Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Sie Streitkräfte Italiens

Märker und Pommer. Nochmals aber müssen wir auf den günstigen Einfluß
zurückkommen, den das Heer auf die politischen und sozialen Verhältnisse der
Nation übt. Ein äußerst reger Garnisonwechsel aller Truppen bringt die
einzelnen Stämme des Reichs einander näher und beseitigt die Vorurteile, die
auch in diesem Lande als Überbleibsel eines beschämenswerten Partikularismus,
nicht nur in Köpfen von Heuchlern, sondern auch von zahlreichen irregeleiteten
Thoren spuken.

Einen andern äußerst wichtigen Umstand dürfen wir ebenfalls nicht un¬
erwähnt lassen. Auswärtige Statistiker haben schon häusig auf die immer
sichtbarer fortschreitende Hebung der gesamten italienischen Tierzucht hingewiesen
und nach den Ursachen hierfür gesucht. Es ist eine widerwärtige Eigenschaft
des Jtalieners, seine Tiere schlecht zu behandeln. Kraftanspannung und Fütte¬
rung stehn häufig in demselben Mißverhältnis wie bei dem menschlichen Ar¬
beiter selbst. Erst im Heere lernt er den Wert des Tieres kennen, und drako¬
nische Bestimmungen zwingen ihn zu vernünftiger Behandlung. So erweist
sich der Dienst im Heere als eine wahre Wohlthat für die ganze ackerbautreibende
Bevölkerung, der noch eine lohnende Zukunft winkt.

Was die ebenfalls im Aufblühen begriffne Industrie der Armee und Marine
dankt, ist zu offenbar, als daß darüber nur ein Wort zu verlieren wäre. Von
den bekannten, verbrauchten militärfeindlichen Schlagwörtern ist das von der
UnProduktivität der Armee eines der kindlichsten und unwahrsten zugleich.

Wir hätten vor dem Leser ein unvollständiges Bild entworfen, wenn wir,
ohne uns noch kurz mit der Marine beschäftigt zu haben, schließen würden.
Die Organisation und der Ausbau der Flotte ist dem italienischen Staate
leichter geworden, als die Erschaffung seiner Landmacht. Es liegt dies in der
Natur der Sache. Wenn die jammervollen politischen Verhältnisse, ans denen
Italien nicht viel früher als Deutschland erlöst wurde, eine Entfaltung auf
dem Meere so gut wie gar nicht erlaubten und nur wenig Handel zum Nutzen
des Landes gedeihen ließen, so zwangen doch die Seekräfte andrer Staaten zur
Küstenbewachung und -Verteidigung. Die Italig, uns. fand unter dem vielerlei
Spielzeug ihrer Kinder einige nützliche Sachen, die für die notwendig gewordne
neue Einrichtung sehr wertvoll waren, zahlreiche Schiffe und geübte Seefahrer.
Dadurch wurde die Erschaffung der heutigen italienischen Flotte sehr erleichtert,
obwohl der Bauplan bei der fortschreitenden Entwicklung der Technik den
natürlichen Schwankungen unterworfen war. Die Flotte umfaßt Schlacht¬
schiffe erster bis siebenter Klasse, Torpedoboote erster bis vierter Klasse,
Hilfsschiffe erster bis vierter Klasse, Schiffe für den Hafendienst, Transport¬
schiffe, Bagger, Lagunenkanonenboote, Torpedoschaluppen und Hilfskreuzer.
Die Gesamtzahl beläuft sich auf rund 340 Fahrzeuge, die sämtlich mit 555 Ge¬
schützen zu 10 Centimeter Kaliber, mit 1187 Geschützen unter 10 Centimeter
und mit 591 Lancierrohren armiert sind. Außer diesen sind weitere Fahrzeuge


Sie Streitkräfte Italiens

Märker und Pommer. Nochmals aber müssen wir auf den günstigen Einfluß
zurückkommen, den das Heer auf die politischen und sozialen Verhältnisse der
Nation übt. Ein äußerst reger Garnisonwechsel aller Truppen bringt die
einzelnen Stämme des Reichs einander näher und beseitigt die Vorurteile, die
auch in diesem Lande als Überbleibsel eines beschämenswerten Partikularismus,
nicht nur in Köpfen von Heuchlern, sondern auch von zahlreichen irregeleiteten
Thoren spuken.

