Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Konzentration, sondern seine angemessene Pflege, Förderung und Erziehung bei uns Wir begrüßen es deshalb mit großer Freude, daß in den sonst recht öden Dr. von Siemers sagt selbst, daß die Gegner der Börse ihren Erfolg der ge¬ Der genannte, sehr verdiente Wcltfinanzmnnn sagt dann weiter, die in dem Maßgebliches und Unmaßgebliches Konzentration, sondern seine angemessene Pflege, Förderung und Erziehung bei uns Wir begrüßen es deshalb mit großer Freude, daß in den sonst recht öden Dr. von Siemers sagt selbst, daß die Gegner der Börse ihren Erfolg der ge¬ Der genannte, sehr verdiente Wcltfinanzmnnn sagt dann weiter, die in dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291293"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_770" prev="#ID_769"> Konzentration, sondern seine angemessene Pflege, Förderung und Erziehung bei uns<lb/> heute die richtige Politik ist, der ohne Gefährdung unsrer nationalen Machtstellung<lb/> und Existenz nicht mehr zuwider gehandelt werden darf.</p><lb/> <p xml:id="ID_771"> Wir begrüßen es deshalb mit großer Freude, daß in den sonst recht öden<lb/> Spalten der früher orthodox manchesterlichen, jetzt einer krankhaften Mauserung im<lb/> Interesse der Buudesbrüderschaft mit der „gemauserten Sozialdemokratie" verfallnen<lb/> Wochenschrift: „Die Nation" Dr. Georg von Siemers, der Leiter der Deutschen<lb/> Bank, in einem „Die nationale Bedeutung der Börse" überschriebnen Aufsatz in<lb/> überzeugender Weise auf den Schaden hinweist, den die gegen die Börse als „eine<lb/> der prägnantesten Vertretungsformen des mobilen Kapitals" seit langer Zeit unaus¬<lb/> gesetzt ausgeübten, leider nur zu erfolgreichen, übermäßigen, gehässigen und ver¬<lb/> ständnislosen Anfeindungen unsrer Fähigkeit zur Weltpolitik zugefügt haben und<lb/> weiter zuzufügen drohen.</p><lb/> <p xml:id="ID_772"> Dr. von Siemers sagt selbst, daß die Gegner der Börse ihren Erfolg der ge¬<lb/> schickten Benutzung des „an sich berechtigten moralischen Widerwillens gegen den<lb/> Börsenschwindcl" verdanken. Daß der nützliche Handel die „gleichen Formen" nicht<lb/> entbehren könne, sei ihnen gleichgiltig. Es erscheine ihnen im Interesse der Auf¬<lb/> rechterhaltung ihres politischen und sozialen Einflusses unerwünscht, daß Klassen, die<lb/> bisher unter ihrer Vorherrschaft gestanden hätten, durch die Entwicklung der Neuzeit<lb/> in die Lage gebracht worden wären, „der Allgemeinheit Dienste zu leisten," für die<lb/> ihre eignen wirtschaftlichen Kräfte nie ausgereicht hätte» und nie ausreichen würden.<lb/> Schon das ist in gewissem Sinne ganz richtig, nur sollte Herr von Siemers selbst<lb/> und seinesgleichen es sich Wohl etwas mehr angelegen sein lassen, den an sich berech¬<lb/> tigten moralischen Widerwillen gegen den Börsenschwindel auch an der Börse und der<lb/> Moral auch im Geschäft mehr Geltung zu verschaffen; gerade wenn der nützliche Handel<lb/> dieselben Formen, die dem Schwindler dienen, nicht entbehren kann. Bis jetzt sind<lb/> die Grenzen zwischen Moral und Unmoral im Geschäft an der Börse denn doch<lb/> etwas stark verwischt gehalten worden, und das Nein sist ist immer noch Trumpf.<lb/> Wer ihn nicht ausspielt, gilt als „Schafskopf," und wer ihn unmoralisch benutzt<lb/> uur dann als „Schwindler," wenn er so „dumm" war, Schaden dabei zu haben.<lb/> Diese ausgesprochne Konsequenz der Manchestermoral energisch zu bekämpfen würde<lb/> für Leute wie Siemers sicher eine sehr verdienstliche Aufgabe sein, schon weil sie<lb/> damit der unvernünftigen Hetze gegen die Börse und das von ihr vertretne mobile<lb/> Kapital am allerwirksamsten die Spitze abbrechen würden. In der Börsenpraxis<lb/> ist von ihrem darauf gerichteten Streben noch nichts zu spüren, da sind sie die<lb/> alten, strammen Prinzipienreiter des I^isssr-icllor.</p><lb/> <p xml:id="ID_773" next="#ID_774"> Der genannte, sehr verdiente Wcltfinanzmnnn sagt dann weiter, die in dem<lb/> Streite zur Entscheidung stehende Prinzipielle Frage sei die, ob die Vermehrung<lb/> des mobilen Vermögens in seinem Verhältnis zum immobilem Vermögen einen<lb/> Fortschritt oder dessen Gegenteil darstelle. In Deutschland schätze man gegenwärtig<lb/> das immobile Vermögen ans drei Fünftel, das mobile auf zwei Fünftel des Gescunt-<lb/> vermögens der Nation. Das mobile Vermögen habe den Vorzug der größern Teil¬<lb/> barkeit und der leichtern Konzentration, es sei leichter erlangbar und leichter ver¬<lb/> lierbar, es Sporne zu größerer Thätigkeit an und könne ein wertvoller Kulturträger<lb/> werden, und vor allem: „ohne genügenden Vorrat an mobilem Kapital ist eine<lb/> expansive Weltpolitik unmöglich." Darin hat der Herr ganz entschieden Recht, und<lb/> darin wirft er seiue kaum vou einem in Deutschland zu übertreffende sachver¬<lb/> ständige Urteilsfähigkeit so sehr mit Recht in die Wagschale, daß seine politische<lb/> Pnrteistellung gar nichts daran ändern kann. Auch wenn er es sich z. B. nicht<lb/> versagen kann, zum Schluß zu bemerken, es handle sich auch auf diesem Gebiet<lb/> „um den alten Gegensatz zwischen gefesselten und freiem Willen, zwischen Vormund-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0216]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Konzentration, sondern seine angemessene Pflege, Förderung und Erziehung bei uns
heute die richtige Politik ist, der ohne Gefährdung unsrer nationalen Machtstellung
und Existenz nicht mehr zuwider gehandelt werden darf.
