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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr.

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Die Ursachen der Erwerbsunfähigkeit

dieser Ursache Rente zugesprochen erhalten, von 1000 weiblichen sogar 150,
sodaß beim weiblichen Geschlechte diese Krankheitsgruppe selbst noch von größerer
Bedeutung ist als die Lungenkrankheiten ausschließlich Tuberkulose. Unter den
Rentenberechtigten jüngern und mittlern Alters ist sie ziemlich selten vertreten
(bei den Männern in 1 bis 2, bei den Weibern in 3 bis 6 Prozent aller Fülle),
doch nimmt ihr Anteil vom funfzigsten Lebensjahre ab außerordentlich rasch zu,
sodaß von den Invaliden der Altersklasse 65 bis 69 ungefähr der vierte Teil
wegen Entkräftung und Altersschwäche in den Rentengenuß eingetreten ist.
Für die Industrie usw- ist diese Ursache nicht ganz von der Bedeutung wie
für die Landwirtschaft, beachtenswerter scheint es zu sein, daß das weibliche
Hausgesinde in der Häufigkeit der Altersschwäche als Ursache der Erwerbs¬
unfähigkeit den Durchschnitt merklich überschreitet, während das männliche Ge¬
sinde ziemlich stark hinter dem Durchschnitt zurückbleibt.

Die Land- und Forstwirtschaft ist bei beiden Geschlechtern durch die
Krankheiten der Bewegungsorgane sowie durch Rheumatismus und Gicht be¬
sonders stark belastet. Für die Industrie kommen diese Ursachen wenig in
Betracht, etwas mehr sind noch Muskelrheumatismus für die männlichen Ver¬
sicherten des Handels und Verkehrs verhängnisvoll, besonders aber Gelenk¬
rheumatismus und Gicht sür das weibliche Gesinde. Während die Krankheiten
der Bewegungsorgane (der Knochen und der Knochenbaue, der Gelenke aus¬
schließlich Gelenkrheumatismus und der Muskeln und Sehnen, ausschließlich
Muskelrheumntismns) bei zunehmendem Alter allmählich gegen die andern Ur¬
sachen zurücktreten, gilt bei Gelenkrheumatismus, Gicht und Muskelrheuma-
tismus das Umgekehrte. Viel häufiger als bei den Invaliden andrer Berufe
sind ferner bei den landwirtschaftlichen Erwerbsunfähigen beiderlei Geschlechts,
vorzüglich in höherm Alter, die Unterleibsbrüche. Dasselbe gilt von den
Krankheiten der Haut und des Unterhautzellgewebes (chronische Hautleiden
ausschließlich Tuberkulose, chronische Geschwüre, Zellgewebsentzündungen).
Dagegen finden sich die dnrch Geisteskrankheiten erwerbsunfähig gewordnen
Personen, die in den Lebensaltern von der Mitte der zwanziger bis zum Ende
der dreißiger nicht eben selten sind, zahlreicher als bei der Landwirtschaft
schon bei der Industrie, am häufigsten aber bei den zum Handel und Verkehr
gehörenden Berufen. Ähnlich liegen die Verhältnisse, wenigstens bei den
Männern, hinsichtlich der Krankheiten des Rückenmarks.

Zwischen den beiden Geschlechtern treten besonders bei zwei Krankheits¬
gruppen große Unterschiede zu Tage. Zunächst bei den Krankheiten deS
Herzens und der großen Blutgefäße. Sie machen bei den Männern aller
Berufe in jeder Altersklasse ungefähr 5 Prozent aller Beobachtungen aus, bei
den weiblichen Invaliden der Landwirtschaft und auch der Industrie dagegen
beinahe 8 und bei dein weiblichen Hausgesinde sogar etwas über 10 Prozent,
dabei ist eine wenn much langsame Zunahme mit dem Alter nicht zu verkennen.


Grsnzbotcn IV 1899 80
Die Ursachen der Erwerbsunfähigkeit

dieser Ursache Rente zugesprochen erhalten, von 1000 weiblichen sogar 150,
sodaß beim weiblichen Geschlechte diese Krankheitsgruppe selbst noch von größerer
Bedeutung ist als die Lungenkrankheiten ausschließlich Tuberkulose. Unter den
Rentenberechtigten jüngern und mittlern Alters ist sie ziemlich selten vertreten
(bei den Männern in 1 bis 2, bei den Weibern in 3 bis 6 Prozent aller Fülle),
doch nimmt ihr Anteil vom funfzigsten Lebensjahre ab außerordentlich rasch zu,
sodaß von den Invaliden der Altersklasse 65 bis 69 ungefähr der vierte Teil
wegen Entkräftung und Altersschwäche in den Rentengenuß eingetreten ist.
Für die Industrie usw- ist diese Ursache nicht ganz von der Bedeutung wie
für die Landwirtschaft, beachtenswerter scheint es zu sein, daß das weibliche
Hausgesinde in der Häufigkeit der Altersschwäche als Ursache der Erwerbs¬
unfähigkeit den Durchschnitt merklich überschreitet, während das männliche Ge¬
sinde ziemlich stark hinter dem Durchschnitt zurückbleibt.

