Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Acht Iahro sächsisch-deutscher Politik

mtichtigter des Dentschen Blindes, als oninnt wri-ldlv, "nie Bisinnrck scherzend
sagte, zu den Friedenskonferenzen nach London ging, und wenn sich Sachsen
mit einer Selbständigkeit, die es leider in der Schleswig-holsteinischen Sache
wegen der Verschiedenheit des Nechtsstaudpnnkts nicht einzunehmen wagte,
ohne sich an die Opposition der Süddeutsche" zu kümmern, tun Preußen über
die Erneuerung des Zollvereins einigte und ain 11, Mai dafür die Zustimmung
beider Kammern erlangte. In der Ersten Kaminer hatte darüber der Kronprinz
das Referat. Wie wenig sonst die Lnndesvertretnng der großen Politik wirklich
zu folgen vermochte, obwohl sie oft in großen Worten von der Sicherung des
"reindeutschen" (d. h. mittelstaatlichen) Interesses, vom "Bruch des Bundes¬
rechts" und von "gerechter Entrüstung" darüber sprach, jedenfalls den Gegensatz
zu den Großmächten nnr verschärfte, bewies damals die Zweite Kammer durch
die Ablehnung einer kleinen Regiernngsfordernng über Vermehrung der
Offiziersstellen; erst als die Erste Kammer nach einer sehr ernsten, ans die
Gefahren der Zukunft nachdrücklich hinweisenden Rede des Kronprinzen n"i
27, Mai die Position genehmigt hatte, bewilligte sie in der zweiten Lesung
auch die Zweite Kammer,

Als sich nnn freilich nach dem Scheitern der Londoner Konferenzen die
beiden Großmächte vom Londoner Protokoll lossagten und ganz Schleswig
samt Jütland eroberten, die Bundesexekution also thatsächlich gegenstandslos
geworden war, dn trat die verschrobne Stellung der Mittelstaaten "ut der
Vnndestruppen sofort wieder klar zu Tage, Ein Konflikt in Rendsburg am
17, und Z8. Juli veranlaßte das preußische Oberkommando, die Bundestruppen
zur Räumung der Stadt zu nötige" (21, Juli), was begreiflicherweise gerade
den Kronprinzen tief verletzte, und erst nach dem Wiener Frieden vom
80, Oktober, der die Herzogtümer an die beiden Großmächte abtrat, wurden
am 27. November die Bundestruppen in Rendsburg wieder zugelassen. Allein
schon am 1, Dezember stellten Preußen und Osterreich in Frankfurt den All¬
trag auf Beendigung der Exekution "ut Abberufung der Bundestruppen, dem
Preußen durch eine Truppeuzusammeuziehnug bei Minden und Berlin Nach¬
druck gab, am 5, Dezember wurde er angenommen, und auch die Sachsen
kehrten heim, tief erbittert, aber sich bewußt, ihre militärische Pflicht erfüllt zu
haben und das Opfer unklarer politischer Verhältnisse geworden zu sein. Der
bedeutendste Versuch der Mittelstaatcu, selbständig große Politik zu treiben,
war vollständig gescheitert.

(Schluß folgt)




Acht Iahro sächsisch-deutscher Politik

mtichtigter des Dentschen Blindes, als oninnt wri-ldlv, »nie Bisinnrck scherzend
sagte, zu den Friedenskonferenzen nach London ging, und wenn sich Sachsen
mit einer Selbständigkeit, die es leider in der Schleswig-holsteinischen Sache
wegen der Verschiedenheit des Nechtsstaudpnnkts nicht einzunehmen wagte,
ohne sich an die Opposition der Süddeutsche» zu kümmern, tun Preußen über
die Erneuerung des Zollvereins einigte und ain 11, Mai dafür die Zustimmung
beider Kammern erlangte. In der Ersten Kaminer hatte darüber der Kronprinz
das Referat. Wie wenig sonst die Lnndesvertretnng der großen Politik wirklich
zu folgen vermochte, obwohl sie oft in großen Worten von der Sicherung des
„reindeutschen" (d. h. mittelstaatlichen) Interesses, vom „Bruch des Bundes¬
rechts" und von „gerechter Entrüstung" darüber sprach, jedenfalls den Gegensatz
zu den Großmächten nnr verschärfte, bewies damals die Zweite Kammer durch
die Ablehnung einer kleinen Regiernngsfordernng über Vermehrung der
Offiziersstellen; erst als die Erste Kammer nach einer sehr ernsten, ans die
Gefahren der Zukunft nachdrücklich hinweisenden Rede des Kronprinzen n»i
27, Mai die Position genehmigt hatte, bewilligte sie in der zweiten Lesung
auch die Zweite Kammer,

