Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.Gobineau über tels klassische Altertum sondern als Dichter, Soldaten und Staatsmänner. Wir gestehn gern, daß Die Darstellung der römischen Geschichte wird vielen als das Jnteressanteste Gobineau über tels klassische Altertum sondern als Dichter, Soldaten und Staatsmänner. Wir gestehn gern, daß Die Darstellung der römischen Geschichte wird vielen als das Jnteressanteste <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0144" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291221"/> <fw type="header" place="top"> Gobineau über tels klassische Altertum</fw><lb/> <p xml:id="ID_501" prev="#ID_500"> sondern als Dichter, Soldaten und Staatsmänner. Wir gestehn gern, daß<lb/> uns hier mich die geographische Erklärungsweise im Stich läßt, da beide Völker<lb/> in demselben milden, nebligen Klima und ans Inseln in nächster Nachbarschaft<lb/> wohnen, und daß uns mich die sozialen Einflüsse nicht weiter helfen, da sie<lb/> ja eben hier und dort verschieden wirken. Wenn irgend ein Volk die UnVer¬<lb/> änderlichkeit des Massencharakters beweist, so sind es die Iren (darauf hat schon<lb/> Jakob Grimm aufmerksam gemacht), dafür beweisen die Engländer, die heute<lb/> so ganz anders geartet sind als zu Shakespeares Zeiten, seine Veränderlich¬<lb/> keit, und den Anhängern der Theorie Gvbineans nützt das irische Beispiel<lb/> nichts, weil sich im Volkscharakter dieses Zweiges der Kelten keine Spur von<lb/> Mviigolismus findet. Das Geheimnis der Rasseneigentiuulichkeiten wird ebenso<lb/> wenig wie irgend ein andres Schöpfungsgeheimnis jemals entschleiert werden.<lb/> Die Wissenschaft hat sich auch hier der Hauptsache uach auf die Beschreibung<lb/> dessen, was ist, zu beschränken, die von großem Nutzen sei» kann, weil man<lb/> doch die Menschenarten, mit denen man zu Verkehren hat, einigermaßen kennen<lb/> muß. Über die Entstehung dieser Arten Vermutungen aufzustellen, ist erlaubt<lb/> und dem Denkenden Bedürfnis, und dem Forscher zeigen sich spüre», die seine<lb/> mitgebrachten Vermutungen bestätigen und ihn zu neuen anregen, aber die Ver-<lb/> uuitungen werde» niemals zur Gewißheit erhoben werden können; von der<lb/> Wahrheit werde» sie sich desto weniger entfernen, je weniger sich der Forscher<lb/> darauf versteift, alle Erscheiuuuge» aus einer einzigen Ursache ableiten und<lb/> seine Liebliugsmeinuug als die allein geltuugsberechtigte nachweisen zu wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_502" next="#ID_503"> Die Darstellung der römischen Geschichte wird vielen als das Jnteressanteste<lb/> in GobinecmS Werke erscheinen; jedenfalls ist sie das Paradoxeste, und eben<lb/> deswegen fertigen wir sie mit wenigen Worten ab. Die Jtaliker waren ein<lb/> Gemisch von Völkern, deren Unterschiede darauf beruhten, daß ihr arisches Blut<lb/> in verschiednen Graden mit finnischen gemischt war, und zwar gilt das vou<lb/> deu Sabellern und Latinern so gut wie von den „slawischen" Rasenern. Die<lb/> Hauptmasse ist keltischen Ursprungs; mit den „semitisierten Pelasgern," die<lb/> Tarquinii gründen, beginnt die Einimpfung orientalischen Bluts. Rom ist<lb/> eine etruskische Gründung. Daraus leitet Gobinenn u. a. die römische Ehr¬<lb/> furcht vor deu obrigkeitlichen Personen ab und spricht darüber sehr hübsch.<lb/> Es sei eilte den Knechtsvölkern und den Demagogie» gemeinsame Vorstellung,<lb/> daß man die Person vom Amte trennen müsse, und daß man den Träger des<lb/> Amts beschimpfen dürfe, wodurch die Pflicht gegen die Obrigkeit nicht verletzt<lb/> werde. Dem Etrusker sei auch die Person des Beamten heilig, und diese Ehr¬<lb/> furcht vor den obrigkeitlichen Personen sei die Quelle der römischen Tugend<lb/> gewesen. Im übrigen Hütten es die Römer, als Sprößlinge des italischen<lb/> Völkergemischs, zur Begründung einer eigentlichen Nationalität, die Rassen¬<lb/> reinheit voraussetze, nicht bringen können und hättet? teilte originelle Leistung<lb/> aufzuweisen. Von einer römischen Zivilisation zu reden, sei »tan demnach nicht<lb/> berechtigt. „Wie Rom nie eine originale Nasse besessen, so hat es auch nie<lb/> eine» Gedanken ausgearbeitet, der dieses gewesen wäre. Assyrien hatte ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0144]
