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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr.

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Line Dienstreise nach dem Grient

Gelände am Nordrande des Sees die Überreste von Kapernaum, Bethsaida,
Magdala, Uns gerade gegenüber lagen die ziemlich schroff in den See ab¬
fallenden Berge des einstigen Landes der Gadarcner und Gergesener. Der
See ist 12 Kilometer breit und 29 Kilometer lang, zeigt also eine sehr statt¬
liche Wasserfläche, die mit ihren Umgebungen ein wenig an die oberitalienischen
Seen, namentlich den Lago maggiore, erinnert. Fischer, die von ihrem nächt¬
lichen Fange zurückgekehrt waren, saßen am diesseitigen Ufer und wuschen ihre
Netze, ein Bild aus dem Evangelium. Unsre Reisegesellschaft, die sich all¬
mählich vollzählig versammelt hatte, stieg in Fischerboote, die um Ufer lagen,
es mochten ihrer etwa acht oder zehn sein, dann stießen wir ab und ruderten
um wenig in den See hinaus. Dort sammelten sich die Boote um eins, das
in der Mitte lag, und in dem Generalsuperintendent Rede neben dein Mast
Ms der Bank stand. Er hielt eine ergreifende, kurze Andacht über den Text
Matth. 14, 22 ff. von dem Wandeln des Heilands ans dem See. Wir sangen
"Jesu, geh voran" und nachher den ersten Vers von "Hnllelnjah, schöner
Morgen,' schöner, als man denken kann." Es war eine unvergeßlich schöne
Stunde.

Dann ruderten wir längs der am Berge malerisch hingestreckten Stadt
Tiberias südwärts eine halbe Stunde bis zu den Thermen des Herodes, einer
heißen Quelle, über die ein großes, gemeinsames Bndehaus gebaut ist. Die
Quelle hat eine Temperatur von 40 Grad Reaumur und gilt als besonders
die Rünme aber, in denen sich die Badegäste. Araber und Juden,
Männer und Weiber aufhielten, waren dürftig, schmutzig und wenig amnntend
Dann kehrten wir nach Tiberias zurück, frühstückten dort und fuhren um elf
Uhr auf den: Wege nach Nazareth ab. Jetzt, bei Tage, als wir die ziemlich
hohe Berglehne in Serpentinen hinaufführen, überzengw. wir uno. daß der
Weg zwar steil, aber doch gut war. und daß unsre Besorgnisse am Abend
vorher mehr auf Rechnung der Dunkelheit als der Strasse zu setzen waren
Wir hatten herrliche Rückblicke auf deu See Genezareth und desse" User, deren
Linien bei der klare.,, durchsichtigen Luft sich mit besondrer scho.eben ab¬
zeichneten. Am Berge der Speisung sahen wir ein paar flüchtige Gazellen
Von Schakalen und anderm wilden Getier habe ich mOs wa^genomine .
Um vier Uhr nachmittags kamen wir nach Kana mit semen hohen ^attushcck
"ut nach einem frischen Trunke ans der Hochzeitsqnelle ging ^ wei er in h
Nazareth. das wir in der Dämmerung erreichten. Im Hotel Hesselbarth über¬
nachteten wir vortrefflich.

^,--
Ju der Morgen ruhe des Freitags, am 4. November, gingen Mr in da.
Städtchen und wurden zunächst von einem Franziskanerpater an die Stell
geführt, wo die Zinnner.nannswerkstatt des heiligen Joseph gestanden haben
Wi- Sie bot nichts Bemerkenswertes. Von da kamen wir an °" Marien-
^'elle, einen in Mauerwerk gefaßten Brunnen, aus dem nach Trad, on
Mutter des 5errn ihr Wasser zum tägliche" Bedarf geholt haben so l.
Die Quelle hat dasselbe reine, frische, wohlschmeckende Wasser wie die Hoch-


Line Dienstreise nach dem Grient

Gelände am Nordrande des Sees die Überreste von Kapernaum, Bethsaida,
Magdala, Uns gerade gegenüber lagen die ziemlich schroff in den See ab¬
fallenden Berge des einstigen Landes der Gadarcner und Gergesener. Der
See ist 12 Kilometer breit und 29 Kilometer lang, zeigt also eine sehr statt¬
liche Wasserfläche, die mit ihren Umgebungen ein wenig an die oberitalienischen
Seen, namentlich den Lago maggiore, erinnert. Fischer, die von ihrem nächt¬
lichen Fange zurückgekehrt waren, saßen am diesseitigen Ufer und wuschen ihre
Netze, ein Bild aus dem Evangelium. Unsre Reisegesellschaft, die sich all¬
mählich vollzählig versammelt hatte, stieg in Fischerboote, die um Ufer lagen,
es mochten ihrer etwa acht oder zehn sein, dann stießen wir ab und ruderten
um wenig in den See hinaus. Dort sammelten sich die Boote um eins, das
in der Mitte lag, und in dem Generalsuperintendent Rede neben dein Mast
Ms der Bank stand. Er hielt eine ergreifende, kurze Andacht über den Text
Matth. 14, 22 ff. von dem Wandeln des Heilands ans dem See. Wir sangen
»Jesu, geh voran" und nachher den ersten Vers von „Hnllelnjah, schöner
Morgen,' schöner, als man denken kann." Es war eine unvergeßlich schöne
Stunde.