Als sich nnn freilich nach dem Scheitern der Londoner Konferenzen die
beiden Großmächte vom Londoner Protokoll lossagten und ganz Schleswig
samt Jütland eroberten, die Bundesexekution also thatsächlich gegenstandslos
geworden war, dn trat die verschrobne Stellung der Mittelstaaten »ut der
Vnndestruppen sofort wieder klar zu Tage, Ein Konflikt in Rendsburg am
17, und Z8. Juli veranlaßte das preußische Oberkommando, die Bundestruppen
zur Räumung der Stadt zu nötige» (21, Juli), was begreiflicherweise gerade
den Kronprinzen tief verletzte, und erst nach dem Wiener Frieden vom
80, Oktober, der die Herzogtümer an die beiden Großmächte abtrat, wurden
am 27. November die Bundestruppen in Rendsburg wieder zugelassen. Allein
schon am 1, Dezember stellten Preußen und Osterreich in Frankfurt den All¬
trag auf Beendigung der Exekution »ut Abberufung der Bundestruppen, dem
Preußen durch eine Truppeuzusammeuziehnug bei Minden und Berlin Nach¬
druck gab, am 5, Dezember wurde er angenommen, und auch die Sachsen
kehrten heim, tief erbittert, aber sich bewußt, ihre militärische Pflicht erfüllt zu
haben und das Opfer unklarer politischer Verhältnisse geworden zu sein. Der
bedeutendste Versuch der Mittelstaatcu, selbständig große Politik zu treiben,
war vollständig gescheitert.

