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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Dreimal gefunden

Aber als sich Asmund so recht in diese verbitterten Gedanken hineingegrübelt
hatte, kamen plötzlich rasche Schritte über den Kai her und das Landgangsbrett
herauf, und Ragna selbst stand vor ihm.

Einen Augenblick sahen sie sich fest an, aber es war eine solche Klarheit in
ihrem durchdringenden Blick, daß sich Asmund wie bei einer schlechten That ertappt
fühlte und auf die Seite sah.

Jetzt haben Sie schlecht von mir gedacht, sagte sie.

Er schwieg.

Ja, so sind die Leute! rief sie schmerzlich ans. Wenn man gut oder schlecht
über einen Menschen denken kann, da denkt man lieber das Schlechte. Ich habe
mich diesem Mann verdungen, gerade weil er jemand brauchte, der etwas zu leisten
imstande war. Und wer sich selbst nicht vor der Schande hüten kann, der nimmt
natürlich auch eine Frau nicht dagegen in Schutz. Aber nnn ist es zu Ende. Als
er das letztemal die Finger nach mir ausstreckte, da sagte ich ihm, wenn er es
noch einmal wage, so würde ich in derselben Stunde sein Haus verlassen. Und ich
thue es auch, gleich morgen.

Nagna! rief Asmund und that einen tiefen, befreienden Atemzug. Aber
sie ergriff seine ausgestreckte Hand nicht, sondern wandte sich ab und schüttelte
den Kopf.

Nein, nun will ich mit meinem Geschäft kommen, fuhr sie fort.

So komm mit in die Kajüte hinunter, bat er.

Nein, danke. Was ich zu sage" habe, kauu auch hier gesagt werden. Und
nun hören Sie: Die Fische, die der Kaufmann vou Ihnen gekauft hat, bezahlt
er nicht.

Ich habe ihm einen Monat Aufschub gewährt, antwortete Asmund,

Aber wenn dieser Monat vorbei ist, verlangt er einen zweiten, und dann ist
er bankrott. Ich weiß es sicher und gewiß. Sie sind nicht der einzige, der be¬
trogen wird. Haben Sie etwas Schriftliches?

Asmund schüttelte deu Kopf.

Gut, dann verlangen Sie bare Bezahlung.

Das wäre schon recht, wandte Asmund ein. Aber dann ist der Fisch aus¬
geladen, und ich bekomme mehr Widerwärtigkeit davon, ihn wieder einzuladen, als
ich Zeit dazu habe.

Dann fahren Sie heute nacht noch weg! rief sie. Ich bin kein Hasenfuß, und
morgen früh werde ich die Sache in Ordnung bringen.

Wollen Sie ihn? denn sagen, daß Sie mich gewarnt haben? fragte er und
ergriff ihre widerstrebende Hand.

Gewiß will ich das. Soll er etwas Falsches denken, wenn ich ihm die Wahr¬
heit sagen kann?

Ach, für das, was ich nun erfahren habe, gäbe ich gern die ganze Fischlnst!
rief er.

Was haben Sie denn erfahren? fragte sie.

Das, wonach ich mich seit mehr als zwei Jahren als nach dem Schönsten und
Besten auf der Welt gesehnt habe. Und nun ist es gerade so, wie ich es mir
gedacht hatte.

Ja, nun muß ich gehn, sagte sie scheu und zog ihre Hand zurück.

Ja, und du denkst Wohl, ich werde dich gehn lassen! sagte Asmund lachend,
während ihm das Weinen fast näher war. Und mit starken Armen wollte er sie
an sich ziehn.

Was wollen Sie von mir? fragte sie und sah ihn kalt an, aber der strenge
Ausdruck verwandelte sich schnell in ein Lächeln.


Dreimal gefunden

Aber als sich Asmund so recht in diese verbitterten Gedanken hineingegrübelt
hatte, kamen plötzlich rasche Schritte über den Kai her und das Landgangsbrett
herauf, und Ragna selbst stand vor ihm.

Einen Augenblick sahen sie sich fest an, aber es war eine solche Klarheit in
ihrem durchdringenden Blick, daß sich Asmund wie bei einer schlechten That ertappt
fühlte und auf die Seite sah.

Jetzt haben Sie schlecht von mir gedacht, sagte sie.

Er schwieg.

Ja, so sind die Leute! rief sie schmerzlich ans. Wenn man gut oder schlecht
über einen Menschen denken kann, da denkt man lieber das Schlechte. Ich habe
mich diesem Mann verdungen, gerade weil er jemand brauchte, der etwas zu leisten
imstande war. Und wer sich selbst nicht vor der Schande hüten kann, der nimmt
natürlich auch eine Frau nicht dagegen in Schutz. Aber nnn ist es zu Ende. Als
er das letztemal die Finger nach mir ausstreckte, da sagte ich ihm, wenn er es
noch einmal wage, so würde ich in derselben Stunde sein Haus verlassen. Und ich
thue es auch, gleich morgen.

Nagna! rief Asmund und that einen tiefen, befreienden Atemzug. Aber
sie ergriff seine ausgestreckte Hand nicht, sondern wandte sich ab und schüttelte
den Kopf.

Nein, nun will ich mit meinem Geschäft kommen, fuhr sie fort.

So komm mit in die Kajüte hinunter, bat er.

Nein, danke. Was ich zu sage» habe, kauu auch hier gesagt werden. Und
nun hören Sie: Die Fische, die der Kaufmann vou Ihnen gekauft hat, bezahlt
er nicht.

