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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Der Schutz der Arbeitswilligen

zuständigen Behörde besonders zu bildendes Einigungsnmt nnzurufeu und sich mich
im weitern Verlauf der Arbeitseinstellung oder Arbeitcraussperrung dem Verfahren
vor dem Einignngsmnt nicht zu widersetzen.

2. Die Satzungen des Vereins müssen die Zweckbestimmungen der einzu¬
ziehenden Beiträge und des anzusammelnden Vermögens genau bezeichnen; für den
Fall der satzuugswidrigen Verwendung der Vereinsmittel muß das Gesetz die Ein¬
ziehung des Vermögens zu Gunsten der Einrichtungen, die den Arbeitern zu gute
kommen, androhen und die erforderlichen Einzelheiten dieserhalb regeln.

Wenn man diese drei "positiven Aktionen" zum Ausbau der Koalitions¬
freiheit, die Vanderborght "gleichen Zuges" mit jeder Kräftigung des Schutzes
der Arbeitswilligen im Sinne des Gesetzentwurfs ausgeführt sehen will, un¬
befangen Prüft, so wird man sich überzeugen, daß -- ganz abgesehn von
dem Mangel logischen Zusammenhangs zwischen den Aktionen und dem Ent¬
wurf -- durch sie sehr viele Fragen angeschnitten werden, über die die
Meinungen ebensowenig geklärt und einig sind, wie die Frage nach dem
Koalitionsrecht der "nicht gewerblichen" Arbeiter usw., die der Verfasser selbst
von der Debatte ausschließen will, um nicht jedes positive Ergebnis der Ver¬
handlungen zu gefährden. Herr Vanderborght will durch seine Schrift "eine
Reihe von Initiativanträgen" für die zweite Lesung provozieren, die dem Ent¬
wurf zur Seite gestellt und mit ihm zusammen einer Kommission zur Prüfung
überwiesen werden sollen. Glaubt er nun wirklich, durch seine Vorschlüge auf
diesem Wege die Verständigung zwischen der Reichstagsmehrheit und den
Regierungen zu fördern? Es scheint uns das kaum möglich. Dos, was er
erreichen wird, wird wahrscheinlich darauf hinauslaufen, daß, nachdem durch
erneute, lange, exaltierte Debatten über alles Mögliche und Unmögliche die
Gemüter noch mehr erregt und die Urteilsfähigkeit und Unbefangenheit noch
mehr getrübt ist, nachdem die Erbitterung hüben und drüben aufs höchste
gesteigert ist, der Schutz der Arbeitswilligen, wie er ihn selbst für nötig hält,
nicht geschaffen wird, sondern daß die verbündeten Regierungen auch nicht
für ihre gerechtfertigte" Forderungen die Mehrheit des Reichstags gewinnen.

Und dabei wird Herr Vanderborght nicht einmal den Dank der "ganzen
Männer" zu erwarten haben und auch gar nicht verdienen. Sein "Ausbau
des Koalitionsrechts" ist eben nur etwas Halbes. Das ?iuwriunt ilioutss,
nÄseswr ri6ieu1u8 MA8 paßt darauf in jeder Beziehung. Die Aufhebung des Ver¬
bindungsverbots, die oben an zweiter Stelle bezeichnete anderweitige Redaktion
von § 152 der Gewerbeordnung, die so künstlich und unsers Erachtens unmöglich
verklausulierte Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Berufsvereine müssen den
Arbeitern, die man gelehrt hat, nach Koalitionsfreiheit zu schreien, als Stein er¬
scheinen, den man ihnen für Brot reicht. Vollends bei der Einschränkung der
ganzen Aktion auf die unter die Gewerbeordnung fallenden Arbeiter. Gerade
nach eingehendem Studium und voller Würdigung der Vauderborghtschen Schrift
müssen wir die dringende Bitte an alle maßvollen, patriotisch gesinnten Reichs-


Der Schutz der Arbeitswilligen

zuständigen Behörde besonders zu bildendes Einigungsnmt nnzurufeu und sich mich
im weitern Verlauf der Arbeitseinstellung oder Arbeitcraussperrung dem Verfahren
vor dem Einignngsmnt nicht zu widersetzen.

2. Die Satzungen des Vereins müssen die Zweckbestimmungen der einzu¬
ziehenden Beiträge und des anzusammelnden Vermögens genau bezeichnen; für den
Fall der satzuugswidrigen Verwendung der Vereinsmittel muß das Gesetz die Ein¬
ziehung des Vermögens zu Gunsten der Einrichtungen, die den Arbeitern zu gute
kommen, androhen und die erforderlichen Einzelheiten dieserhalb regeln.

Wenn man diese drei „positiven Aktionen" zum Ausbau der Koalitions¬
freiheit, die Vanderborght „gleichen Zuges" mit jeder Kräftigung des Schutzes
der Arbeitswilligen im Sinne des Gesetzentwurfs ausgeführt sehen will, un¬
befangen Prüft, so wird man sich überzeugen, daß — ganz abgesehn von
dem Mangel logischen Zusammenhangs zwischen den Aktionen und dem Ent¬
wurf — durch sie sehr viele Fragen angeschnitten werden, über die die
Meinungen ebensowenig geklärt und einig sind, wie die Frage nach dem
Koalitionsrecht der „nicht gewerblichen" Arbeiter usw., die der Verfasser selbst
von der Debatte ausschließen will, um nicht jedes positive Ergebnis der Ver¬
handlungen zu gefährden. Herr Vanderborght will durch seine Schrift „eine
Reihe von Initiativanträgen" für die zweite Lesung provozieren, die dem Ent¬
wurf zur Seite gestellt und mit ihm zusammen einer Kommission zur Prüfung
überwiesen werden sollen. Glaubt er nun wirklich, durch seine Vorschlüge auf
diesem Wege die Verständigung zwischen der Reichstagsmehrheit und den
Regierungen zu fördern? Es scheint uns das kaum möglich. Dos, was er
erreichen wird, wird wahrscheinlich darauf hinauslaufen, daß, nachdem durch
erneute, lange, exaltierte Debatten über alles Mögliche und Unmögliche die
Gemüter noch mehr erregt und die Urteilsfähigkeit und Unbefangenheit noch
mehr getrübt ist, nachdem die Erbitterung hüben und drüben aufs höchste
gesteigert ist, der Schutz der Arbeitswilligen, wie er ihn selbst für nötig hält,
nicht geschaffen wird, sondern daß die verbündeten Regierungen auch nicht
für ihre gerechtfertigte» Forderungen die Mehrheit des Reichstags gewinnen.

