Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die großen Runstansstellimgen in Berlin

der wir grundsätzlich keineswegs ihre Berechtigung versagen wollen, mit der
Ausschmückung von Räumen in Privathäusern begnügen, und es fehlt ihr auch
nicht an Mäcenen, die ihr diese Räume zur Verfügung stellen. Der begabteste
unter ihren Vertretern ist unzweifelhaft Lutung von Hofmann, der sich all-
mühlich aus einem Farbentaumel, der sich aufangs etwas wüst gebnrdete, zu
einer Läuterung seines Farbensinns und seines Geschmacks emporgearbeitet hat
und auch gegen die formale Durchbildung seiner Figuren in Zeichnung und
Modellierung nicht mehr die gründliche Verachtung hegt, die seine Arbeiten lauge
Zeit für jeden unerträglich gemacht hat, der auch von einer dekorativen Malerei
mehr verlangte als ein formloses und gedankenleeres Schwelgen in Farben.
Die Ausstellung der Berliner Sezession führte eine Reihe von Bildern Ludwig
von Hofmanns vor, die, zum Teil wohl der ältern Periode seiner Entwicklung
angehörig, eine günstige Vorstellung von seinem reich ausgebildeten Farben-
sinn, nicht aber von seinem jetzt größer gewordnen Respekt vor der menschlichen
Körperform gaben. Eine Ausnahme machte eine Eva, die sich, von Licht um-
flossen, noch in der paradiesischen Landschaft ihres Lebens freut. Das deko¬
rative Ideal des Künstlers scheint darin zu gipfeln, daß er das Höchste erreicht
zu haben glaubt, wenn er mit seinen Bildern die Wirkung von alten Wand¬
teppichen (Gobelins) erzielt, aber in der Farbenpracht, die sie ursprünglich
gehabt haben, nicht in dem verblaßten und verstaubten Zustande, worin wohl
die meisten der alten Wandteppiche auf uns gekommen sind. Oder hatten sie
von vornherein die gedämpften Farben, in denen sie uns heute erscheinen?
Ist vielleicht in der Anwendung einer matten Tönung das feine und sichere
Stilgefühl der Alten zu erkennen, die einen Unterschied zwischen dein gewebten
und dem gemalten Bilde haben wollten? Diese Frage bedarf noch der Auf¬
klärung. Jedenfalls ist das Streben der modernen Künstler darauf gerichtet,
mit ihren dekorativen Malereien eine teppichartige Wirkung hervorzurufen,
zugleich aber eine Farbenpracht zu entwickeln, die mit der der orientalischen
Teppiche wetteifert. Diese kommen mit ihrem rein ornamentalen Charakter
auch ihrem Ideal viel näher als die alten Gobelins mit ihren heroischen,
historischen, idyllischen und Genredarstellungen und Landschaften, und Ludwig
bon Hofmann hat dieser Anschauung auch dadurch Ausdruck gegeben, daß er
einem seiner Bilder den Titel "Ornamentale Landschaft" gegeben hat. Figuren
und Landschaft sollen also nur rein ornamental wirken, und danach würde das
Gegenständliche, d.h. Figuren, die dnrch ihr Zusammensein etwas bedeuten,
w dem Beschauer eine bestimmte, in Worten auszudrückende Vorstellung er¬
wecken sollen, in dieser Art von dekorativer Malerei keinen Platz haben.

Gnuz und gar steht Ludwig von Hofmann auf diesem Standpunkt nichts¬
sagender Malerei übrigens nicht mehr. Er mag doch eingesehen haben, daß
die Farbe allein nicht die genügende Symbolik hat, daß sich der Künstler dnrch
sie allein auch dem Volke verständlich macheu könnte. Und auf das Volk muß
auch die moderne deutsche Kunst spekulieren, da sie von den "obern Zehn¬
tausend," denen die Kunsthändler auch noch mit der ausländischen Masseneinfuhr