Einen andern äußerst wichtigen Umstand dürfen wir ebenfalls nicht un¬
erwähnt lassen. Auswärtige Statistiker haben schon häusig auf die immer
sichtbarer fortschreitende Hebung der gesamten italienischen Tierzucht hingewiesen
und nach den Ursachen hierfür gesucht. Es ist eine widerwärtige Eigenschaft
des Jtalieners, seine Tiere schlecht zu behandeln. Kraftanspannung und Fütte¬
rung stehn häufig in demselben Mißverhältnis wie bei dem menschlichen Ar¬
beiter selbst. Erst im Heere lernt er den Wert des Tieres kennen, und drako¬
nische Bestimmungen zwingen ihn zu vernünftiger Behandlung. So erweist
sich der Dienst im Heere als eine wahre Wohlthat für die ganze ackerbautreibende
Bevölkerung, der noch eine lohnende Zukunft winkt.

Was die ebenfalls im Aufblühen begriffne Industrie der Armee und Marine
dankt, ist zu offenbar, als daß darüber nur ein Wort zu verlieren wäre. Von
den bekannten, verbrauchten militärfeindlichen Schlagwörtern ist das von der
UnProduktivität der Armee eines der kindlichsten und unwahrsten zugleich.

Wir hätten vor dem Leser ein unvollständiges Bild entworfen, wenn wir,
ohne uns noch kurz mit der Marine beschäftigt zu haben, schließen würden.
Die Organisation und der Ausbau der Flotte ist dem italienischen Staate
leichter geworden, als die Erschaffung seiner Landmacht. Es liegt dies in der
Natur der Sache. Wenn die jammervollen politischen Verhältnisse, ans denen
Italien nicht viel früher als Deutschland erlöst wurde, eine Entfaltung auf
dem Meere so gut wie gar nicht erlaubten und nur wenig Handel zum Nutzen
des Landes gedeihen ließen, so zwangen doch die Seekräfte andrer Staaten zur
Küstenbewachung und -Verteidigung. Die Italig, uns. fand unter dem vielerlei
Spielzeug ihrer Kinder einige nützliche Sachen, die für die notwendig gewordne
neue Einrichtung sehr wertvoll waren, zahlreiche Schiffe und geübte Seefahrer.
Dadurch wurde die Erschaffung der heutigen italienischen Flotte sehr erleichtert,
obwohl der Bauplan bei der fortschreitenden Entwicklung der Technik den
natürlichen Schwankungen unterworfen war. Die Flotte umfaßt Schlacht¬
schiffe erster bis siebenter Klasse, Torpedoboote erster bis vierter Klasse,
Hilfsschiffe erster bis vierter Klasse, Schiffe für den Hafendienst, Transport¬
schiffe, Bagger, Lagunenkanonenboote, Torpedoschaluppen und Hilfskreuzer.
Die Gesamtzahl beläuft sich auf rund 340 Fahrzeuge, die sämtlich mit 555 Ge¬
schützen zu 10 Centimeter Kaliber, mit 1187 Geschützen unter 10 Centimeter
und mit 591 Lancierrohren armiert sind. Außer diesen sind weitere Fahrzeuge


