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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die Ausweisungen in Nordschleswig

sehen, hat nicht bloß politische Gründe. Der nordschleswigische Bauernstand
ist der Hauptträger der dänischen Gesinnung. Es ist aber anerkannt, daß in
Dänemark die Landwirtschaft und das landwirtschaftliche Vildungswesen auf
einer hohen Stufe stehen. Man kann es darum den nordschleswigischen Land¬
leuten nicht verdenken, daß sie ihre Söhne zur Ausbildung nach Dänemark
schicken, und es ist nicht zu verwundern, daß sie vor der dünischen Landwirtschaft,
die ohne Zollschutz kräftig emporgeblüht ist, größere Achtung haben als vor
unsern beständig nach Staatshilfe schreienden Agrariern. Vor einiger Zeit sagte
ein nordschleswigischer Landmann auf einer Versammlung der dänischen Partei
ungefähr folgendes: "Früher waren die deutschen Landleute die Lehrmeister
der dänischen, jetzt aber ist es umgekehrt." Diese Überlegenheit des dänischen
Fachschulwesens, besonders auf dem Gebiet der Landwirtschaft und des Meierei¬
wesens, erkennt der Deutsche Verein an, und um den Zug nach Dänemark zu
hemmen, fordert er die Errichtung landwirtschaftlicher Schulen in Nordschleswig.
Ich fürchte nur, daß die Dünen auf das Zuckerbrod nicht anbeißen werden,
so lange die Deutschen die Peitsche nicht aus der Hand legen, und das werden
die "Maßgebenden" in Nordschleswig nicht wollen, da sie sich noch immer
von der Wirkung der Peitsche am meisten versprechen. Man kann zwar die
erwachsenen Leute nicht auf die Fortbildungsschule kommandiren, aber man
wird unter Hinweis auf die Möglichkeit guter Ausbildung auf der deutscheu
Schule den Besuch dünischer Schulen noch mehr erschweren oder ganz verbiete"
wollen. Die Dänen hegen aber gegen alle Verdeutschnngsanstalteu tiefes Mi߬
trauen, und das wird durch Zwangsmittel nicht überwunden.

Darum ist auch so wenig von der geplanten wirtschaftlichen Hebung
Haderslebens ein Erfolg für die Verdeutschung zu hoffen. Die Dänen wollen
grundsätzlich nichts von deutschen Geschenken wissen, auch wenn ihnen wirkliche
Vorteile geboten werden. Bei dieser Stimmung der Dänen wird keine Lockung
verfangen, und wenn sie dann das Zuckerbrod verschmähen, wird dies um so
mehr als ein Beweis dafür angesehen werden, daß in Güte nichts mit ihnen
anzufangen sei, und daß man die Peitsche um so kräftiger schwingen müsse.

Wenn man aber doch einmal "versuchen" will, den Dänen Wohlthaten
zuzuwenden, um sie dadurch zu gewinnen, warum giebt man ihnen nicht das,
wonach sie das lebhafteste Verlangen tragen, das Recht, ihre Kinder in der
Muttersprache unterrichten zu lassen? Von der Einräumung dieses Rechts
sind jedenfalls günstigere Wirkungen zu erwarten, als von irgend welchen den
Dünen aufgedrungnen und von ihnen nicht geschützten Wohlthaten.




Die Ausweisungen in Nordschleswig

sehen, hat nicht bloß politische Gründe. Der nordschleswigische Bauernstand
ist der Hauptträger der dänischen Gesinnung. Es ist aber anerkannt, daß in
Dänemark die Landwirtschaft und das landwirtschaftliche Vildungswesen auf
einer hohen Stufe stehen. Man kann es darum den nordschleswigischen Land¬
leuten nicht verdenken, daß sie ihre Söhne zur Ausbildung nach Dänemark
schicken, und es ist nicht zu verwundern, daß sie vor der dünischen Landwirtschaft,
die ohne Zollschutz kräftig emporgeblüht ist, größere Achtung haben als vor
unsern beständig nach Staatshilfe schreienden Agrariern. Vor einiger Zeit sagte
ein nordschleswigischer Landmann auf einer Versammlung der dänischen Partei
ungefähr folgendes: „Früher waren die deutschen Landleute die Lehrmeister
der dänischen, jetzt aber ist es umgekehrt." Diese Überlegenheit des dänischen
Fachschulwesens, besonders auf dem Gebiet der Landwirtschaft und des Meierei¬
wesens, erkennt der Deutsche Verein an, und um den Zug nach Dänemark zu
hemmen, fordert er die Errichtung landwirtschaftlicher Schulen in Nordschleswig.
Ich fürchte nur, daß die Dünen auf das Zuckerbrod nicht anbeißen werden,
so lange die Deutschen die Peitsche nicht aus der Hand legen, und das werden
die „Maßgebenden" in Nordschleswig nicht wollen, da sie sich noch immer
von der Wirkung der Peitsche am meisten versprechen. Man kann zwar die
erwachsenen Leute nicht auf die Fortbildungsschule kommandiren, aber man
wird unter Hinweis auf die Möglichkeit guter Ausbildung auf der deutscheu
Schule den Besuch dünischer Schulen noch mehr erschweren oder ganz verbiete»
wollen. Die Dänen hegen aber gegen alle Verdeutschnngsanstalteu tiefes Mi߬
trauen, und das wird durch Zwangsmittel nicht überwunden.