Die großen Runstansstellimgen in Berlin

der wir grundsätzlich keineswegs ihre Berechtigung versagen wollen, mit der
Ausschmückung von Räumen in Privathäusern begnügen, und es fehlt ihr auch
nicht an Mäcenen, die ihr diese Räume zur Verfügung stellen. Der begabteste
unter ihren Vertretern ist unzweifelhaft Lutung von Hofmann, der sich all-
mühlich aus einem Farbentaumel, der sich aufangs etwas wüst gebnrdete, zu
einer Läuterung seines Farbensinns und seines Geschmacks emporgearbeitet hat
und auch gegen die formale Durchbildung seiner Figuren in Zeichnung und
Modellierung nicht mehr die gründliche Verachtung hegt, die seine Arbeiten lauge
Zeit für jeden unerträglich gemacht hat, der auch von einer dekorativen Malerei
mehr verlangte als ein formloses und gedankenleeres Schwelgen in Farben.
Die Ausstellung der Berliner Sezession führte eine Reihe von Bildern Ludwig
von Hofmanns vor, die, zum Teil wohl der ältern Periode seiner Entwicklung
angehörig, eine günstige Vorstellung von seinem reich ausgebildeten Farben-
sinn, nicht aber von seinem jetzt größer gewordnen Respekt vor der menschlichen
Körperform gaben. Eine Ausnahme machte eine Eva, die sich, von Licht um-
flossen, noch in der paradiesischen Landschaft ihres Lebens freut. Das deko¬
rative Ideal des Künstlers scheint darin zu gipfeln, daß er das Höchste erreicht
zu haben glaubt, wenn er mit seinen Bildern die Wirkung von alten Wand¬
teppichen (Gobelins) erzielt, aber in der Farbenpracht, die sie ursprünglich
gehabt haben, nicht in dem verblaßten und verstaubten Zustande, worin wohl
die meisten der alten Wandteppiche auf uns gekommen sind. Oder hatten sie
von vornherein die gedämpften Farben, in denen sie uns heute erscheinen?
Ist vielleicht in der Anwendung einer matten Tönung das feine und sichere
Stilgefühl der Alten zu erkennen, die einen Unterschied zwischen dein gewebten
und dem gemalten Bilde haben wollten? Diese Frage bedarf noch der Auf¬
klärung. Jedenfalls ist das Streben der modernen Künstler darauf gerichtet,
mit ihren dekorativen Malereien eine teppichartige Wirkung hervorzurufen,
zugleich aber eine Farbenpracht zu entwickeln, die mit der der orientalischen
Teppiche wetteifert. Diese kommen mit ihrem rein ornamentalen Charakter
auch ihrem Ideal viel näher als die alten Gobelins mit ihren heroischen,
historischen, idyllischen und Genredarstellungen und Landschaften, und Ludwig
bon Hofmann hat dieser Anschauung auch dadurch Ausdruck gegeben, daß er
einem seiner Bilder den Titel „Ornamentale Landschaft" gegeben hat. Figuren
und Landschaft sollen also nur rein ornamental wirken, und danach würde das
Gegenständliche, d.h. Figuren, die dnrch ihr Zusammensein etwas bedeuten,
w dem Beschauer eine bestimmte, in Worten auszudrückende Vorstellung er¬
wecken sollen, in dieser Art von dekorativer Malerei keinen Platz haben.

Gnuz und gar steht Ludwig von Hofmann auf diesem Standpunkt nichts¬
sagender Malerei übrigens nicht mehr. Er mag doch eingesehen haben, daß
die Farbe allein nicht die genügende Symbolik hat, daß sich der Künstler dnrch
sie allein auch dem Volke verständlich macheu könnte. Und auf das Volk muß
auch die moderne deutsche Kunst spekulieren, da sie von den „obern Zehn¬
tausend," denen die Kunsthändler auch noch mit der ausländischen Masseneinfuhr


