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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

(Budapest, A. Ties). Die Einkleidung dieser Schrift ist nicht noch unserm Ge¬
schmack, der Ausdruck oft mehr als deutlich, aber in der Sache enthalt sie viel
richtiges, und die Satire nicht gegen den Künstler, sondern gegen seine kritiklosen
Verehrer ist treffend.

Am Schluß meint der Verfasser dieser zweiten Schrift, es liege darin etwas
tragisches, daß der Künstler erst Anerkennung gefunden habe, "als der bessere dem
schlechter" Böcklin unterlag." Die Landschaften seiner frühern Zeit seien gegenüber
den fertigen Naturstudien der Realisten echte, aus dem Innern des Künstlers ge¬
schöpfte Bilder gewesen. Als man angefangen habe, seine figürlichen Versuche als
Meisterwerke anzustaunen, sei er "durch seine eigne Karikatur" zum Ruhme der
G A. P. enialität gelangt.


Allerlei Fahrten,

Erlebtes und Erschautes von Fr. Seiler. Berlin,
Martin Warueck. --- Dieses Buch gehört zu deu seltnen Büchern, die viel mehr
gewahren, als man in ihnen sucht. Der Verfasser hat deu französischen Krieg mit¬
gemacht, ohne jedoch in das Feuer einer wirklichen Feldschlacht zu kommen, er ist
in dem einförmigen, aufreibenden Belagerungsdienst vor Paris verwandt worden
und schildert seine einfachen, aber doch recht ernsten Erlebnisse im ersten Teile
dieses Buches mit einer Anschaulichkeit, die gewinnt, fesselt und außerdem unter¬
richtet. Welch ein innerer Mut gehörte für deu Einzelnen zu diesen stillen Leiden,
die keine Anerkennung zu erwarten hatten, bei denen man aber leicht alles ver¬
fehlen konnte! Später als reifer Mann ist der Verfasser mehrfach in Italien ge¬
wesen, und Berichte über Neapel und die nähere Umgebung (Pompeji, Sorrent,
Salerno, Pästum, Capri) bilden den zweiten größern Teil seines Buches. Nun
siud ja Reiseberichte aus Italien bei uns tägliche Vögel, die meisten setzen wir
gar nicht erst in den Rezensierkäfig, sondern lassen sie gleich wieder fliegen. Aber
hier machen wir eine Ausnahme. ^ taut ssissnsur tont Iionmzurl Der Verfasser
hat Sinn für Kunst, ohne Kuustsimpel zu sein, er hat Blick für Natur und Volks-
chnrakter, eine sehr gesunde Kritik und die Gabe angenehm zu erzählen. Durch
einen Teil seiner Reisebeschreibung ist eine hübsche Novelle geschlungen, die mit
einem Ehebunde endigt, wahrscheinlich erfunden, aber für den Leser ganz wie erlebt.
Wer sich auf eine Reise nach Unteritalien vorbereiten will oder es von früher her
kennt und wissen möchte, ob es dort noch ebenso aussieht, der kann sich auf keine
A. p. unterhaltendere Weise belehren lassen.






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

(Budapest, A. Ties). Die Einkleidung dieser Schrift ist nicht noch unserm Ge¬
schmack, der Ausdruck oft mehr als deutlich, aber in der Sache enthalt sie viel
richtiges, und die Satire nicht gegen den Künstler, sondern gegen seine kritiklosen
Verehrer ist treffend.

Am Schluß meint der Verfasser dieser zweiten Schrift, es liege darin etwas
tragisches, daß der Künstler erst Anerkennung gefunden habe, „als der bessere dem
schlechter» Böcklin unterlag." Die Landschaften seiner frühern Zeit seien gegenüber
den fertigen Naturstudien der Realisten echte, aus dem Innern des Künstlers ge¬
schöpfte Bilder gewesen. Als man angefangen habe, seine figürlichen Versuche als
Meisterwerke anzustaunen, sei er „durch seine eigne Karikatur" zum Ruhme der
G A. P. enialität gelangt.


