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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident

aber mögen ihn in der letzten Zeit sauer genug angekommen sein, da eines¬
teils seine Stimme die Kraft verloren hatte -- er sprach auch für einen Mann
seines Alters ungewöhnlich leise und unverständlich --, andernteils sein Gehör
mehr und mehr nachließ.

Immerhin mag es in diesen Sitzungen des Staatsministeriums dann und
wann auch unter Hvhenlohes Vorsitz lebhaft genng hergegangen sein. Wir
wollen nur an einen Fall erinnern, den Abgang des Herrn von Köller. In
dieser Angelegenheit stand, wie damals glaubhaft versichert wurde, die ganze,
Wohl überlegte, planvolle und mannhafte Aktion des Staatsnnnisteriums unter
der Führung des Fürsten Hohenlohe, der mit dem ganzen Ministerium Amt
und Person für seine Auffassung eingesetzt haben soll.

Was Graf Bülow dem Kaiser und dem Reiche auf dem Gebiete der aus¬
wärtigen Politik leistet, ist bekannt. Seit Bismarck haben wir eine so glückliche,
leichte und sichre Hand in unsrer diplomatischen Aktion niemals gehabt. Das
erkennen Deutschland und die Welt an. Unsre Nörgler, Klugsprecher und Besser¬
wisser hatten für den Fall, daß Hohenlohe gehn würde, ein angebliches
Programm des Kaisers fertig, das uuter dein Siegel des Geheimnisses jedem
zugeflüstert wurde, der es hören wollte. In diesem Programm spielten
natürlich verwandtschaftliche Beziehungen und Geldzuwendnngen eine Rolle,
um die Leute mit den angeblichen Willkür! ich teilen des Kaisers bnuge zu
machen und zu verhetzen. Das Ganze war eine mit hundsföttischer Gemein¬
heit erfundne Verleumdung des Kaisers. Im Publikum bleibt aber von solchen
Gerüchten immer etwas hängen. Deshalb ging ein Aufatmen und ein warmer
Ton herzlicher Freude durch das Land, als am 17. Oktober d. I. die Depesche
bekannt wurde, wonach Graf Bülow zum Reichskanzler und Ministerpräsidenten
ernannt worden war. Gewiß wird dieser sich in der Leitung der innern
Politik im Reiche und in Preußen erst noch zu bewähren haben. Er ist gleich
von vornherein vor zwei kolossal schwierige Aufgaben gestellt, vor die Erneue¬
rung der Handelsverträge und vor die geschickte Behandlung der Kannlfrage.
Aber nach allem, was er bisher geleistet hat, darf man mit dem Kaiser die
"Ule Zuversicht hegen, daß er sich zur gegebnen Zeit für uns als der rechte
Manu an der rechten Stelle erweisen wird. Den Philistern, die anch heute
noch unsers Kaisers Welt- und Flottenpolitik nicht begriffen haben, ist nicht
zu helfen. Uns aber würde noch welliger zu helfen sein, wenn unsre Politik
von Männern dieser Art geleitet würde. Graf Bülow ist noch verhältnis¬
mäßig jung an einen exponierten Platz gestellt worden, zur Zeit vielleicht den
exponiertesten, gefährlichsten und schwersten in der Welt. Aber die große
Mehrheit des deutschen Volks ist zu ihm guter Zuversicht. Gott helfe ihm!
^orsiw se dg.6o olim lliönimisse suvllbit.




Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident

aber mögen ihn in der letzten Zeit sauer genug angekommen sein, da eines¬
teils seine Stimme die Kraft verloren hatte — er sprach auch für einen Mann
seines Alters ungewöhnlich leise und unverständlich —, andernteils sein Gehör
mehr und mehr nachließ.

Immerhin mag es in diesen Sitzungen des Staatsministeriums dann und
wann auch unter Hvhenlohes Vorsitz lebhaft genng hergegangen sein. Wir
wollen nur an einen Fall erinnern, den Abgang des Herrn von Köller. In
dieser Angelegenheit stand, wie damals glaubhaft versichert wurde, die ganze,
Wohl überlegte, planvolle und mannhafte Aktion des Staatsnnnisteriums unter
der Führung des Fürsten Hohenlohe, der mit dem ganzen Ministerium Amt
und Person für seine Auffassung eingesetzt haben soll.

