Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.Der Ministerwechsel in (Österreich Einrichtung der Ämter auf Grund der Sprachverhältnisse, wegen der Errichtung Ob das mit einem grammatikalischen und politischen Barbarismus als Es ist auch gar nicht ausgeschlossen, daß die Verhandlungen der beiden So hat denn der durch die tschechische Obstruktion bewirkte Regierungs¬ Der Ministerwechsel in (Österreich Einrichtung der Ämter auf Grund der Sprachverhältnisse, wegen der Errichtung Ob das mit einem grammatikalischen und politischen Barbarismus als Es ist auch gar nicht ausgeschlossen, daß die Verhandlungen der beiden So hat denn der durch die tschechische Obstruktion bewirkte Regierungs¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232669"/> <fw type="header" place="top"> Der Ministerwechsel in (Österreich</fw><lb/> <p xml:id="ID_341" prev="#ID_340"> Einrichtung der Ämter auf Grund der Sprachverhältnisse, wegen der Errichtung<lb/> von nationalen Kurier und wegen der nationalen Abgrenzung, andrerseits die<lb/> von tschechischer Seite gestellten Anträge wegen der Durchführung der Gleich¬<lb/> berechtigung der tschechischen Sprache bei den Gerichts- und Verwaltung?'<lb/> behörden, wegen der Wahrung der Gleichberechtigung der Sprachen bei der<lb/> Prager Statthalterei und wegen der Anstellung von Richtern, die der tschechischen<lb/> Sprache nicht mächtig sind, lassen erkennen, daß der Versuch einer Verständigung<lb/> Wohl unternommen werden soll, daß aber die Gegensätze der Anschauungen<lb/> schwerlich werden überbrückt werden können. Sehr erschwert wird jeder Aus¬<lb/> gleich dadurch, daß auch die mährischen Tschechen sofort eine gewaltige Ent¬<lb/> rüstung über die Aufhebung der Sprachenverordnungen kundgegeben haben,<lb/> und die schlesischen Tschechen dagegen protestieren, daß ein Verständigungsversuch<lb/> ohne ihre Einbeziehung eingeleitet werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_342"> Ob das mit einem grammatikalischen und politischen Barbarismus als<lb/> „Provisorissimum" bezeichnete Ministerium Mittel während seiner kurzen Dauer<lb/> den Reichsrat überhaupt einberufen werde, scheint fraglich und wird Wohl davon<lb/> abhängen, ob sich die Zusammenstellung der folgenden Regierung leicht und rasch<lb/> vollziehn, und ob sich die Wahrscheinlichkeit eines leidlichen Verhältnisses der<lb/> Regierung zu den Parteien der Mehrheit wie der Minderheit des Parlaments<lb/> ergeben wird. Zu diesem Zweck werden Vorverhandlungen mit den Partei¬<lb/> führern eingeleitet werden müssen. Andrerseits stehn wieder fixe Termine<lb/> drohend am politischen Firmament. Quote und Budgetprvvisorium sind nur<lb/> für sechs Monate festgestellt, und der ungarische Ministerpräsident Szell hat<lb/> schon in seiner Nenjahrsrede angedeutet, daß er auf rasche parlamentarische<lb/> Erledigung der nur durch kaiserliche Verordnung vorläufig geregelten Aus¬<lb/> gleichsangelegenheiten dringen werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_343"> Es ist auch gar nicht ausgeschlossen, daß die Verhandlungen der beiden<lb/> Delegationen zu einer Verschärfung der auf dem Gebiete der äußern Politik<lb/> bestehenden Gegensätze führen und dadurch eine Rückwirkung auf die Entwick¬<lb/> lung der innern Politik und auf die Gestalt des kommenden Kabinetts aus¬<lb/> üben werden. Der feurige Szekler Volkstribun Gabriel Ugron hat schon in der<lb/> ungarischen Delegation dem Ausfalle Gregrs gegen die Dreibundpolitik aus¬<lb/> giebige Unterstützung angedcihn lassen, indem er als ausschließlichen Nutznießer<lb/> ihrer Vorteile das Deutsche Reich hinstellte und sich von der maßgebenden Rolle<lb/> des deutschen Kaisers nicht sehr erbaut zeigte. Die Verschiedenheit der An¬<lb/> schauungen über das Verhältnis zum Deutschen Reich dürfte zu scharfen Aus¬<lb/> einandersetzungen zwischen Tschechen, Polen, Südslawen und Klerikalen einer¬<lb/> seits und der für die Politik des Grafen Goluchowski eintretenden deutscheu<lb/> Oppositionsparteien andrerseits führen und die Aussichten auf das Gelingen<lb/> einer gesetzlichen Regelung der Sprachenverhältnisse in Osterreich nichts weniger<lb/> als günstig beeinflussen.</p><lb/> <p xml:id="ID_344" next="#ID_345"> So hat denn der durch die tschechische Obstruktion bewirkte Regierungs¬<lb/> wechsel sehr wenig oder gar nichts zur Klärung der innern Lage beigetragen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0117]
Der Ministerwechsel in (Österreich
Einrichtung der Ämter auf Grund der Sprachverhältnisse, wegen der Errichtung
von nationalen Kurier und wegen der nationalen Abgrenzung, andrerseits die
von tschechischer Seite gestellten Anträge wegen der Durchführung der Gleich¬
berechtigung der tschechischen Sprache bei den Gerichts- und Verwaltung?'