Allerlei Fahrten,

Erlebtes und Erschautes von Fr. Seiler. Berlin,
Martin Warueck. —- Dieses Buch gehört zu deu seltnen Büchern, die viel mehr
gewahren, als man in ihnen sucht. Der Verfasser hat deu französischen Krieg mit¬
gemacht, ohne jedoch in das Feuer einer wirklichen Feldschlacht zu kommen, er ist
in dem einförmigen, aufreibenden Belagerungsdienst vor Paris verwandt worden
und schildert seine einfachen, aber doch recht ernsten Erlebnisse im ersten Teile
dieses Buches mit einer Anschaulichkeit, die gewinnt, fesselt und außerdem unter¬
richtet. Welch ein innerer Mut gehörte für deu Einzelnen zu diesen stillen Leiden,
die keine Anerkennung zu erwarten hatten, bei denen man aber leicht alles ver¬
fehlen konnte! Später als reifer Mann ist der Verfasser mehrfach in Italien ge¬
wesen, und Berichte über Neapel und die nähere Umgebung (Pompeji, Sorrent,
Salerno, Pästum, Capri) bilden den zweiten größern Teil seines Buches. Nun
siud ja Reiseberichte aus Italien bei uns tägliche Vögel, die meisten setzen wir
gar nicht erst in den Rezensierkäfig, sondern lassen sie gleich wieder fliegen. Aber
hier machen wir eine Ausnahme. ^ taut ssissnsur tont Iionmzurl Der Verfasser
hat Sinn für Kunst, ohne Kuustsimpel zu sein, er hat Blick für Natur und Volks-
chnrakter, eine sehr gesunde Kritik und die Gabe angenehm zu erzählen. Durch
einen Teil seiner Reisebeschreibung ist eine hübsche Novelle geschlungen, die mit
einem Ehebunde endigt, wahrscheinlich erfunden, aber für den Leser ganz wie erlebt.
Wer sich auf eine Reise nach Unteritalien vorbereiten will oder es von früher her
kennt und wissen möchte, ob es dort noch ebenso aussieht, der kann sich auf keine
A. p. unterhaltendere Weise belehren lassen.






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0120] Maßgebliches und Unmaßgebliches (Budapest, A. Ties). Die Einkleidung dieser Schrift ist nicht noch unserm Ge¬ schmack, der Ausdruck oft mehr als deutlich, aber in der Sache enthalt sie viel richtiges, und die Satire nicht gegen den Künstler, sondern gegen seine kritiklosen Verehrer ist treffend. Am Schluß meint der Verfasser dieser zweiten Schrift, es liege darin etwas tragisches, daß der Künstler erst Anerkennung gefunden habe, „als der bessere dem schlechter» Böcklin unterlag." Die Landschaften seiner frühern Zeit seien gegenüber den fertigen Naturstudien der Realisten echte, aus dem Innern des Künstlers ge¬ schöpfte Bilder gewesen. Als man angefangen habe, seine figürlichen Versuche als Meisterwerke anzustaunen, sei er „durch seine eigne Karikatur" zum Ruhme der G A. P. enialität gelangt. Allerlei Fahrten, Erlebtes und Erschautes von Fr. Seiler. Berlin, Martin Warueck. —- Dieses Buch gehört zu deu seltnen Büchern, die viel mehr gewahren, als man in ihnen sucht. Der Verfasser hat deu französischen Krieg mit¬ gemacht, ohne jedoch in das Feuer einer wirklichen Feldschlacht zu kommen, er ist in dem einförmigen, aufreibenden Belagerungsdienst vor Paris verwandt worden und schildert seine einfachen, aber doch recht ernsten Erlebnisse im ersten Teile dieses Buches mit einer Anschaulichkeit, die gewinnt, fesselt und außerdem unter¬ richtet. Welch ein innerer Mut gehörte für deu Einzelnen zu diesen stillen Leiden, die keine Anerkennung zu erwarten hatten, bei denen man aber leicht alles ver¬ fehlen konnte! Später als reifer Mann ist der Verfasser mehrfach in Italien ge¬ wesen, und Berichte über Neapel und die nähere Umgebung (Pompeji, Sorrent, Salerno, Pästum, Capri) bilden den zweiten größern Teil seines Buches. Nun siud ja Reiseberichte aus Italien bei uns tägliche Vögel, die meisten setzen wir gar nicht erst in den Rezensierkäfig, sondern lassen sie gleich wieder fliegen. Aber hier machen wir eine Ausnahme. ^ taut ssissnsur tont Iionmzurl Der Verfasser hat Sinn für Kunst, ohne Kuustsimpel zu sein, er hat Blick für Natur und Volks- chnrakter, eine sehr gesunde Kritik und die Gabe angenehm zu erzählen. Durch einen Teil seiner Reisebeschreibung ist eine hübsche Novelle geschlungen, die mit einem Ehebunde endigt, wahrscheinlich erfunden, aber für den Leser ganz wie erlebt. Wer sich auf eine Reise nach Unteritalien vorbereiten will oder es von früher her kennt und wissen möchte, ob es dort noch ebenso aussieht, der kann sich auf keine A. p. unterhaltendere Weise belehren lassen. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/120>, abgerufen am 21.05.2024.