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291384"/>
          <fw type="header" place="top"> Die großen Runstansstellimgen in Berlin</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1029" prev="#ID_1028"> der wir grundsätzlich keineswegs ihre Berechtigung versagen wollen, mit der<lb/>
Ausschmückung von Räumen in Privathäusern begnügen, und es fehlt ihr auch<lb/>
nicht an Mäcenen, die ihr diese Räume zur Verfügung stellen. Der begabteste<lb/>
unter ihren Vertretern ist unzweifelhaft Lutung von Hofmann, der sich all-<lb/>
mühlich aus einem Farbentaumel, der sich aufangs etwas wüst gebnrdete, zu<lb/>
einer Läuterung seines Farbensinns und seines Geschmacks emporgearbeitet hat<lb/>
und auch gegen die formale Durchbildung seiner Figuren in Zeichnung und<lb/>
Modellierung nicht mehr die gründliche Verachtung hegt, die seine Arbeiten lauge<lb/>
Zeit für jeden unerträglich gemacht hat, der auch von einer dekorativen Malerei<lb/>
mehr verlangte als ein formloses und gedankenleeres Schwelgen in Farben.<lb/>
Die Ausstellung der Berliner Sezession führte eine Reihe von Bildern Ludwig<lb/>
von Hofmanns vor, die, zum Teil wohl der ältern Periode seiner Entwicklung<lb/>
angehörig, eine günstige Vorstellung von seinem reich ausgebildeten Farben-<lb/>
sinn, nicht aber von seinem jetzt größer gewordnen Respekt vor der menschlichen<lb/>
Körperform gaben. Eine Ausnahme machte eine Eva, die sich, von Licht um-<lb/>
flossen, noch in der paradiesischen Landschaft ihres Lebens freut. Das deko¬<lb/>
rative Ideal des Künstlers scheint darin zu gipfeln, daß er das Höchste erreicht<lb/>
zu haben glaubt, wenn er mit seinen Bildern die Wirkung von alten Wand¬<lb/>
teppichen (Gobelins) erzielt, aber in der Farbenpracht, die sie ursprünglich<lb/>
gehabt haben, nicht in dem verblaßten und verstaubten Zustande, worin wohl<lb/>
die meisten der alten Wandteppiche auf uns gekommen sind. Oder hatten sie<lb/>
von vornherein die gedämpften Farben, in denen sie uns heute erscheinen?<lb/>
Ist vielleicht in der Anwendung einer matten Tönung das feine und sichere<lb/>
Stilgefühl der Alten zu erkennen, die einen Unterschied zwischen dein gewebten<lb/>
und dem gemalten Bilde haben wollten? Diese Frage bedarf noch der Auf¬<lb/>
klärung. Jedenfalls ist das Streben der modernen Künstler darauf gerichtet,<lb/>
mit ihren dekorativen Malereien eine teppichartige Wirkung hervorzurufen,<lb/>
zugleich aber eine Farbenpracht zu entwickeln, die mit der der orientalischen<lb/>
Teppiche wetteifert. Diese kommen mit ihrem rein ornamentalen Charakter<lb/>
auch ihrem Ideal viel näher als die alten Gobelins mit ihren heroischen,<lb/>
historischen, idyllischen und Genredarstellungen und Landschaften, und Ludwig<lb/>
bon Hofmann hat dieser Anschauung auch dadurch Ausdruck gegeben, daß er<lb/>
einem seiner Bilder den Titel &#x201E;Ornamentale Landschaft" gegeben hat. Figuren<lb/>
und Landschaft sollen also nur rein ornamental wirken, und danach würde das<lb/>
Gegenständliche, d.h. Figuren, die dnrch ihr Zusammensein etwas bedeuten,<lb/>
w dem Beschauer eine bestimmte, in Worten auszudrückende Vorstellung er¬<lb/>
wecken sollen, in dieser Art von dekorativer Malerei keinen Platz haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1030" next="#ID_1031"> Gnuz und gar steht Ludwig von Hofmann auf diesem Standpunkt nichts¬<lb/>
sagender Malerei übrigens nicht mehr. Er mag doch eingesehen haben, daß<lb/>
die Farbe allein nicht die genügende Symbolik hat, daß sich der Künstler dnrch<lb/>
sie allein auch dem Volke verständlich macheu könnte. Und auf das Volk muß<lb/>
