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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Ans dem Wiener Reichsrat

empfindlichen Keulenschläge war den Jnngtschcchcn das Eintreten der Kroaten,
der Slowenen und des rechten Zentrums für die Haltung der Majoritäts-
kvalition, Bicinchini reklamierte zuerst Dalmatien für das alte unabhängige
Königreich Kroatien, erklärte im Hinblick auf die Konfiskationspraxis in seiner
Heimat, daß sich die Türkei einer größer" Preßfreiheit erfreue, und kündigte
der Regierung, die ihren Amtsantritt mit einem schicksalsschweren Akte der
größten Ungerechtigkeit und Undankbarkeit gegenüber den slawischen Brüdern
aus Böhmen und gegenüber der ganzen Rechten eingeleitet habe, die Be¬
kämpfung mit allen von der Verfassung gebotnen Mitteln an. Im Name" des
slawisch-christlichen Verbandes tadelte Bulak die Aufhebung der Sprachen-
Verordnungen und forderte eine Regelung der Sprachenfrage in allen König¬
reichen und Ländern auf Grund der verfassungsmäßig gewährleisteten Gleich¬
berechtigung aller Völker des Reichs, indem an dem Grundsätze festgehalten
würde, daß vor allem die Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt werden
müßten. Die Bewilligung der Staatsbedürfnisfe mit Rücksicht sowohl auf die
Machtstellung der Monarchie, wie auf die diesseitige Reichshälfte wurde von
ihm dem Kabinett zugesagt. Abt Treuiufels beschränkte sich auf die Erklärung
treuen Festhaltens um dem Verbände der Parteien der rechten Seite des Hauses
und sprach den frommen Wunsch ans, daß der Sprachcnstreit dnrch die Vor¬
lage des Sprachengesetzentwurfs bald beendigt würde.

Der deutschradikale Jro erklärte die Bezeichnung des Kabinetts Clarh als
eine Regierung schönerer-Wolf für lächerlich, keimte vielmehr jeden Vertrnuens-
vorschnß ab, bis der Notwendigkeit der Einführung der deutschen Staatssprache
Rechnung getragen sein werde, und antwortete Dr. Stranskh und l)r. Zaczek
im Sinne Wolfs und Türls. Das letzte Wort mußten aber doch die Jnng-
tschechen behalten. Dr. Paeak gab zuerst seiner Entrüstung über die "Gemein¬
heiten" Daszhnskis Ausdruck, der ein ganzes schnöde und schimpflich betrvgnes
Volk, eine ganze schnöde und schimpflich betrvgne Partei einen geschlagner Hund
genannt habe. Auf die Frage, ob die Juugtschecheu die Brücke zwischen Adel
und Volk gefunden hätten, antworte er "Ja." Die Herzen hätten sich ge¬
funden, die Vernunft und das Gefühl zu Gunsten des tschechischen Volks.
Schämt sich die Regierung, oder könne sie nichts sagen? Ihre Erklärung ent¬
halte nichts als die alte österreichische Politik, das Verspreche" und Nicht¬
Halten. Österreich könne nicht zur Ruhe kommen, weil es leinen Halt in sich
selbst habe. Die einzige Konsequenz liege in der Unentschiedenheit und im
stehnbleiben aus halbem Wege. Die Sprachenfrage lasse sich übrigens nicht
im ReichSrat, sondern nur in den einzelnen Länder" löse". Dann könnte man
sich hier nach andern politischen Grundsätzen ordnen, als nach nationalen. Die
Deutschen wollten aber keine Gerechtigkeit, keinen Ausgleich, sondern nur die
Hegemonie, und die Sprachenfrage sei für sie nnr ein Borwand, im Trüben
z" fischen. Es gehe nicht an, daß sie in Böhmen, wo sie nichts dreinzureden


Grenzbotc" IV 1899 5.1,
Ans dem Wiener Reichsrat

empfindlichen Keulenschläge war den Jnngtschcchcn das Eintreten der Kroaten,
der Slowenen und des rechten Zentrums für die Haltung der Majoritäts-
kvalition, Bicinchini reklamierte zuerst Dalmatien für das alte unabhängige
Königreich Kroatien, erklärte im Hinblick auf die Konfiskationspraxis in seiner
Heimat, daß sich die Türkei einer größer» Preßfreiheit erfreue, und kündigte
der Regierung, die ihren Amtsantritt mit einem schicksalsschweren Akte der
größten Ungerechtigkeit und Undankbarkeit gegenüber den slawischen Brüdern
aus Böhmen und gegenüber der ganzen Rechten eingeleitet habe, die Be¬
kämpfung mit allen von der Verfassung gebotnen Mitteln an. Im Name» des
slawisch-christlichen Verbandes tadelte Bulak die Aufhebung der Sprachen-
Verordnungen und forderte eine Regelung der Sprachenfrage in allen König¬
reichen und Ländern auf Grund der verfassungsmäßig gewährleisteten Gleich¬
berechtigung aller Völker des Reichs, indem an dem Grundsätze festgehalten
würde, daß vor allem die Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt werden
müßten. Die Bewilligung der Staatsbedürfnisfe mit Rücksicht sowohl auf die
Machtstellung der Monarchie, wie auf die diesseitige Reichshälfte wurde von
ihm dem Kabinett zugesagt. Abt Treuiufels beschränkte sich auf die Erklärung
treuen Festhaltens um dem Verbände der Parteien der rechten Seite des Hauses
und sprach den frommen Wunsch ans, daß der Sprachcnstreit dnrch die Vor¬
lage des Sprachengesetzentwurfs bald beendigt würde.