Dann ruderten wir längs der am Berge malerisch hingestreckten Stadt
Tiberias südwärts eine halbe Stunde bis zu den Thermen des Herodes, einer
heißen Quelle, über die ein großes, gemeinsames Bndehaus gebaut ist. Die
Quelle hat eine Temperatur von 40 Grad Reaumur und gilt als besonders
die Rünme aber, in denen sich die Badegäste. Araber und Juden,
Männer und Weiber aufhielten, waren dürftig, schmutzig und wenig amnntend
Dann kehrten wir nach Tiberias zurück, frühstückten dort und fuhren um elf
Uhr auf den: Wege nach Nazareth ab. Jetzt, bei Tage, als wir die ziemlich
hohe Berglehne in Serpentinen hinaufführen, überzengw. wir uno. daß der
Weg zwar steil, aber doch gut war. und daß unsre Besorgnisse am Abend
vorher mehr auf Rechnung der Dunkelheit als der Strasse zu setzen waren
Wir hatten herrliche Rückblicke auf deu See Genezareth und desse» User, deren
Linien bei der klare.,, durchsichtigen Luft sich mit besondrer scho.eben ab¬
zeichneten. Am Berge der Speisung sahen wir ein paar flüchtige Gazellen
Von Schakalen und anderm wilden Getier habe ich mOs wa^genomine .
Um vier Uhr nachmittags kamen wir nach Kana mit semen hohen ^attushcck
"ut nach einem frischen Trunke ans der Hochzeitsqnelle ging ^ wei er in h
Nazareth. das wir in der Dämmerung erreichten. Im Hotel Hesselbarth über¬
nachteten wir vortrefflich.

^,--
Ju der Morgen ruhe des Freitags, am 4. November, gingen Mr in da.
Städtchen und wurden zunächst von einem Franziskanerpater an die Stell
geführt, wo die Zinnner.nannswerkstatt des heiligen Joseph gestanden haben
Wi- Sie bot nichts Bemerkenswertes. Von da kamen wir an °" Marien-
^'elle, einen in Mauerwerk gefaßten Brunnen, aus dem nach Trad, on
Mutter des 5errn ihr Wasser zum tägliche» Bedarf geholt haben so l.
Die Quelle hat dasselbe reine, frische, wohlschmeckende Wasser wie die Hoch-


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[0485] Line Dienstreise nach dem Grient Gelände am Nordrande des Sees die Überreste von Kapernaum, Bethsaida, Magdala, Uns gerade gegenüber lagen die ziemlich schroff in den See ab¬ fallenden Berge des einstigen Landes der Gadarcner und Gergesener. Der See ist 12 Kilometer breit und 29 Kilometer lang, zeigt also eine sehr statt¬ liche Wasserfläche, die mit ihren Umgebungen ein wenig an die oberitalienischen Seen, namentlich den Lago maggiore, erinnert. Fischer, die von ihrem nächt¬ lichen Fange zurückgekehrt waren, saßen am diesseitigen Ufer und wuschen ihre Netze, ein Bild aus dem Evangelium. Unsre Reisegesellschaft, die sich all¬ mählich vollzählig versammelt hatte, stieg in Fischerboote, die um Ufer lagen, es mochten ihrer etwa acht oder zehn sein, dann stießen wir ab und ruderten um wenig in den See hinaus. Dort sammelten sich die Boote um eins, das in der Mitte lag, und in dem Generalsuperintendent Rede neben dein Mast Ms der Bank stand. Er hielt eine ergreifende, kurze Andacht über den Text Matth. 14, 22 ff. von dem Wandeln des Heilands ans dem See. Wir sangen »Jesu, geh voran" und nachher den ersten Vers von „Hnllelnjah, schöner Morgen,' schöner, als man denken kann." Es war eine unvergeßlich schöne Stunde. Dann ruderten wir längs der am Berge malerisch hingestreckten Stadt Tiberias südwärts eine halbe Stunde bis zu den Thermen des Herodes, einer heißen Quelle, über die ein großes, gemeinsames Bndehaus gebaut ist. Die Quelle hat eine Temperatur von 40 Grad Reaumur und gilt als besonders die Rünme aber, in denen sich die Badegäste. Araber und Juden, Männer und Weiber aufhielten, waren dürftig, schmutzig und wenig amnntend Dann kehrten wir nach Tiberias zurück, frühstückten dort und fuhren um elf Uhr auf den: Wege nach Nazareth ab. Jetzt, bei Tage, als wir die ziemlich hohe Berglehne in Serpentinen hinaufführen, überzengw. wir uno. daß der Weg zwar steil, aber doch gut war. und daß unsre Besorgnisse am Abend vorher mehr auf Rechnung der Dunkelheit als der Strasse zu setzen waren Wir hatten herrliche Rückblicke auf deu See Genezareth und desse» User, deren Linien bei der klare.,, durchsichtigen Luft sich mit besondrer scho.eben ab¬ zeichneten. Am Berge der Speisung sahen wir ein paar flüchtige Gazellen Von Schakalen und anderm wilden Getier habe ich mOs wa^genomine . Um vier Uhr nachmittags kamen wir nach Kana mit semen hohen ^attushcck "ut nach einem frischen Trunke ans der Hochzeitsqnelle ging ^ wei er in h Nazareth. das wir in der Dämmerung erreichten. Im Hotel Hesselbarth über¬ nachteten wir vortrefflich. ^,-- Ju der Morgen ruhe des Freitags, am 4. November, gingen Mr in da. Städtchen und wurden zunächst von einem Franziskanerpater an die Stell geführt, wo die Zinnner.nannswerkstatt des heiligen Joseph gestanden haben Wi- Sie bot nichts Bemerkenswertes. Von da kamen wir an °" Marien- ^'elle, einen in Mauerwerk gefaßten Brunnen, aus dem nach Trad, on Mutter des 5errn ihr Wasser zum tägliche» Bedarf geholt haben so l. Die Quelle hat dasselbe reine, frische, wohlschmeckende Wasser wie die Hoch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_233233/485>, abgerufen am 20.05.2024.