auch die moderne deutsche Kunst spekulieren, da sie von den &#x201E;obern Zehn¬<lb/>
tausend," denen die Kunsthändler auch noch mit der ausländischen Masseneinfuhr</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0307] Die großen Runstansstellimgen in Berlin der wir grundsätzlich keineswegs ihre Berechtigung versagen wollen, mit der Ausschmückung von Räumen in Privathäusern begnügen, und es fehlt ihr auch nicht an Mäcenen, die ihr diese Räume zur Verfügung stellen. Der begabteste unter ihren Vertretern ist unzweifelhaft Lutung von Hofmann, der sich all- mühlich aus einem Farbentaumel, der sich aufangs etwas wüst gebnrdete, zu einer Läuterung seines Farbensinns und seines Geschmacks emporgearbeitet hat und auch gegen die formale Durchbildung seiner Figuren in Zeichnung und Modellierung nicht mehr die gründliche Verachtung hegt, die seine Arbeiten lauge Zeit für jeden unerträglich gemacht hat, der auch von einer dekorativen Malerei mehr verlangte als ein formloses und gedankenleeres Schwelgen in Farben. Die Ausstellung der Berliner Sezession führte eine Reihe von Bildern Ludwig von Hofmanns vor, die, zum Teil wohl der ältern Periode seiner Entwicklung angehörig, eine günstige Vorstellung von seinem reich ausgebildeten Farben- sinn, nicht aber von seinem jetzt größer gewordnen Respekt vor der menschlichen Körperform gaben. Eine Ausnahme machte eine Eva, die sich, von Licht um- flossen, noch in der paradiesischen Landschaft ihres Lebens freut. Das deko¬ rative Ideal des Künstlers scheint darin zu gipfeln, daß er das Höchste erreicht zu haben glaubt, wenn er mit seinen Bildern die Wirkung von alten Wand¬ teppichen (Gobelins) erzielt, aber in der Farbenpracht, die sie ursprünglich gehabt haben, nicht in dem verblaßten und verstaubten Zustande, worin wohl die meisten der alten Wandteppiche auf uns gekommen sind. Oder hatten sie von vornherein die gedämpften Farben, in denen sie uns heute erscheinen? Ist vielleicht in der Anwendung einer matten Tönung das feine und sichere Stilgefühl der Alten zu erkennen, die einen Unterschied zwischen dein gewebten und dem gemalten Bilde haben wollten? Diese Frage bedarf noch der Auf¬ klärung. Jedenfalls ist das Streben der modernen Künstler darauf gerichtet, mit ihren dekorativen Malereien eine teppichartige Wirkung hervorzurufen, zugleich aber eine Farbenpracht zu entwickeln, die mit der der orientalischen Teppiche wetteifert. Diese kommen mit ihrem rein ornamentalen Charakter auch ihrem Ideal viel näher als die alten Gobelins mit ihren heroischen, historischen, idyllischen und Genredarstellungen und Landschaften, und Ludwig bon Hofmann hat dieser Anschauung auch dadurch Ausdruck gegeben, daß er einem seiner Bilder den Titel „Ornamentale Landschaft" gegeben hat. Figuren und Landschaft sollen also nur rein ornamental wirken, und danach würde das Gegenständliche, d.h. Figuren, die dnrch ihr Zusammensein etwas bedeuten, w dem Beschauer eine bestimmte, in Worten auszudrückende Vorstellung er¬ wecken sollen, in dieser Art von dekorativer Malerei keinen Platz haben. Gnuz und gar steht Ludwig von Hofmann auf diesem Standpunkt nichts¬ sagender Malerei übrigens nicht mehr. Er mag doch eingesehen haben, daß die Farbe allein nicht die genügende Symbolik hat, daß sich der Künstler dnrch sie allein auch dem Volke verständlich macheu könnte. Und auf das Volk muß auch die moderne deutsche Kunst spekulieren, da sie von den „obern Zehn¬ tausend," denen die Kunsthändler auch noch mit der ausländischen Masseneinfuhr

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/307
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/307>, abgerufen am 16.06.2024.