Und dabei wird Herr Vanderborght nicht einmal den Dank der „ganzen
Männer" zu erwarten haben und auch gar nicht verdienen. Sein „Ausbau
des Koalitionsrechts" ist eben nur etwas Halbes. Das ?iuwriunt ilioutss,
nÄseswr ri6ieu1u8 MA8 paßt darauf in jeder Beziehung. Die Aufhebung des Ver¬
bindungsverbots, die oben an zweiter Stelle bezeichnete anderweitige Redaktion
von § 152 der Gewerbeordnung, die so künstlich und unsers Erachtens unmöglich
verklausulierte Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Berufsvereine müssen den
Arbeitern, die man gelehrt hat, nach Koalitionsfreiheit zu schreien, als Stein er¬
scheinen, den man ihnen für Brot reicht. Vollends bei der Einschränkung der
ganzen Aktion auf die unter die Gewerbeordnung fallenden Arbeiter. Gerade
nach eingehendem Studium und voller Würdigung der Vauderborghtschen Schrift
müssen wir die dringende Bitte an alle maßvollen, patriotisch gesinnten Reichs-


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[0308] Der Schutz der Arbeitswilligen zuständigen Behörde besonders zu bildendes Einigungsnmt nnzurufeu und sich mich im weitern Verlauf der Arbeitseinstellung oder Arbeitcraussperrung dem Verfahren vor dem Einignngsmnt nicht zu widersetzen. 2. Die Satzungen des Vereins müssen die Zweckbestimmungen der einzu¬ ziehenden Beiträge und des anzusammelnden Vermögens genau bezeichnen; für den Fall der satzuugswidrigen Verwendung der Vereinsmittel muß das Gesetz die Ein¬ ziehung des Vermögens zu Gunsten der Einrichtungen, die den Arbeitern zu gute kommen, androhen und die erforderlichen Einzelheiten dieserhalb regeln. Wenn man diese drei „positiven Aktionen" zum Ausbau der Koalitions¬ freiheit, die Vanderborght „gleichen Zuges" mit jeder Kräftigung des Schutzes der Arbeitswilligen im Sinne des Gesetzentwurfs ausgeführt sehen will, un¬ befangen Prüft, so wird man sich überzeugen, daß — ganz abgesehn von dem Mangel logischen Zusammenhangs zwischen den Aktionen und dem Ent¬ wurf — durch sie sehr viele Fragen angeschnitten werden, über die die Meinungen ebensowenig geklärt und einig sind, wie die Frage nach dem Koalitionsrecht der „nicht gewerblichen" Arbeiter usw., die der Verfasser selbst von der Debatte ausschließen will, um nicht jedes positive Ergebnis der Ver¬ handlungen zu gefährden. Herr Vanderborght will durch seine Schrift „eine Reihe von Initiativanträgen" für die zweite Lesung provozieren, die dem Ent¬ wurf zur Seite gestellt und mit ihm zusammen einer Kommission zur Prüfung überwiesen werden sollen. Glaubt er nun wirklich, durch seine Vorschlüge auf diesem Wege die Verständigung zwischen der Reichstagsmehrheit und den Regierungen zu fördern? Es scheint uns das kaum möglich. Dos, was er erreichen wird, wird wahrscheinlich darauf hinauslaufen, daß, nachdem durch erneute, lange, exaltierte Debatten über alles Mögliche und Unmögliche die Gemüter noch mehr erregt und die Urteilsfähigkeit und Unbefangenheit noch mehr getrübt ist, nachdem die Erbitterung hüben und drüben aufs höchste gesteigert ist, der Schutz der Arbeitswilligen, wie er ihn selbst für nötig hält, nicht geschaffen wird, sondern daß die verbündeten Regierungen auch nicht für ihre gerechtfertigte» Forderungen die Mehrheit des Reichstags gewinnen. Und dabei wird Herr Vanderborght nicht einmal den Dank der „ganzen Männer" zu erwarten haben und auch gar nicht verdienen. Sein „Ausbau des Koalitionsrechts" ist eben nur etwas Halbes. Das ?iuwriunt ilioutss, nÄseswr ri6ieu1u8 MA8 paßt darauf in jeder Beziehung. Die Aufhebung des Ver¬ bindungsverbots, die oben an zweiter Stelle bezeichnete anderweitige Redaktion von § 152 der Gewerbeordnung, die so künstlich und unsers Erachtens unmöglich verklausulierte Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Berufsvereine müssen den Arbeitern, die man gelehrt hat, nach Koalitionsfreiheit zu schreien, als Stein er¬ scheinen, den man ihnen für Brot reicht. Vollends bei der Einschränkung der ganzen Aktion auf die unter die Gewerbeordnung fallenden Arbeiter. Gerade nach eingehendem Studium und voller Würdigung der Vauderborghtschen Schrift müssen wir die dringende Bitte an alle maßvollen, patriotisch gesinnten Reichs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/308>, abgerufen am 29.05.2024.