Ich habe ihm einen Monat Aufschub gewährt, antwortete Asmund,

Aber wenn dieser Monat vorbei ist, verlangt er einen zweiten, und dann ist
er bankrott. Ich weiß es sicher und gewiß. Sie sind nicht der einzige, der be¬
trogen wird. Haben Sie etwas Schriftliches?

Asmund schüttelte deu Kopf.

Gut, dann verlangen Sie bare Bezahlung.

Das wäre schon recht, wandte Asmund ein. Aber dann ist der Fisch aus¬
geladen, und ich bekomme mehr Widerwärtigkeit davon, ihn wieder einzuladen, als
ich Zeit dazu habe.

Dann fahren Sie heute nacht noch weg! rief sie. Ich bin kein Hasenfuß, und
morgen früh werde ich die Sache in Ordnung bringen.

Wollen Sie ihn? denn sagen, daß Sie mich gewarnt haben? fragte er und
ergriff ihre widerstrebende Hand.

Gewiß will ich das. Soll er etwas Falsches denken, wenn ich ihm die Wahr¬
heit sagen kann?

Ach, für das, was ich nun erfahren habe, gäbe ich gern die ganze Fischlnst!
rief er.

Was haben Sie denn erfahren? fragte sie.

Das, wonach ich mich seit mehr als zwei Jahren als nach dem Schönsten und
Besten auf der Welt gesehnt habe. Und nun ist es gerade so, wie ich es mir
gedacht hatte.

Ja, nun muß ich gehn, sagte sie scheu und zog ihre Hand zurück.

Ja, und du denkst Wohl, ich werde dich gehn lassen! sagte Asmund lachend,
während ihm das Weinen fast näher war. Und mit starken Armen wollte er sie
an sich ziehn.

Was wollen Sie von mir? fragte sie und sah ihn kalt an, aber der strenge
Ausdruck verwandelte sich schnell in ein Lächeln.


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[0102] Dreimal gefunden Aber als sich Asmund so recht in diese verbitterten Gedanken hineingegrübelt hatte, kamen plötzlich rasche Schritte über den Kai her und das Landgangsbrett herauf, und Ragna selbst stand vor ihm. Einen Augenblick sahen sie sich fest an, aber es war eine solche Klarheit in ihrem durchdringenden Blick, daß sich Asmund wie bei einer schlechten That ertappt fühlte und auf die Seite sah. Jetzt haben Sie schlecht von mir gedacht, sagte sie. Er schwieg. Ja, so sind die Leute! rief sie schmerzlich ans. Wenn man gut oder schlecht über einen Menschen denken kann, da denkt man lieber das Schlechte. Ich habe mich diesem Mann verdungen, gerade weil er jemand brauchte, der etwas zu leisten imstande war. Und wer sich selbst nicht vor der Schande hüten kann, der nimmt natürlich auch eine Frau nicht dagegen in Schutz. Aber nnn ist es zu Ende. Als er das letztemal die Finger nach mir ausstreckte, da sagte ich ihm, wenn er es noch einmal wage, so würde ich in derselben Stunde sein Haus verlassen. Und ich thue es auch, gleich morgen. Nagna! rief Asmund und that einen tiefen, befreienden Atemzug. Aber sie ergriff seine ausgestreckte Hand nicht, sondern wandte sich ab und schüttelte den Kopf. Nein, nun will ich mit meinem Geschäft kommen, fuhr sie fort. So komm mit in die Kajüte hinunter, bat er. Nein, danke. Was ich zu sage» habe, kauu auch hier gesagt werden. Und nun hören Sie: Die Fische, die der Kaufmann vou Ihnen gekauft hat, bezahlt er nicht. Ich habe ihm einen Monat Aufschub gewährt, antwortete Asmund, Aber wenn dieser Monat vorbei ist, verlangt er einen zweiten, und dann ist er bankrott. Ich weiß es sicher und gewiß. Sie sind nicht der einzige, der be¬ trogen wird. Haben Sie etwas Schriftliches? Asmund schüttelte deu Kopf. Gut, dann verlangen Sie bare Bezahlung. Das wäre schon recht, wandte Asmund ein. Aber dann ist der Fisch aus¬ geladen, und ich bekomme mehr Widerwärtigkeit davon, ihn wieder einzuladen, als ich Zeit dazu habe. Dann fahren Sie heute nacht noch weg! rief sie. Ich bin kein Hasenfuß, und morgen früh werde ich die Sache in Ordnung bringen. Wollen Sie ihn? denn sagen, daß Sie mich gewarnt haben? fragte er und ergriff ihre widerstrebende Hand. Gewiß will ich das. Soll er etwas Falsches denken, wenn ich ihm die Wahr¬ heit sagen kann? Ach, für das, was ich nun erfahren habe, gäbe ich gern die ganze Fischlnst! rief er. Was haben Sie denn erfahren? fragte sie. Das, wonach ich mich seit mehr als zwei Jahren als nach dem Schönsten und Besten auf der Welt gesehnt habe. Und nun ist es gerade so, wie ich es mir gedacht hatte. Ja, nun muß ich gehn, sagte sie scheu und zog ihre Hand zurück. Ja, und du denkst Wohl, ich werde dich gehn lassen! sagte Asmund lachend, während ihm das Weinen fast näher war. Und mit starken Armen wollte er sie an sich ziehn. Was wollen Sie von mir? fragte sie und sah ihn kalt an, aber der strenge Ausdruck verwandelte sich schnell in ein Lächeln.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/102>, abgerufen am 16.06.2024.