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230462"/>
          <fw type="header" place="top"> Sie Streitkräfte Italiens</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_60" prev="#ID_59"> Märker und Pommer. Nochmals aber müssen wir auf den günstigen Einfluß<lb/>
zurückkommen, den das Heer auf die politischen und sozialen Verhältnisse der<lb/>
Nation übt. Ein äußerst reger Garnisonwechsel aller Truppen bringt die<lb/>
einzelnen Stämme des Reichs einander näher und beseitigt die Vorurteile, die<lb/>
auch in diesem Lande als Überbleibsel eines beschämenswerten Partikularismus,<lb/>
nicht nur in Köpfen von Heuchlern, sondern auch von zahlreichen irregeleiteten<lb/>
Thoren spuken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_61"> Einen andern äußerst wichtigen Umstand dürfen wir ebenfalls nicht un¬<lb/>
erwähnt lassen. Auswärtige Statistiker haben schon häusig auf die immer<lb/>
sichtbarer fortschreitende Hebung der gesamten italienischen Tierzucht hingewiesen<lb/>
und nach den Ursachen hierfür gesucht. Es ist eine widerwärtige Eigenschaft<lb/>
des Jtalieners, seine Tiere schlecht zu behandeln. Kraftanspannung und Fütte¬<lb/>
rung stehn häufig in demselben Mißverhältnis wie bei dem menschlichen Ar¬<lb/>
beiter selbst. Erst im Heere lernt er den Wert des Tieres kennen, und drako¬<lb/>
nische Bestimmungen zwingen ihn zu vernünftiger Behandlung. So erweist<lb/>
sich der Dienst im Heere als eine wahre Wohlthat für die ganze ackerbautreibende<lb/>
Bevölkerung, der noch eine lohnende Zukunft winkt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_62"> Was die ebenfalls im Aufblühen begriffne Industrie der Armee und Marine<lb/>
dankt, ist zu offenbar, als daß darüber nur ein Wort zu verlieren wäre. Von<lb/>
den bekannten, verbrauchten militärfeindlichen Schlagwörtern ist das von der<lb/>
UnProduktivität der Armee eines der kindlichsten und unwahrsten zugleich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_63" next="#ID_64"> Wir hätten vor dem Leser ein unvollständiges Bild entworfen, wenn wir,<lb/>
ohne uns noch kurz mit der Marine beschäftigt zu haben, schließen würden.<lb/>
Die Organisation und der Ausbau der Flotte ist dem italienischen Staate<lb/>
leichter geworden, als die Erschaffung seiner Landmacht. Es liegt dies in der<lb/>
Natur der Sache. Wenn die jammervollen politischen Verhältnisse, ans denen<lb/>
Italien nicht viel früher als Deutschland erlöst wurde, eine Entfaltung auf<lb/>
dem Meere so gut wie gar nicht erlaubten und nur wenig Handel zum Nutzen<lb/>
des Landes gedeihen ließen, so zwangen doch die Seekräfte andrer Staaten zur<lb/>
Küstenbewachung und -Verteidigung. Die Italig, uns. fand unter dem vielerlei<lb/>
Spielzeug ihrer Kinder einige nützliche Sachen, die für die notwendig gewordne<lb/>
neue Einrichtung sehr wertvoll waren, zahlreiche Schiffe und geübte Seefahrer.<lb/>
Dadurch wurde die Erschaffung der heutigen italienischen Flotte sehr erleichtert,<lb/>
obwohl der Bauplan bei der fortschreitenden Entwicklung der Technik den<lb/>
natürlichen Schwankungen unterworfen war. Die Flotte umfaßt Schlacht¬<lb/>
schiffe erster bis siebenter Klasse, Torpedoboote erster bis vierter Klasse,<lb/>
Hilfsschiffe erster bis vierter Klasse, Schiffe für den Hafendienst, Transport¬<lb/>
schiffe, Bagger, Lagunenkanonenboote, Torpedoschaluppen und Hilfskreuzer.<lb/>
Die Gesamtzahl beläuft sich auf rund 340 Fahrzeuge, die sämtlich mit 555 Ge¬<lb/>
