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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Moritz Busch und Fürst Bismarck

lenken, wie den, daß Busch der Verfasser des nach Buchers Tode in Schorers
Familienblatt erschienenen Artikels über Bismarck und Bucher sei, der von
jemand herrührte, den Busch nicht einmal kannte, soviel ich weiß, der aber
sehr viel besser wußte, wie Bucher dachte, als Herr s^. Es wird wohl ein
sehr allgemeines Gefühl gewesen sein, daß der Fürst vieles, was er in den
letzten Jahren gesagt hat, besser nicht gesagt hätte, und nicht vor den Leuten,
die sich jetzt ihrer Wissenschaft rühmen und Kapital daraus geschlagen haben.

Das Verhältnis der neuen Bismarckleute zu dem Fürsten wird am besten
durch die naive Mitteilung Horst Kohls gekennzeichnet (Leipziger Tageblatt vom
27. November 1898), daß dem Fürsten Herbert Bismarck erst nach dem Tode
seines Vaters dessen Aufzeichnungen "im Zusammenhange bekannt" geworden
seien. Wie tief andre Leute in das Vertrauen des Fürsten gezogen sein mögen,
kann man darnach ermessen, und die Memoiren zeigen eS ja. Was darin steht,
wußte in der Hauptsache alle Welt vorher -- womit ihr Wert durchaus nicht
herabgesetzt werden soll, denn der besteht darin, daß man -- soweit sie wirklich
zum Druck vorbereitet waren -- das hört, was als des Fürsten ipsissiing.
vördll gelten sollte. Als eine kleine Illustration mag auch dienen, was der
Fürst mir sagen ließ, als ich ihm nach seiner Entlassung geschrieben hatte,
die Grenzboten würden ihn: treu bleiben, und ihn bat, er möchte mir -- da
Busch damals arbeitsunfähig war, und meine andern politischen Mitarbeiter in
den Dienst der neuen Negierung übergetreten waren -- jemand nennen, der
seine Anschauungen in den Grenzboten vertreten könnte; er ließ mir sagen,
ich möchte so oft zu ihm kommen, wie ich wolle, Schriftliches könne er mir
aber nicht geben, schon aus dem Grunde nicht, weil er niemand um sich habe,
der schreiben könnte. Dem Fürsten fehlte nicht, wie sich Herr Kohl ausdrückt
(Leipziger Tageblatt vom 27. November 1898), die antreibende Kraft, sondern
die fähige Kraft.

Ich habe von dieser Erlaubnis -- um dies hier einzuflechten -- keinen
Gebrauch gemacht, denn als dann jeder Beliebige, der sich an ihn herandrängte,
Zutritt bei ihm fand, und die Zeitungen sich mit Jnterviewerberichten füllten,
hielt ich es für besser, daß die Grenzboten von fern stehen blieben. Diese
sind dem Fürsten auch nicht treu geblieben. Das heißt, als die sozialen Fragen
begannen, das Volk aufzuregen, sind sie ihren eignen Weg gegangen und haben
sich dadurch des Fürsten Ungnade -- man weiß, wie ungnädig sie sein konnte --
w hohem Maße zugezogen; sie haben nicht unterlassen, dem Fürsten ehr¬
erbietigst zu sagen, daß sie sich gerade deshalb für bismarckisch hielten, daß
sie auch gegen ihn das aussprächen, was sie für recht hielten, und sie glauben,
die Vismarckische Tradition jederzeit treu aufrecht erhalten zu haben in Gnade
""d Ungnade, anch bei der rücksichtslosen Verfolgung, der sie durch die
Bismarckpresse in den jüngstvergangnen Jahren ausgesetzt waren -- in der
Hohcnzvllerntreue jedenfalls bester als die, die mit Genuß und mit geheuchelter


Grenzboten I 1899 4
Moritz Busch und Fürst Bismarck

lenken, wie den, daß Busch der Verfasser des nach Buchers Tode in Schorers
Familienblatt erschienenen Artikels über Bismarck und Bucher sei, der von
jemand herrührte, den Busch nicht einmal kannte, soviel ich weiß, der aber
sehr viel besser wußte, wie Bucher dachte, als Herr s^. Es wird wohl ein
sehr allgemeines Gefühl gewesen sein, daß der Fürst vieles, was er in den
letzten Jahren gesagt hat, besser nicht gesagt hätte, und nicht vor den Leuten,
die sich jetzt ihrer Wissenschaft rühmen und Kapital daraus geschlagen haben.

Das Verhältnis der neuen Bismarckleute zu dem Fürsten wird am besten
durch die naive Mitteilung Horst Kohls gekennzeichnet (Leipziger Tageblatt vom
27. November 1898), daß dem Fürsten Herbert Bismarck erst nach dem Tode
seines Vaters dessen Aufzeichnungen „im Zusammenhange bekannt" geworden
seien. Wie tief andre Leute in das Vertrauen des Fürsten gezogen sein mögen,
kann man darnach ermessen, und die Memoiren zeigen eS ja. Was darin steht,
wußte in der Hauptsache alle Welt vorher — womit ihr Wert durchaus nicht
herabgesetzt werden soll, denn der besteht darin, daß man — soweit sie wirklich
zum Druck vorbereitet waren — das hört, was als des Fürsten ipsissiing.
vördll gelten sollte. Als eine kleine Illustration mag auch dienen, was der
Fürst mir sagen ließ, als ich ihm nach seiner Entlassung geschrieben hatte,
die Grenzboten würden ihn: treu bleiben, und ihn bat, er möchte mir — da
Busch damals arbeitsunfähig war, und meine andern politischen Mitarbeiter in
den Dienst der neuen Negierung übergetreten waren — jemand nennen, der
seine Anschauungen in den Grenzboten vertreten könnte; er ließ mir sagen,
ich möchte so oft zu ihm kommen, wie ich wolle, Schriftliches könne er mir
aber nicht geben, schon aus dem Grunde nicht, weil er niemand um sich habe,
der schreiben könnte. Dem Fürsten fehlte nicht, wie sich Herr Kohl ausdrückt
(Leipziger Tageblatt vom 27. November 1898), die antreibende Kraft, sondern
die fähige Kraft.