Die Land- und Forstwirtschaft ist bei beiden Geschlechtern durch die
Krankheiten der Bewegungsorgane sowie durch Rheumatismus und Gicht be¬
sonders stark belastet. Für die Industrie kommen diese Ursachen wenig in
Betracht, etwas mehr sind noch Muskelrheumatismus für die männlichen Ver¬
sicherten des Handels und Verkehrs verhängnisvoll, besonders aber Gelenk¬
rheumatismus und Gicht sür das weibliche Gesinde. Während die Krankheiten
der Bewegungsorgane (der Knochen und der Knochenbaue, der Gelenke aus¬
schließlich Gelenkrheumatismus und der Muskeln und Sehnen, ausschließlich
Muskelrheumntismns) bei zunehmendem Alter allmählich gegen die andern Ur¬
sachen zurücktreten, gilt bei Gelenkrheumatismus, Gicht und Muskelrheuma-
tismus das Umgekehrte. Viel häufiger als bei den Invaliden andrer Berufe
sind ferner bei den landwirtschaftlichen Erwerbsunfähigen beiderlei Geschlechts,
vorzüglich in höherm Alter, die Unterleibsbrüche. Dasselbe gilt von den
Krankheiten der Haut und des Unterhautzellgewebes (chronische Hautleiden
ausschließlich Tuberkulose, chronische Geschwüre, Zellgewebsentzündungen).
Dagegen finden sich die dnrch Geisteskrankheiten erwerbsunfähig gewordnen
Personen, die in den Lebensaltern von der Mitte der zwanziger bis zum Ende
der dreißiger nicht eben selten sind, zahlreicher als bei der Landwirtschaft
schon bei der Industrie, am häufigsten aber bei den zum Handel und Verkehr
gehörenden Berufen. Ähnlich liegen die Verhältnisse, wenigstens bei den
Männern, hinsichtlich der Krankheiten des Rückenmarks.

Zwischen den beiden Geschlechtern treten besonders bei zwei Krankheits¬
gruppen große Unterschiede zu Tage. Zunächst bei den Krankheiten deS
Herzens und der großen Blutgefäße. Sie machen bei den Männern aller
Berufe in jeder Altersklasse ungefähr 5 Prozent aller Beobachtungen aus, bei
den weiblichen Invaliden der Landwirtschaft und auch der Industrie dagegen
beinahe 8 und bei dein weiblichen Hausgesinde sogar etwas über 10 Prozent,
dabei ist eine wenn much langsame Zunahme mit dem Alter nicht zu verkennen.


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[0647] Die Ursachen der Erwerbsunfähigkeit dieser Ursache Rente zugesprochen erhalten, von 1000 weiblichen sogar 150, sodaß beim weiblichen Geschlechte diese Krankheitsgruppe selbst noch von größerer Bedeutung ist als die Lungenkrankheiten ausschließlich Tuberkulose. Unter den Rentenberechtigten jüngern und mittlern Alters ist sie ziemlich selten vertreten (bei den Männern in 1 bis 2, bei den Weibern in 3 bis 6 Prozent aller Fülle), doch nimmt ihr Anteil vom funfzigsten Lebensjahre ab außerordentlich rasch zu, sodaß von den Invaliden der Altersklasse 65 bis 69 ungefähr der vierte Teil wegen Entkräftung und Altersschwäche in den Rentengenuß eingetreten ist. Für die Industrie usw- ist diese Ursache nicht ganz von der Bedeutung wie für die Landwirtschaft, beachtenswerter scheint es zu sein, daß das weibliche Hausgesinde in der Häufigkeit der Altersschwäche als Ursache der Erwerbs¬ unfähigkeit den Durchschnitt merklich überschreitet, während das männliche Ge¬ sinde ziemlich stark hinter dem Durchschnitt zurückbleibt. Die Land- und Forstwirtschaft ist bei beiden Geschlechtern durch die Krankheiten der Bewegungsorgane sowie durch Rheumatismus und Gicht be¬ sonders stark belastet. Für die Industrie kommen diese Ursachen wenig in Betracht, etwas mehr sind noch Muskelrheumatismus für die männlichen Ver¬ sicherten des Handels und Verkehrs verhängnisvoll, besonders aber Gelenk¬ rheumatismus und Gicht sür das weibliche Gesinde. Während die Krankheiten der Bewegungsorgane (der Knochen und der Knochenbaue, der Gelenke aus¬ schließlich Gelenkrheumatismus und der Muskeln und Sehnen, ausschließlich Muskelrheumntismns) bei zunehmendem Alter allmählich gegen die andern Ur¬ sachen zurücktreten, gilt bei Gelenkrheumatismus, Gicht und Muskelrheuma- tismus das Umgekehrte. Viel häufiger als bei den Invaliden andrer Berufe sind ferner bei den landwirtschaftlichen Erwerbsunfähigen beiderlei Geschlechts, vorzüglich in höherm Alter, die Unterleibsbrüche. Dasselbe gilt von den Krankheiten der Haut und des Unterhautzellgewebes (chronische Hautleiden ausschließlich Tuberkulose, chronische Geschwüre, Zellgewebsentzündungen). Dagegen finden sich die dnrch Geisteskrankheiten erwerbsunfähig gewordnen Personen, die in den Lebensaltern von der Mitte der zwanziger bis zum Ende der dreißiger nicht eben selten sind, zahlreicher als bei der Landwirtschaft schon bei der Industrie, am häufigsten aber bei den zum Handel und Verkehr gehörenden Berufen. Ähnlich liegen die Verhältnisse, wenigstens bei den Männern, hinsichtlich der Krankheiten des Rückenmarks. Zwischen den beiden Geschlechtern treten besonders bei zwei Krankheits¬ gruppen große Unterschiede zu Tage. Zunächst bei den Krankheiten deS Herzens und der großen Blutgefäße. Sie machen bei den Männern aller Berufe in jeder Altersklasse ungefähr 5 Prozent aller Beobachtungen aus, bei den weiblichen Invaliden der Landwirtschaft und auch der Industrie dagegen beinahe 8 und bei dein weiblichen Hausgesinde sogar etwas über 10 Prozent, dabei ist eine wenn much langsame Zunahme mit dem Alter nicht zu verkennen. Grsnzbotcn IV 1899 80

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231811/647>, abgerufen am 28.05.2024.