Wir begrüßen es deshalb mit großer Freude, daß in den sonst recht öden
Spalten der früher orthodox manchesterlichen, jetzt einer krankhaften Mauserung im
Interesse der Buudesbrüderschaft mit der „gemauserten Sozialdemokratie" verfallnen
Wochenschrift: „Die Nation" Dr. Georg von Siemers, der Leiter der Deutschen
Bank, in einem „Die nationale Bedeutung der Börse" überschriebnen Aufsatz in
überzeugender Weise auf den Schaden hinweist, den die gegen die Börse als „eine
der prägnantesten Vertretungsformen des mobilen Kapitals" seit langer Zeit unaus¬
gesetzt ausgeübten, leider nur zu erfolgreichen, übermäßigen, gehässigen und ver¬
ständnislosen Anfeindungen unsrer Fähigkeit zur Weltpolitik zugefügt haben und
weiter zuzufügen drohen.
Dr. von Siemers sagt selbst, daß die Gegner der Börse ihren Erfolg der ge¬
schickten Benutzung des „an sich berechtigten moralischen Widerwillens gegen den
Börsenschwindcl" verdanken. Daß der nützliche Handel die „gleichen Formen" nicht
entbehren könne, sei ihnen gleichgiltig. Es erscheine ihnen im Interesse der Auf¬
rechterhaltung ihres politischen und sozialen Einflusses unerwünscht, daß Klassen, die
bisher unter ihrer Vorherrschaft gestanden hätten, durch die Entwicklung der Neuzeit
in die Lage gebracht worden wären, „der Allgemeinheit Dienste zu leisten," für die
ihre eignen wirtschaftlichen Kräfte nie ausgereicht hätte» und nie ausreichen würden.
Schon das ist in gewissem Sinne ganz richtig, nur sollte Herr von Siemers selbst
und seinesgleichen es sich Wohl etwas mehr angelegen sein lassen, den an sich berech¬
tigten moralischen Widerwillen gegen den Börsenschwindel auch an der Börse und der
Moral auch im Geschäft mehr Geltung zu verschaffen; gerade wenn der nützliche Handel
dieselben Formen, die dem Schwindler dienen, nicht entbehren kann. Bis jetzt sind
die Grenzen zwischen Moral und Unmoral im Geschäft an der Börse denn doch
etwas stark verwischt gehalten worden, und das Nein sist ist immer noch Trumpf.
Wer ihn nicht ausspielt, gilt als „Schafskopf," und wer ihn unmoralisch benutzt
uur dann als „Schwindler," wenn er so „dumm" war, Schaden dabei zu haben.
Diese ausgesprochne Konsequenz der Manchestermoral energisch zu bekämpfen würde
für Leute wie Siemers sicher eine sehr verdienstliche Aufgabe sein, schon weil sie
damit der unvernünftigen Hetze gegen die Börse und das von ihr vertretne mobile
Kapital am allerwirksamsten die Spitze abbrechen würden. In der Börsenpraxis
ist von ihrem darauf gerichteten Streben noch nichts zu spüren, da sind sie die
alten, strammen Prinzipienreiter des I^isssr-icllor.
Der genannte, sehr verdiente Wcltfinanzmnnn sagt dann weiter, die in dem
Streite zur Entscheidung stehende Prinzipielle Frage sei die, ob die Vermehrung
des mobilen Vermögens in seinem Verhältnis zum immobilem Vermögen einen
Fortschritt oder dessen Gegenteil darstelle. In Deutschland schätze man gegenwärtig
das immobile Vermögen ans drei Fünftel, das mobile auf zwei Fünftel des Gescunt-
vermögens der Nation. Das mobile Vermögen habe den Vorzug der größern Teil¬
barkeit und der leichtern Konzentration, es sei leichter erlangbar und leichter ver¬
lierbar, es Sporne zu größerer Thätigkeit an und könne ein wertvoller Kulturträger
werden, und vor allem: „ohne genügenden Vorrat an mobilem Kapital ist eine
expansive Weltpolitik unmöglich." Darin hat der Herr ganz entschieden Recht, und
darin wirft er seiue kaum vou einem in Deutschland zu übertreffende sachver¬
ständige Urteilsfähigkeit so sehr mit Recht in die Wagschale, daß seine politische
Pnrteistellung gar nichts daran ändern kann. Auch wenn er es sich z. B. nicht
versagen kann, zum Schluß zu bemerken, es handle sich auch auf diesem Gebiet
„um den alten Gegensatz zwischen gefesselten und freiem Willen, zwischen Vormund-
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