Der deutschradikale Jro erklärte die Bezeichnung des Kabinetts Clarh als
eine Regierung schönerer-Wolf für lächerlich, keimte vielmehr jeden Vertrnuens-
vorschnß ab, bis der Notwendigkeit der Einführung der deutschen Staatssprache
Rechnung getragen sein werde, und antwortete Dr. Stranskh und l)r. Zaczek
im Sinne Wolfs und Türls. Das letzte Wort mußten aber doch die Jnng-
tschechen behalten. Dr. Paeak gab zuerst seiner Entrüstung über die „Gemein¬
heiten" Daszhnskis Ausdruck, der ein ganzes schnöde und schimpflich betrvgnes
Volk, eine ganze schnöde und schimpflich betrvgne Partei einen geschlagner Hund
genannt habe. Auf die Frage, ob die Juugtschecheu die Brücke zwischen Adel
und Volk gefunden hätten, antworte er „Ja." Die Herzen hätten sich ge¬
funden, die Vernunft und das Gefühl zu Gunsten des tschechischen Volks.
Schämt sich die Regierung, oder könne sie nichts sagen? Ihre Erklärung ent¬
halte nichts als die alte österreichische Politik, das Verspreche» und Nicht¬
Halten. Österreich könne nicht zur Ruhe kommen, weil es leinen Halt in sich
selbst habe. Die einzige Konsequenz liege in der Unentschiedenheit und im
stehnbleiben aus halbem Wege. Die Sprachenfrage lasse sich übrigens nicht
im ReichSrat, sondern nur in den einzelnen Länder» löse». Dann könnte man
sich hier nach andern politischen Grundsätzen ordnen, als nach nationalen. Die
Deutschen wollten aber keine Gerechtigkeit, keinen Ausgleich, sondern nur die
Hegemonie, und die Sprachenfrage sei für sie nnr ein Borwand, im Trüben
z» fischen. Es gehe nicht an, daß sie in Böhmen, wo sie nichts dreinzureden


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[0415] Ans dem Wiener Reichsrat empfindlichen Keulenschläge war den Jnngtschcchcn das Eintreten der Kroaten, der Slowenen und des rechten Zentrums für die Haltung der Majoritäts- kvalition, Bicinchini reklamierte zuerst Dalmatien für das alte unabhängige Königreich Kroatien, erklärte im Hinblick auf die Konfiskationspraxis in seiner Heimat, daß sich die Türkei einer größer» Preßfreiheit erfreue, und kündigte der Regierung, die ihren Amtsantritt mit einem schicksalsschweren Akte der größten Ungerechtigkeit und Undankbarkeit gegenüber den slawischen Brüdern aus Böhmen und gegenüber der ganzen Rechten eingeleitet habe, die Be¬ kämpfung mit allen von der Verfassung gebotnen Mitteln an. Im Name» des slawisch-christlichen Verbandes tadelte Bulak die Aufhebung der Sprachen- Verordnungen und forderte eine Regelung der Sprachenfrage in allen König¬ reichen und Ländern auf Grund der verfassungsmäßig gewährleisteten Gleich¬ berechtigung aller Völker des Reichs, indem an dem Grundsätze festgehalten würde, daß vor allem die Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt werden müßten. Die Bewilligung der Staatsbedürfnisfe mit Rücksicht sowohl auf die Machtstellung der Monarchie, wie auf die diesseitige Reichshälfte wurde von ihm dem Kabinett zugesagt. Abt Treuiufels beschränkte sich auf die Erklärung treuen Festhaltens um dem Verbände der Parteien der rechten Seite des Hauses und sprach den frommen Wunsch ans, daß der Sprachcnstreit dnrch die Vor¬ lage des Sprachengesetzentwurfs bald beendigt würde. Der deutschradikale Jro erklärte die Bezeichnung des Kabinetts Clarh als eine Regierung schönerer-Wolf für lächerlich, keimte vielmehr jeden Vertrnuens- vorschnß ab, bis der Notwendigkeit der Einführung der deutschen Staatssprache Rechnung getragen sein werde, und antwortete Dr. Stranskh und l)r. Zaczek im Sinne Wolfs und Türls. Das letzte Wort mußten aber doch die Jnng- tschechen behalten. Dr. Paeak gab zuerst seiner Entrüstung über die „Gemein¬ heiten" Daszhnskis Ausdruck, der ein ganzes schnöde und schimpflich betrvgnes Volk, eine ganze schnöde und schimpflich betrvgne Partei einen geschlagner Hund genannt habe. Auf die Frage, ob die Juugtschecheu die Brücke zwischen Adel und Volk gefunden hätten, antworte er „Ja." Die Herzen hätten sich ge¬ funden, die Vernunft und das Gefühl zu Gunsten des tschechischen Volks. Schämt sich die Regierung, oder könne sie nichts sagen? Ihre Erklärung ent¬ halte nichts als die alte österreichische Politik, das Verspreche» und Nicht¬ Halten. Österreich könne nicht zur Ruhe kommen, weil es leinen Halt in sich selbst habe. Die einzige Konsequenz liege in der Unentschiedenheit und im stehnbleiben aus halbem Wege. Die Sprachenfrage lasse sich übrigens nicht im ReichSrat, sondern nur in den einzelnen Länder» löse». Dann könnte man sich hier nach andern politischen Grundsätzen ordnen, als nach nationalen. Die Deutschen wollten aber keine Gerechtigkeit, keinen Ausgleich, sondern nur die Hegemonie, und die Sprachenfrage sei für sie nnr ein Borwand, im Trüben z» fischen. Es gehe nicht an, daß sie in Böhmen, wo sie nichts dreinzureden Grenzbotc» IV 1899 5.1,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/415>, abgerufen am 19.05.2024.