schützen zu 10 Centimeter Kaliber, mit 1187 Geschützen unter 10 Centimeter<lb/>
und mit 591 Lancierrohren armiert sind. Außer diesen sind weitere Fahrzeuge</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0030] Sie Streitkräfte Italiens Märker und Pommer. Nochmals aber müssen wir auf den günstigen Einfluß zurückkommen, den das Heer auf die politischen und sozialen Verhältnisse der Nation übt. Ein äußerst reger Garnisonwechsel aller Truppen bringt die einzelnen Stämme des Reichs einander näher und beseitigt die Vorurteile, die auch in diesem Lande als Überbleibsel eines beschämenswerten Partikularismus, nicht nur in Köpfen von Heuchlern, sondern auch von zahlreichen irregeleiteten Thoren spuken. Einen andern äußerst wichtigen Umstand dürfen wir ebenfalls nicht un¬ erwähnt lassen. Auswärtige Statistiker haben schon häusig auf die immer sichtbarer fortschreitende Hebung der gesamten italienischen Tierzucht hingewiesen und nach den Ursachen hierfür gesucht. Es ist eine widerwärtige Eigenschaft des Jtalieners, seine Tiere schlecht zu behandeln. Kraftanspannung und Fütte¬ rung stehn häufig in demselben Mißverhältnis wie bei dem menschlichen Ar¬ beiter selbst. Erst im Heere lernt er den Wert des Tieres kennen, und drako¬ nische Bestimmungen zwingen ihn zu vernünftiger Behandlung. So erweist sich der Dienst im Heere als eine wahre Wohlthat für die ganze ackerbautreibende Bevölkerung, der noch eine lohnende Zukunft winkt. Was die ebenfalls im Aufblühen begriffne Industrie der Armee und Marine dankt, ist zu offenbar, als daß darüber nur ein Wort zu verlieren wäre. Von den bekannten, verbrauchten militärfeindlichen Schlagwörtern ist das von der UnProduktivität der Armee eines der kindlichsten und unwahrsten zugleich. Wir hätten vor dem Leser ein unvollständiges Bild entworfen, wenn wir, ohne uns noch kurz mit der Marine beschäftigt zu haben, schließen würden. Die Organisation und der Ausbau der Flotte ist dem italienischen Staate leichter geworden, als die Erschaffung seiner Landmacht. Es liegt dies in der Natur der Sache. Wenn die jammervollen politischen Verhältnisse, ans denen Italien nicht viel früher als Deutschland erlöst wurde, eine Entfaltung auf dem Meere so gut wie gar nicht erlaubten und nur wenig Handel zum Nutzen des Landes gedeihen ließen, so zwangen doch die Seekräfte andrer Staaten zur Küstenbewachung und -Verteidigung. Die Italig, uns. fand unter dem vielerlei Spielzeug ihrer Kinder einige nützliche Sachen, die für die notwendig gewordne neue Einrichtung sehr wertvoll waren, zahlreiche Schiffe und geübte Seefahrer. Dadurch wurde die Erschaffung der heutigen italienischen Flotte sehr erleichtert, obwohl der Bauplan bei der fortschreitenden Entwicklung der Technik den natürlichen Schwankungen unterworfen war. Die Flotte umfaßt Schlacht¬ schiffe erster bis siebenter Klasse, Torpedoboote erster bis vierter Klasse, Hilfsschiffe erster bis vierter Klasse, Schiffe für den Hafendienst, Transport¬ schiffe, Bagger, Lagunenkanonenboote, Torpedoschaluppen und Hilfskreuzer. Die Gesamtzahl beläuft sich auf rund 340 Fahrzeuge, die sämtlich mit 555 Ge¬ schützen zu 10 Centimeter Kaliber, mit 1187 Geschützen unter 10 Centimeter und mit 591 Lancierrohren armiert sind. Außer diesen sind weitere Fahrzeuge

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/30
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/30>, abgerufen am 21.05.2024.