behörden, wegen der Wahrung der Gleichberechtigung der Sprachen bei der
Prager Statthalterei und wegen der Anstellung von Richtern, die der tschechischen
Sprache nicht mächtig sind, lassen erkennen, daß der Versuch einer Verständigung
Wohl unternommen werden soll, daß aber die Gegensätze der Anschauungen
schwerlich werden überbrückt werden können. Sehr erschwert wird jeder Aus¬
gleich dadurch, daß auch die mährischen Tschechen sofort eine gewaltige Ent¬
rüstung über die Aufhebung der Sprachenverordnungen kundgegeben haben,
und die schlesischen Tschechen dagegen protestieren, daß ein Verständigungsversuch
ohne ihre Einbeziehung eingeleitet werde.
Ob das mit einem grammatikalischen und politischen Barbarismus als
„Provisorissimum" bezeichnete Ministerium Mittel während seiner kurzen Dauer
den Reichsrat überhaupt einberufen werde, scheint fraglich und wird Wohl davon
abhängen, ob sich die Zusammenstellung der folgenden Regierung leicht und rasch
vollziehn, und ob sich die Wahrscheinlichkeit eines leidlichen Verhältnisses der
Regierung zu den Parteien der Mehrheit wie der Minderheit des Parlaments
ergeben wird. Zu diesem Zweck werden Vorverhandlungen mit den Partei¬
führern eingeleitet werden müssen. Andrerseits stehn wieder fixe Termine
drohend am politischen Firmament. Quote und Budgetprvvisorium sind nur
für sechs Monate festgestellt, und der ungarische Ministerpräsident Szell hat
schon in seiner Nenjahrsrede angedeutet, daß er auf rasche parlamentarische
Erledigung der nur durch kaiserliche Verordnung vorläufig geregelten Aus¬
gleichsangelegenheiten dringen werde.
Es ist auch gar nicht ausgeschlossen, daß die Verhandlungen der beiden
Delegationen zu einer Verschärfung der auf dem Gebiete der äußern Politik
bestehenden Gegensätze führen und dadurch eine Rückwirkung auf die Entwick¬
lung der innern Politik und auf die Gestalt des kommenden Kabinetts aus¬
üben werden. Der feurige Szekler Volkstribun Gabriel Ugron hat schon in der
ungarischen Delegation dem Ausfalle Gregrs gegen die Dreibundpolitik aus¬
giebige Unterstützung angedcihn lassen, indem er als ausschließlichen Nutznießer
ihrer Vorteile das Deutsche Reich hinstellte und sich von der maßgebenden Rolle
des deutschen Kaisers nicht sehr erbaut zeigte. Die Verschiedenheit der An¬
schauungen über das Verhältnis zum Deutschen Reich dürfte zu scharfen Aus¬
einandersetzungen zwischen Tschechen, Polen, Südslawen und Klerikalen einer¬
seits und der für die Politik des Grafen Goluchowski eintretenden deutscheu
Oppositionsparteien andrerseits führen und die Aussichten auf das Gelingen
einer gesetzlichen Regelung der Sprachenverhältnisse in Osterreich nichts weniger
als günstig beeinflussen.
So hat denn der durch die tschechische Obstruktion bewirkte Regierungs¬
wechsel sehr wenig oder gar nichts zur Klärung der innern Lage beigetragen,
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