(Schluß folgt)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0174" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/233408"/>
          <fw type="header" place="top"> Acht Iahro sächsisch-deutscher Politik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_513" prev="#ID_512"> mtichtigter des Dentschen Blindes, als oninnt wri-ldlv, »nie Bisinnrck scherzend<lb/>
sagte, zu den Friedenskonferenzen nach London ging, und wenn sich Sachsen<lb/>
mit einer Selbständigkeit, die es leider in der Schleswig-holsteinischen Sache<lb/>
wegen der Verschiedenheit des Nechtsstaudpnnkts nicht einzunehmen wagte,<lb/>
ohne sich an die Opposition der Süddeutsche» zu kümmern, tun Preußen über<lb/>
die Erneuerung des Zollvereins einigte und ain 11, Mai dafür die Zustimmung<lb/>
beider Kammern erlangte. In der Ersten Kaminer hatte darüber der Kronprinz<lb/>
das Referat. Wie wenig sonst die Lnndesvertretnng der großen Politik wirklich<lb/>
zu folgen vermochte, obwohl sie oft in großen Worten von der Sicherung des<lb/>
&#x201E;reindeutschen" (d. h. mittelstaatlichen) Interesses, vom &#x201E;Bruch des Bundes¬<lb/>
rechts" und von &#x201E;gerechter Entrüstung" darüber sprach, jedenfalls den Gegensatz<lb/>
zu den Großmächten nnr verschärfte, bewies damals die Zweite Kammer durch<lb/>
die Ablehnung einer kleinen Regiernngsfordernng über Vermehrung der<lb/>
Offiziersstellen; erst als die Erste Kammer nach einer sehr ernsten, ans die<lb/>
Gefahren der Zukunft nachdrücklich hinweisenden Rede des Kronprinzen n»i<lb/>
27, Mai die Position genehmigt hatte, bewilligte sie in der zweiten Lesung<lb/>
auch die Zweite Kammer,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_514"> Als sich nnn freilich nach dem Scheitern der Londoner Konferenzen die<lb/>
beiden Großmächte vom Londoner Protokoll lossagten und ganz Schleswig<lb/>
samt Jütland eroberten, die Bundesexekution also thatsächlich gegenstandslos<lb/>
geworden war, dn trat die verschrobne Stellung der Mittelstaaten »ut der<lb/>
Vnndestruppen sofort wieder klar zu Tage, Ein Konflikt in Rendsburg am<lb/>
17, und Z8. Juli veranlaßte das preußische Oberkommando, die Bundestruppen<lb/>
zur Räumung der Stadt zu nötige» (21, Juli), was begreiflicherweise gerade<lb/>
den Kronprinzen tief verletzte, und erst nach dem Wiener Frieden vom<lb/>
80, Oktober, der die Herzogtümer an die beiden Großmächte abtrat, wurden<lb/>
am 27. November die Bundestruppen in Rendsburg wieder zugelassen. Allein<lb/>
schon am 1, Dezember stellten Preußen und Osterreich in Frankfurt den All¬<lb/>
trag auf Beendigung der Exekution »ut Abberufung der Bundestruppen, dem<lb/>
Preußen durch eine Truppeuzusammeuziehnug bei Minden und Berlin Nach¬<lb/>
druck gab, am 5, Dezember wurde er angenommen, und auch die Sachsen<lb/>
kehrten heim, tief erbittert, aber sich bewußt, ihre militärische Pflicht erfüllt zu<lb/>
haben und das Opfer unklarer politischer Verhältnisse geworden zu sein. Der<lb/>
bedeutendste Versuch der Mittelstaatcu, selbständig große Politik zu treiben,<lb/>
war vollständig gescheitert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_515"> (Schluß folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0174] Acht Iahro sächsisch-deutscher Politik mtichtigter des Dentschen Blindes, als oninnt wri-ldlv, »nie Bisinnrck scherzend sagte, zu den Friedenskonferenzen nach London ging, und wenn sich Sachsen mit einer Selbständigkeit, die es leider in der Schleswig-holsteinischen Sache wegen der Verschiedenheit des Nechtsstaudpnnkts nicht einzunehmen wagte, ohne sich an die Opposition der Süddeutsche» zu kümmern, tun Preußen über die Erneuerung des Zollvereins einigte und ain 11, Mai dafür die Zustimmung beider Kammern erlangte. In der Ersten Kaminer hatte darüber der Kronprinz das Referat. Wie wenig sonst die Lnndesvertretnng der großen Politik wirklich zu folgen vermochte, obwohl sie oft in großen Worten von der Sicherung des „reindeutschen" (d. h. mittelstaatlichen) Interesses, vom „Bruch des Bundes¬ rechts" und von „gerechter Entrüstung" darüber sprach, jedenfalls den Gegensatz zu den Großmächten nnr verschärfte, bewies damals die Zweite Kammer durch die Ablehnung einer kleinen Regiernngsfordernng über Vermehrung der Offiziersstellen; erst als die Erste Kammer nach einer sehr ernsten, ans die Gefahren der Zukunft nachdrücklich hinweisenden Rede des Kronprinzen n»i 27, Mai die Position genehmigt hatte, bewilligte sie in der zweiten Lesung auch die Zweite Kammer, Als sich nnn freilich nach dem Scheitern der Londoner Konferenzen die beiden Großmächte vom Londoner Protokoll lossagten und ganz Schleswig samt Jütland eroberten, die Bundesexekution also thatsächlich gegenstandslos geworden war, dn trat die verschrobne Stellung der Mittelstaaten »ut der Vnndestruppen sofort wieder klar zu Tage, Ein Konflikt in Rendsburg am 17, und Z8. Juli veranlaßte das preußische Oberkommando, die Bundestruppen zur Räumung der Stadt zu nötige» (21, Juli), was begreiflicherweise gerade den Kronprinzen tief verletzte, und erst nach dem Wiener Frieden vom 80, Oktober, der die Herzogtümer an die beiden Großmächte abtrat, wurden am 27. November die Bundestruppen in Rendsburg wieder zugelassen. Allein schon am 1, Dezember stellten Preußen und Osterreich in Frankfurt den All¬ trag auf Beendigung der Exekution »ut Abberufung der Bundestruppen, dem Preußen durch eine Truppeuzusammeuziehnug bei Minden und Berlin Nach¬ druck gab, am 5, Dezember wurde er angenommen, und auch die Sachsen kehrten heim, tief erbittert, aber sich bewußt, ihre militärische Pflicht erfüllt zu haben und das Opfer unklarer politischer Verhältnisse geworden zu sein. Der bedeutendste Versuch der Mittelstaatcu, selbständig große Politik zu treiben, war vollständig gescheitert. (Schluß folgt)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_233233
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_233233/174
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_233233/174>, abgerufen am 19.05.2024.