Gobineau über tels klassische Altertum
sondern als Dichter, Soldaten und Staatsmänner. Wir gestehn gern, daß
uns hier mich die geographische Erklärungsweise im Stich läßt, da beide Völker
in demselben milden, nebligen Klima und ans Inseln in nächster Nachbarschaft
wohnen, und daß uns mich die sozialen Einflüsse nicht weiter helfen, da sie
ja eben hier und dort verschieden wirken. Wenn irgend ein Volk die UnVer¬
änderlichkeit des Massencharakters beweist, so sind es die Iren (darauf hat schon
Jakob Grimm aufmerksam gemacht), dafür beweisen die Engländer, die heute
so ganz anders geartet sind als zu Shakespeares Zeiten, seine Veränderlich¬
keit, und den Anhängern der Theorie Gvbineans nützt das irische Beispiel
nichts, weil sich im Volkscharakter dieses Zweiges der Kelten keine Spur von
Mviigolismus findet. Das Geheimnis der Rasseneigentiuulichkeiten wird ebenso
wenig wie irgend ein andres Schöpfungsgeheimnis jemals entschleiert werden.
Die Wissenschaft hat sich auch hier der Hauptsache uach auf die Beschreibung
dessen, was ist, zu beschränken, die von großem Nutzen sei» kann, weil man
doch die Menschenarten, mit denen man zu Verkehren hat, einigermaßen kennen
muß. Über die Entstehung dieser Arten Vermutungen aufzustellen, ist erlaubt
und dem Denkenden Bedürfnis, und dem Forscher zeigen sich spüre», die seine
mitgebrachten Vermutungen bestätigen und ihn zu neuen anregen, aber die Ver-
uuitungen werde» niemals zur Gewißheit erhoben werden können; von der
Wahrheit werde» sie sich desto weniger entfernen, je weniger sich der Forscher
darauf versteift, alle Erscheiuuuge» aus einer einzigen Ursache ableiten und
seine Liebliugsmeinuug als die allein geltuugsberechtigte nachweisen zu wollen.
Die Darstellung der römischen Geschichte wird vielen als das Jnteressanteste
in GobinecmS Werke erscheinen; jedenfalls ist sie das Paradoxeste, und eben
deswegen fertigen wir sie mit wenigen Worten ab. Die Jtaliker waren ein
Gemisch von Völkern, deren Unterschiede darauf beruhten, daß ihr arisches Blut
in verschiednen Graden mit finnischen gemischt war, und zwar gilt das vou
deu Sabellern und Latinern so gut wie von den „slawischen" Rasenern. Die
Hauptmasse ist keltischen Ursprungs; mit den „semitisierten Pelasgern," die
Tarquinii gründen, beginnt die Einimpfung orientalischen Bluts. Rom ist
eine etruskische Gründung. Daraus leitet Gobinenn u. a. die römische Ehr¬
furcht vor deu obrigkeitlichen Personen ab und spricht darüber sehr hübsch.
Es sei eilte den Knechtsvölkern und den Demagogie» gemeinsame Vorstellung,
daß man die Person vom Amte trennen müsse, und daß man den Träger des
Amts beschimpfen dürfe, wodurch die Pflicht gegen die Obrigkeit nicht verletzt
werde. Dem Etrusker sei auch die Person des Beamten heilig, und diese Ehr¬
furcht vor den obrigkeitlichen Personen sei die Quelle der römischen Tugend
gewesen. Im übrigen Hütten es die Römer, als Sprößlinge des italischen
Völkergemischs, zur Begründung einer eigentlichen Nationalität, die Rassen¬
reinheit voraussetze, nicht bringen können und hättet? teilte originelle Leistung
aufzuweisen. Von einer römischen Zivilisation zu reden, sei »tan demnach nicht
berechtigt. „Wie Rom nie eine originale Nasse besessen, so hat es auch nie
eine» Gedanken ausgearbeitet, der dieses gewesen wäre. Assyrien hatte ein
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |