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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Rassen und Kriege

in die Volksseele und ihre treibenden Kräfte dringt aber meistens nur der ein,
der neben und in ihr lebt, wirkt und mit ihren geistigen Triebfedern zu rechnen
hat. In diesem Sinne, nur in diesem, mögen meine Beobachtungen und die
daraus gezognen Schlüsse vielleicht etwas wert sein.

Alle auf den nordgermanischen Mutterstamm zurückführbaren Völker sind,
geht man den Dingen auf den Grund, durch ihre Disziplin das geworden,
was sie heute sind: stark und frei. Das ist das Geheimnis ihrer Überlegen¬
heit in Krieg und Frieden, im Geschäftsleben, im Staat und in der sozialen
Reform. Denn niemand möge sich der argen Täuschung hingeben, als sei
Disziplin ein Merkmal sklavischer Gesinnung. Ganz das Gegenteil. Nur starke
Rassen haben Disziplin, je kräftiger ein Volk, um so mehr Mannszucht ent¬
wickelt es im Angesicht großer Aufgaben oder in Zeiten der Not und Abwehr.
Man kann hier geradezu von einer Disziplin der Herrenrassen sprechen. "Mit
solchen Truppen nehme ich die Welt," rief, bezeichnend genug, ein Franzose,
der den Sturm auf die Düppler Schanzen sah. Zum Glück hat Preußen keine
solche Eroberungsgelüste, trotz seines stark entwickelten Kraftbewußtseins. Seine
Herrscher und Staatsmänner wissen, daß für Kontinentalstaaten Konzentration
in vernünftigen Grenzen mehr Kraft und Gesundheit verbürgt, als Expansion.

Durch seine günstige Lage, mit der höchstens die Lage Japans verglichen
werden kann, mußte das angelsächsische Jnselvolk die Vorherrschaft zur See
gewinnen. Abstammend von der Bevölkerung unsrer Nord- und Ostseeküsten,
nach der Schlacht bei Hastings 1066 durch normannische Mischung verstärkt, war
es von Anbeginn für die See nicht für das Genießen der See wie in mehr
südlichen Ländern, sondern für den Kampf mit dem Meere geboren und erzogen.
Das nordische Meer züchtet wortkarge, verschlossene, aber zugleich freie und
entschlossene Männer, stille Menschen, die aber einen weiten Horizont lieben,
die weitsichtig sind. Es ist darum rassenpsychologisch sehr bedeutsam, daß in
England die Überreste der skandinavischen Bevölkerung den Nordosten besetzten
(Uorkshire, Lancaster, wo bis zum heutigen Tage sogar noch "musikalische
Engländer" nichts seltnes sind), die Friesen aber die südlichern Küstenstriche
nebst Jsle of Wight nahmen, nachdem -- auch das ist interessant -- die ger¬
manischen Stämme den bedrängten Kelten geholfen hatten, die "rauhen" Pillen
wieder in die schottischen Berge zu vertreiben. Die schweigsamen Friesen zog
es unwiderstehlich hinunter an die mehr flachen Küsten mit weit vorliegendem
Strand, wo sie der ewigen Brandung heimatlichen Sang hören und den Blick
am weiten Horizont schweifen lassen durften.

Nicht die Übermacht an Zahl allein hat, wie vielfach angenommen wird,
den Engländern ihre Vorherrschaft über die Franzosen und Spanier zur See
gegeben. Sie sind die Abkömmlinge der Sachsen, die schon den Römern ein
Schrecken waren, weil sie "bei jedem Winde segeln konnten," die Nachkommen
der Wikinger oder doch durch keltische Blutmischung kaum geschwächten Nor-


Rassen und Kriege

in die Volksseele und ihre treibenden Kräfte dringt aber meistens nur der ein,
der neben und in ihr lebt, wirkt und mit ihren geistigen Triebfedern zu rechnen
hat. In diesem Sinne, nur in diesem, mögen meine Beobachtungen und die
daraus gezognen Schlüsse vielleicht etwas wert sein.

Alle auf den nordgermanischen Mutterstamm zurückführbaren Völker sind,
geht man den Dingen auf den Grund, durch ihre Disziplin das geworden,
was sie heute sind: stark und frei. Das ist das Geheimnis ihrer Überlegen¬
heit in Krieg und Frieden, im Geschäftsleben, im Staat und in der sozialen
Reform. Denn niemand möge sich der argen Täuschung hingeben, als sei
Disziplin ein Merkmal sklavischer Gesinnung. Ganz das Gegenteil. Nur starke
Rassen haben Disziplin, je kräftiger ein Volk, um so mehr Mannszucht ent¬
wickelt es im Angesicht großer Aufgaben oder in Zeiten der Not und Abwehr.
Man kann hier geradezu von einer Disziplin der Herrenrassen sprechen. „Mit
solchen Truppen nehme ich die Welt," rief, bezeichnend genug, ein Franzose,
der den Sturm auf die Düppler Schanzen sah. Zum Glück hat Preußen keine
solche Eroberungsgelüste, trotz seines stark entwickelten Kraftbewußtseins. Seine
Herrscher und Staatsmänner wissen, daß für Kontinentalstaaten Konzentration
in vernünftigen Grenzen mehr Kraft und Gesundheit verbürgt, als Expansion.

