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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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^and- und S^kriog

lirteilung des Gesetzentwurfs nötig ist, in wohlüberlegten klaren Sätzen. Sie
schält gewissermaßen nur den Kern heraus und giebt uus deu Gedankengang
für eine ganze Reihe von rein militärischen oder militärisch-politischen und wirt¬
schaftlichen Fragen.

Wir wallen versuchen, die einleitenden Worte der Begründung: "das Deutsche
Reich bedarf des Friedens zur See" etwas näher zu beleuchten und uusern
Lesern die Folgen, die ein Seekrieg um wirtschaftliche Interessen, insbesondre
um Handelsinteressen hat, vor Augen zu führen.

Wir unterscheiden einen reinen Landkrieg, einen Land- und Seekrieg und
drittens einen reinen Seekrieg. Während der erste nur zwischen Staaten, die
von der See abgeschlossen sind oder keine oder nur eine geringe Seemacht haben,
möglich ist, müssen fast alle größer" Kriege bis auf die nllerneustc Zeit als
Laud- lind Seekriege angesehen werden. Je nach ihrer Bedeutung war die Mit¬
wirkung der Flotten für den Ausgang des Kriegs verschieden, stellenweise
wurden die Kriegsschiffe auch nur zum Schutze der Transportflotteu verwandt
und dienten somit lediglich als Hilfsmittel zur Durchführung des Landkriegs.
Allgemein läßt sich als Grundsatz für einen Laud- und Seekrieg aufstellen,
daß Blockaden und Landungen die Kriegführung wirksam fordern, daß jedoch
meistens die Entscheidung und damit der Todesstoß ins Herz des Gegners
mitten im Lande durch die Landtruppen erfolgt. Alis den vielen Beispielen
der Geschichte greifen Nur zwei heraus.

Der deutsch-französische Krieg von 1870/71 war ein Land- und Seekrieg.
Er wurde jedoch allein ans dem Lande entschieden. Der Seekrieg war be¬
deutungslos und konnte den Gang der schnell aufeinander folgenden Ereignisse
nicht hemmen. Daß der Seekrieg durch Frankreich nicht ausgenutzt wurde, ist
der mangelhaften Vorbereitung der französischen Flotte für den Krieg gegen
Deutschland und dem Umstande zuzuschreiben, daß der Admiral Bouet-Willanmez
aufs Geratewohl ohne jeden Plan und jede Initiative handelte.

Eine ganz andre Rolle spielte die Flotte im Sezessionskriege. Auf beide"
Fronten des gewaltigen Kriegsschauplatzes hat die Flotte der Nordstnateu den
Krieg fast allein geführt, gelegentlich unterstützt durch Truppen, die meistens
mir die von den Schiffen genommnen Punkte zu besetzen hatten. Am Potomac
und Jamesfluß leistete die Flotte der Armee die wichtigsten Dienste. Im
Westen des Kriegsschallplatzes errang die Flotte in Verbindung mit der Armee
die Herrschaft über den Mississippi von Kairo bis zum Golf. Vier Jahre
lang dauerte die Blockade der laugen Küste, und durch Sperrung des Verkehrs
auf dem Mississippi wurde dem Gegner alles zur Kriegführung zu Lande und
auf dem Wasser sowie die Lebensmittelzufuhr so wirksam unterbunden, daß
dadurch die völlige Erschöpfung des ganzen Landes und damit auch des Heeres
l?erbeigeführt wurde. Die abschließenden Erfolge mitten im Lande fielen meill'ir-
lich der Armee des Nordens zu. Aber die Flotte hatte die Widerstandsfähig
leit des Gegners schon vorher soweit gebrochen, daß die Kapitulationen der
Neste der konföderierten Heere unvermeidlich wurden.


^and- und S^kriog

lirteilung des Gesetzentwurfs nötig ist, in wohlüberlegten klaren Sätzen. Sie
schält gewissermaßen nur den Kern heraus und giebt uus deu Gedankengang
für eine ganze Reihe von rein militärischen oder militärisch-politischen und wirt¬
schaftlichen Fragen.

Wir wallen versuchen, die einleitenden Worte der Begründung: „das Deutsche
Reich bedarf des Friedens zur See" etwas näher zu beleuchten und uusern
Lesern die Folgen, die ein Seekrieg um wirtschaftliche Interessen, insbesondre
um Handelsinteressen hat, vor Augen zu führen.

Wir unterscheiden einen reinen Landkrieg, einen Land- und Seekrieg und
drittens einen reinen Seekrieg. Während der erste nur zwischen Staaten, die
von der See abgeschlossen sind oder keine oder nur eine geringe Seemacht haben,
möglich ist, müssen fast alle größer» Kriege bis auf die nllerneustc Zeit als
Laud- lind Seekriege angesehen werden. Je nach ihrer Bedeutung war die Mit¬
wirkung der Flotten für den Ausgang des Kriegs verschieden, stellenweise
wurden die Kriegsschiffe auch nur zum Schutze der Transportflotteu verwandt
und dienten somit lediglich als Hilfsmittel zur Durchführung des Landkriegs.
Allgemein läßt sich als Grundsatz für einen Laud- und Seekrieg aufstellen,
daß Blockaden und Landungen die Kriegführung wirksam fordern, daß jedoch
meistens die Entscheidung und damit der Todesstoß ins Herz des Gegners
mitten im Lande durch die Landtruppen erfolgt. Alis den vielen Beispielen
der Geschichte greifen Nur zwei heraus.

Der deutsch-französische Krieg von 1870/71 war ein Land- und Seekrieg.
Er wurde jedoch allein ans dem Lande entschieden. Der Seekrieg war be¬
deutungslos und konnte den Gang der schnell aufeinander folgenden Ereignisse
nicht hemmen. Daß der Seekrieg durch Frankreich nicht ausgenutzt wurde, ist
der mangelhaften Vorbereitung der französischen Flotte für den Krieg gegen
Deutschland und dem Umstande zuzuschreiben, daß der Admiral Bouet-Willanmez
aufs Geratewohl ohne jeden Plan und jede Initiative handelte.

Eine ganz andre Rolle spielte die Flotte im Sezessionskriege. Auf beide»
Fronten des gewaltigen Kriegsschauplatzes hat die Flotte der Nordstnateu den
Krieg fast allein geführt, gelegentlich unterstützt durch Truppen, die meistens
mir die von den Schiffen genommnen Punkte zu besetzen hatten. Am Potomac
und Jamesfluß leistete die Flotte der Armee die wichtigsten Dienste. Im
Westen des Kriegsschallplatzes errang die Flotte in Verbindung mit der Armee
die Herrschaft über den Mississippi von Kairo bis zum Golf. Vier Jahre
lang dauerte die Blockade der laugen Küste, und durch Sperrung des Verkehrs
auf dem Mississippi wurde dem Gegner alles zur Kriegführung zu Lande und
auf dem Wasser sowie die Lebensmittelzufuhr so wirksam unterbunden, daß
dadurch die völlige Erschöpfung des ganzen Landes und damit auch des Heeres
l?erbeigeführt wurde. Die abschließenden Erfolge mitten im Lande fielen meill'ir-
lich der Armee des Nordens zu. Aber die Flotte hatte die Widerstandsfähig
leit des Gegners schon vorher soweit gebrochen, daß die Kapitulationen der
Neste der konföderierten Heere unvermeidlich wurden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/378>, abgerufen am 16.06.2024.