Darum ist auch so wenig von der geplanten wirtschaftlichen Hebung
Haderslebens ein Erfolg für die Verdeutschung zu hoffen. Die Dänen wollen
grundsätzlich nichts von deutschen Geschenken wissen, auch wenn ihnen wirkliche
Vorteile geboten werden. Bei dieser Stimmung der Dänen wird keine Lockung
verfangen, und wenn sie dann das Zuckerbrod verschmähen, wird dies um so
mehr als ein Beweis dafür angesehen werden, daß in Güte nichts mit ihnen
anzufangen sei, und daß man die Peitsche um so kräftiger schwingen müsse.

Wenn man aber doch einmal „versuchen" will, den Dänen Wohlthaten
zuzuwenden, um sie dadurch zu gewinnen, warum giebt man ihnen nicht das,
wonach sie das lebhafteste Verlangen tragen, das Recht, ihre Kinder in der
Muttersprache unterrichten zu lassen? Von der Einräumung dieses Rechts
sind jedenfalls günstigere Wirkungen zu erwarten, als von irgend welchen den
Dünen aufgedrungnen und von ihnen nicht geschützten Wohlthaten.




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[0627] Die Ausweisungen in Nordschleswig sehen, hat nicht bloß politische Gründe. Der nordschleswigische Bauernstand ist der Hauptträger der dänischen Gesinnung. Es ist aber anerkannt, daß in Dänemark die Landwirtschaft und das landwirtschaftliche Vildungswesen auf einer hohen Stufe stehen. Man kann es darum den nordschleswigischen Land¬ leuten nicht verdenken, daß sie ihre Söhne zur Ausbildung nach Dänemark schicken, und es ist nicht zu verwundern, daß sie vor der dünischen Landwirtschaft, die ohne Zollschutz kräftig emporgeblüht ist, größere Achtung haben als vor unsern beständig nach Staatshilfe schreienden Agrariern. Vor einiger Zeit sagte ein nordschleswigischer Landmann auf einer Versammlung der dänischen Partei ungefähr folgendes: „Früher waren die deutschen Landleute die Lehrmeister der dänischen, jetzt aber ist es umgekehrt." Diese Überlegenheit des dänischen Fachschulwesens, besonders auf dem Gebiet der Landwirtschaft und des Meierei¬ wesens, erkennt der Deutsche Verein an, und um den Zug nach Dänemark zu hemmen, fordert er die Errichtung landwirtschaftlicher Schulen in Nordschleswig. Ich fürchte nur, daß die Dünen auf das Zuckerbrod nicht anbeißen werden, so lange die Deutschen die Peitsche nicht aus der Hand legen, und das werden die „Maßgebenden" in Nordschleswig nicht wollen, da sie sich noch immer von der Wirkung der Peitsche am meisten versprechen. Man kann zwar die erwachsenen Leute nicht auf die Fortbildungsschule kommandiren, aber man wird unter Hinweis auf die Möglichkeit guter Ausbildung auf der deutscheu Schule den Besuch dünischer Schulen noch mehr erschweren oder ganz verbiete» wollen. Die Dänen hegen aber gegen alle Verdeutschnngsanstalteu tiefes Mi߬ trauen, und das wird durch Zwangsmittel nicht überwunden. Darum ist auch so wenig von der geplanten wirtschaftlichen Hebung Haderslebens ein Erfolg für die Verdeutschung zu hoffen. Die Dänen wollen grundsätzlich nichts von deutschen Geschenken wissen, auch wenn ihnen wirkliche Vorteile geboten werden. Bei dieser Stimmung der Dänen wird keine Lockung verfangen, und wenn sie dann das Zuckerbrod verschmähen, wird dies um so mehr als ein Beweis dafür angesehen werden, daß in Güte nichts mit ihnen anzufangen sei, und daß man die Peitsche um so kräftiger schwingen müsse. Wenn man aber doch einmal „versuchen" will, den Dänen Wohlthaten zuzuwenden, um sie dadurch zu gewinnen, warum giebt man ihnen nicht das, wonach sie das lebhafteste Verlangen tragen, das Recht, ihre Kinder in der Muttersprache unterrichten zu lassen? Von der Einräumung dieses Rechts sind jedenfalls günstigere Wirkungen zu erwarten, als von irgend welchen den Dünen aufgedrungnen und von ihnen nicht geschützten Wohlthaten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/627>, abgerufen am 02.05.2024.