Durch seine günstige Lage, mit der höchstens die Lage Japans verglichen
werden kann, mußte das angelsächsische Jnselvolk die Vorherrschaft zur See
gewinnen. Abstammend von der Bevölkerung unsrer Nord- und Ostseeküsten,
nach der Schlacht bei Hastings 1066 durch normannische Mischung verstärkt, war
es von Anbeginn für die See nicht für das Genießen der See wie in mehr
südlichen Ländern, sondern für den Kampf mit dem Meere geboren und erzogen.
Das nordische Meer züchtet wortkarge, verschlossene, aber zugleich freie und
entschlossene Männer, stille Menschen, die aber einen weiten Horizont lieben,
die weitsichtig sind. Es ist darum rassenpsychologisch sehr bedeutsam, daß in
England die Überreste der skandinavischen Bevölkerung den Nordosten besetzten
(Uorkshire, Lancaster, wo bis zum heutigen Tage sogar noch „musikalische
Engländer" nichts seltnes sind), die Friesen aber die südlichern Küstenstriche
nebst Jsle of Wight nahmen, nachdem — auch das ist interessant — die ger¬
manischen Stämme den bedrängten Kelten geholfen hatten, die „rauhen" Pillen
wieder in die schottischen Berge zu vertreiben. Die schweigsamen Friesen zog
es unwiderstehlich hinunter an die mehr flachen Küsten mit weit vorliegendem
Strand, wo sie der ewigen Brandung heimatlichen Sang hören und den Blick
am weiten Horizont schweifen lassen durften.

Nicht die Übermacht an Zahl allein hat, wie vielfach angenommen wird,
den Engländern ihre Vorherrschaft über die Franzosen und Spanier zur See
gegeben. Sie sind die Abkömmlinge der Sachsen, die schon den Römern ein
Schrecken waren, weil sie „bei jedem Winde segeln konnten," die Nachkommen
der Wikinger oder doch durch keltische Blutmischung kaum geschwächten Nor-


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[0186] Rassen und Kriege in die Volksseele und ihre treibenden Kräfte dringt aber meistens nur der ein, der neben und in ihr lebt, wirkt und mit ihren geistigen Triebfedern zu rechnen hat. In diesem Sinne, nur in diesem, mögen meine Beobachtungen und die daraus gezognen Schlüsse vielleicht etwas wert sein. Alle auf den nordgermanischen Mutterstamm zurückführbaren Völker sind, geht man den Dingen auf den Grund, durch ihre Disziplin das geworden, was sie heute sind: stark und frei. Das ist das Geheimnis ihrer Überlegen¬ heit in Krieg und Frieden, im Geschäftsleben, im Staat und in der sozialen Reform. Denn niemand möge sich der argen Täuschung hingeben, als sei Disziplin ein Merkmal sklavischer Gesinnung. Ganz das Gegenteil. Nur starke Rassen haben Disziplin, je kräftiger ein Volk, um so mehr Mannszucht ent¬ wickelt es im Angesicht großer Aufgaben oder in Zeiten der Not und Abwehr. Man kann hier geradezu von einer Disziplin der Herrenrassen sprechen. „Mit solchen Truppen nehme ich die Welt," rief, bezeichnend genug, ein Franzose, der den Sturm auf die Düppler Schanzen sah. Zum Glück hat Preußen keine solche Eroberungsgelüste, trotz seines stark entwickelten Kraftbewußtseins. Seine Herrscher und Staatsmänner wissen, daß für Kontinentalstaaten Konzentration in vernünftigen Grenzen mehr Kraft und Gesundheit verbürgt, als Expansion. Durch seine günstige Lage, mit der höchstens die Lage Japans verglichen werden kann, mußte das angelsächsische Jnselvolk die Vorherrschaft zur See gewinnen. Abstammend von der Bevölkerung unsrer Nord- und Ostseeküsten, nach der Schlacht bei Hastings 1066 durch normannische Mischung verstärkt, war es von Anbeginn für die See nicht für das Genießen der See wie in mehr südlichen Ländern, sondern für den Kampf mit dem Meere geboren und erzogen. Das nordische Meer züchtet wortkarge, verschlossene, aber zugleich freie und entschlossene Männer, stille Menschen, die aber einen weiten Horizont lieben, die weitsichtig sind. Es ist darum rassenpsychologisch sehr bedeutsam, daß in England die Überreste der skandinavischen Bevölkerung den Nordosten besetzten (Uorkshire, Lancaster, wo bis zum heutigen Tage sogar noch „musikalische Engländer" nichts seltnes sind), die Friesen aber die südlichern Küstenstriche nebst Jsle of Wight nahmen, nachdem — auch das ist interessant — die ger¬ manischen Stämme den bedrängten Kelten geholfen hatten, die „rauhen" Pillen wieder in die schottischen Berge zu vertreiben. Die schweigsamen Friesen zog es unwiderstehlich hinunter an die mehr flachen Küsten mit weit vorliegendem Strand, wo sie der ewigen Brandung heimatlichen Sang hören und den Blick am weiten Horizont schweifen lassen durften. Nicht die Übermacht an Zahl allein hat, wie vielfach angenommen wird, den Engländern ihre Vorherrschaft über die Franzosen und Spanier zur See gegeben. Sie sind die Abkömmlinge der Sachsen, die schon den Römern ein Schrecken waren, weil sie „bei jedem Winde segeln konnten," die Nachkommen der Wikinger oder doch durch keltische Blutmischung kaum geschwächten Nor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/186>, abgerufen am 21.05.2024.