Was Graf Bülow dem Kaiser und dem Reiche auf dem Gebiete der aus¬
wärtigen Politik leistet, ist bekannt. Seit Bismarck haben wir eine so glückliche,
leichte und sichre Hand in unsrer diplomatischen Aktion niemals gehabt. Das
erkennen Deutschland und die Welt an. Unsre Nörgler, Klugsprecher und Besser¬
wisser hatten für den Fall, daß Hohenlohe gehn würde, ein angebliches
Programm des Kaisers fertig, das uuter dein Siegel des Geheimnisses jedem
zugeflüstert wurde, der es hören wollte. In diesem Programm spielten
natürlich verwandtschaftliche Beziehungen und Geldzuwendnngen eine Rolle,
um die Leute mit den angeblichen Willkür! ich teilen des Kaisers bnuge zu
machen und zu verhetzen. Das Ganze war eine mit hundsföttischer Gemein¬
heit erfundne Verleumdung des Kaisers. Im Publikum bleibt aber von solchen
Gerüchten immer etwas hängen. Deshalb ging ein Aufatmen und ein warmer
Ton herzlicher Freude durch das Land, als am 17. Oktober d. I. die Depesche
bekannt wurde, wonach Graf Bülow zum Reichskanzler und Ministerpräsidenten
ernannt worden war. Gewiß wird dieser sich in der Leitung der innern
Politik im Reiche und in Preußen erst noch zu bewähren haben. Er ist gleich
von vornherein vor zwei kolossal schwierige Aufgaben gestellt, vor die Erneue¬
rung der Handelsverträge und vor die geschickte Behandlung der Kannlfrage.
Aber nach allem, was er bisher geleistet hat, darf man mit dem Kaiser die
»Ule Zuversicht hegen, daß er sich zur gegebnen Zeit für uns als der rechte
Manu an der rechten Stelle erweisen wird. Den Philistern, die anch heute
noch unsers Kaisers Welt- und Flottenpolitik nicht begriffen haben, ist nicht
zu helfen. Uns aber würde noch welliger zu helfen sein, wenn unsre Politik
von Männern dieser Art geleitet würde. Graf Bülow ist noch verhältnis¬
mäßig jung an einen exponierten Platz gestellt worden, zur Zeit vielleicht den
exponiertesten, gefährlichsten und schwersten in der Welt. Aber die große
Mehrheit des deutschen Volks ist zu ihm guter Zuversicht. Gott helfe ihm!
^orsiw se dg.6o olim lliönimisse suvllbit.




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[0239] Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident aber mögen ihn in der letzten Zeit sauer genug angekommen sein, da eines¬ teils seine Stimme die Kraft verloren hatte — er sprach auch für einen Mann seines Alters ungewöhnlich leise und unverständlich —, andernteils sein Gehör mehr und mehr nachließ. Immerhin mag es in diesen Sitzungen des Staatsministeriums dann und wann auch unter Hvhenlohes Vorsitz lebhaft genng hergegangen sein. Wir wollen nur an einen Fall erinnern, den Abgang des Herrn von Köller. In dieser Angelegenheit stand, wie damals glaubhaft versichert wurde, die ganze, Wohl überlegte, planvolle und mannhafte Aktion des Staatsnnnisteriums unter der Führung des Fürsten Hohenlohe, der mit dem ganzen Ministerium Amt und Person für seine Auffassung eingesetzt haben soll. Was Graf Bülow dem Kaiser und dem Reiche auf dem Gebiete der aus¬ wärtigen Politik leistet, ist bekannt. Seit Bismarck haben wir eine so glückliche, leichte und sichre Hand in unsrer diplomatischen Aktion niemals gehabt. Das erkennen Deutschland und die Welt an. Unsre Nörgler, Klugsprecher und Besser¬ wisser hatten für den Fall, daß Hohenlohe gehn würde, ein angebliches Programm des Kaisers fertig, das uuter dein Siegel des Geheimnisses jedem zugeflüstert wurde, der es hören wollte. In diesem Programm spielten natürlich verwandtschaftliche Beziehungen und Geldzuwendnngen eine Rolle, um die Leute mit den angeblichen Willkür! ich teilen des Kaisers bnuge zu machen und zu verhetzen. Das Ganze war eine mit hundsföttischer Gemein¬ heit erfundne Verleumdung des Kaisers. Im Publikum bleibt aber von solchen Gerüchten immer etwas hängen. Deshalb ging ein Aufatmen und ein warmer Ton herzlicher Freude durch das Land, als am 17. Oktober d. I. die Depesche bekannt wurde, wonach Graf Bülow zum Reichskanzler und Ministerpräsidenten ernannt worden war. Gewiß wird dieser sich in der Leitung der innern Politik im Reiche und in Preußen erst noch zu bewähren haben. Er ist gleich von vornherein vor zwei kolossal schwierige Aufgaben gestellt, vor die Erneue¬ rung der Handelsverträge und vor die geschickte Behandlung der Kannlfrage. Aber nach allem, was er bisher geleistet hat, darf man mit dem Kaiser die »Ule Zuversicht hegen, daß er sich zur gegebnen Zeit für uns als der rechte Manu an der rechten Stelle erweisen wird. Den Philistern, die anch heute noch unsers Kaisers Welt- und Flottenpolitik nicht begriffen haben, ist nicht zu helfen. Uns aber würde noch welliger zu helfen sein, wenn unsre Politik von Männern dieser Art geleitet würde. Graf Bülow ist noch verhältnis¬ mäßig jung an einen exponierten Platz gestellt worden, zur Zeit vielleicht den exponiertesten, gefährlichsten und schwersten in der Welt. Aber die große Mehrheit des deutschen Volks ist zu ihm guter Zuversicht. Gott helfe ihm! ^orsiw se dg.6o olim lliönimisse suvllbit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/239>, abgerufen am 16.06.2024.