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228301/88>, abgerufen am 16.05.2024.