Ich habe von dieser Erlaubnis — um dies hier einzuflechten — keinen
Gebrauch gemacht, denn als dann jeder Beliebige, der sich an ihn herandrängte,
Zutritt bei ihm fand, und die Zeitungen sich mit Jnterviewerberichten füllten,
hielt ich es für besser, daß die Grenzboten von fern stehen blieben. Diese
sind dem Fürsten auch nicht treu geblieben. Das heißt, als die sozialen Fragen
begannen, das Volk aufzuregen, sind sie ihren eignen Weg gegangen und haben
sich dadurch des Fürsten Ungnade — man weiß, wie ungnädig sie sein konnte —
w hohem Maße zugezogen; sie haben nicht unterlassen, dem Fürsten ehr¬
erbietigst zu sagen, daß sie sich gerade deshalb für bismarckisch hielten, daß
sie auch gegen ihn das aussprächen, was sie für recht hielten, und sie glauben,
die Vismarckische Tradition jederzeit treu aufrecht erhalten zu haben in Gnade
""d Ungnade, anch bei der rücksichtslosen Verfolgung, der sie durch die
Bismarckpresse in den jüngstvergangnen Jahren ausgesetzt waren — in der
Hohcnzvllerntreue jedenfalls bester als die, die mit Genuß und mit geheuchelter


Grenzboten I 1899 4
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[0033] Moritz Busch und Fürst Bismarck lenken, wie den, daß Busch der Verfasser des nach Buchers Tode in Schorers Familienblatt erschienenen Artikels über Bismarck und Bucher sei, der von jemand herrührte, den Busch nicht einmal kannte, soviel ich weiß, der aber sehr viel besser wußte, wie Bucher dachte, als Herr s^. Es wird wohl ein sehr allgemeines Gefühl gewesen sein, daß der Fürst vieles, was er in den letzten Jahren gesagt hat, besser nicht gesagt hätte, und nicht vor den Leuten, die sich jetzt ihrer Wissenschaft rühmen und Kapital daraus geschlagen haben. Das Verhältnis der neuen Bismarckleute zu dem Fürsten wird am besten durch die naive Mitteilung Horst Kohls gekennzeichnet (Leipziger Tageblatt vom 27. November 1898), daß dem Fürsten Herbert Bismarck erst nach dem Tode seines Vaters dessen Aufzeichnungen „im Zusammenhange bekannt" geworden seien. Wie tief andre Leute in das Vertrauen des Fürsten gezogen sein mögen, kann man darnach ermessen, und die Memoiren zeigen eS ja. Was darin steht, wußte in der Hauptsache alle Welt vorher — womit ihr Wert durchaus nicht herabgesetzt werden soll, denn der besteht darin, daß man — soweit sie wirklich zum Druck vorbereitet waren — das hört, was als des Fürsten ipsissiing. vördll gelten sollte. Als eine kleine Illustration mag auch dienen, was der Fürst mir sagen ließ, als ich ihm nach seiner Entlassung geschrieben hatte, die Grenzboten würden ihn: treu bleiben, und ihn bat, er möchte mir — da Busch damals arbeitsunfähig war, und meine andern politischen Mitarbeiter in den Dienst der neuen Negierung übergetreten waren — jemand nennen, der seine Anschauungen in den Grenzboten vertreten könnte; er ließ mir sagen, ich möchte so oft zu ihm kommen, wie ich wolle, Schriftliches könne er mir aber nicht geben, schon aus dem Grunde nicht, weil er niemand um sich habe, der schreiben könnte. Dem Fürsten fehlte nicht, wie sich Herr Kohl ausdrückt (Leipziger Tageblatt vom 27. November 1898), die antreibende Kraft, sondern die fähige Kraft. Ich habe von dieser Erlaubnis — um dies hier einzuflechten — keinen Gebrauch gemacht, denn als dann jeder Beliebige, der sich an ihn herandrängte, Zutritt bei ihm fand, und die Zeitungen sich mit Jnterviewerberichten füllten, hielt ich es für besser, daß die Grenzboten von fern stehen blieben. Diese sind dem Fürsten auch nicht treu geblieben. Das heißt, als die sozialen Fragen begannen, das Volk aufzuregen, sind sie ihren eignen Weg gegangen und haben sich dadurch des Fürsten Ungnade — man weiß, wie ungnädig sie sein konnte — w hohem Maße zugezogen; sie haben nicht unterlassen, dem Fürsten ehr¬ erbietigst zu sagen, daß sie sich gerade deshalb für bismarckisch hielten, daß sie auch gegen ihn das aussprächen, was sie für recht hielten, und sie glauben, die Vismarckische Tradition jederzeit treu aufrecht erhalten zu haben in Gnade ""d Ungnade, anch bei der rücksichtslosen Verfolgung, der sie durch die Bismarckpresse in den jüngstvergangnen Jahren ausgesetzt waren — in der Hohcnzvllerntreue jedenfalls bester als die, die mit Genuß und mit geheuchelter Grenzboten I 1899 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/33>, abgerufen am 27.05.2024.