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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Die großen Runstausstellnngen in Berlin

vertreten war, hat bisher für die vielgepriesenen Vorteile dieser Darstellungs¬
weise noch kein Verständnis gezeigt. Er war einer der ersten unter den
deutschen Malern, die den Spuren der Franzosen nachgegangen sind, der sich
mit der Wiedergabe der komplizierteste" natürlichen und künstlichen Lichtwir¬
kungen durch die Mittel der Malerei abmühten, und es ist ihm anch gelungen,
in seinen Strnßenbildern aus Paris, Berlin und andern Großstädten bei
Tageslicht, Wenddämmeruug und nächtlichem Dunkel den besten Franzosen
gleichzukommen. Damit war, wie es scheint, das Ziel seines Ehrgeizes er¬
reicht. Vor der Nachäffung ausländischer Marotten hat er sich gehütet, und
einige seiner neusten Arbeiten, ein paar Architekturbilder aus Berlin und der
Mark und eine höchst sorgfältig in der energischen Art seines frühern Vor¬
bildes Menzel durchgeführte Kreidezeichnung, zwei Grenadiere aus der fride-
ncianischen Zeit auf Schildwache, lassen sogar darauf schließen, daß der Künstler
<>er Beschäftigung mit rein koloristischen Problemen müde geworden ist, und
daß er dem Gegenständlichen in seinen Bildern wieder mehr Raum gewähren
will. Auch darin mag man ein Anzeichen dafür erkennen, daß der französische
Einfluß, der in den achtziger und neunziger Jahren unsrer deutschen Kunst
fast verhängnisvoll zu werden drohte, wieder im Schwinden begriffen ist,
zumal da Skarbina unter seinen sezessionistischen Kunstgenossen nicht vereinzelt
dasteht.

Es soll uicht geleugnet werden, daß die "Anekdotenmalerei," d. h. die
möglichst breite Erzählung einer rührenden oder lustigen Geschichte das rein
künstlerische Interesse an einem Bilde in der deutschen Malerei allmählich so
stark in den Hintergrund gedrängt hatte, daß eine kräftige Gegenbewegung un¬
ausbleiblich war. Sie ist freilich insoweit über das Ziel hinausgeschossen, als
sie mit einem fast allgemeinen Kehraus endigte, und ihr zuletzt nichts weiter
übrig blieb als das rein Malerische. Nachdem dieses aber nach allen Rich¬
tungen hin gründlich ausgeprobt war, begann sich doch wieder die echt deutsche
Sehnsucht nach den: Inhalt eines Kunstwerks einzustellen. Sie macht sich
jetzt noch erst in den wunderlichsten Sprüngen bemerkbar; daß sie aber rege
geworden ist, ist eine der wenigen erfreulichen Beobachtungen, die wir in
der Ausstellung der Berliner Sezessionisten gemacht haben, die jn wohl zu¬
sammen mit ihren Münchner Gesinnungsgenossen als die "Wettermacher" in
der deutschen Kunst angesehen werden.




Die großen Runstausstellnngen in Berlin

vertreten war, hat bisher für die vielgepriesenen Vorteile dieser Darstellungs¬
weise noch kein Verständnis gezeigt. Er war einer der ersten unter den
deutschen Malern, die den Spuren der Franzosen nachgegangen sind, der sich
mit der Wiedergabe der komplizierteste» natürlichen und künstlichen Lichtwir¬
kungen durch die Mittel der Malerei abmühten, und es ist ihm anch gelungen,
in seinen Strnßenbildern aus Paris, Berlin und andern Großstädten bei
Tageslicht, Wenddämmeruug und nächtlichem Dunkel den besten Franzosen
gleichzukommen. Damit war, wie es scheint, das Ziel seines Ehrgeizes er¬
reicht. Vor der Nachäffung ausländischer Marotten hat er sich gehütet, und
einige seiner neusten Arbeiten, ein paar Architekturbilder aus Berlin und der
Mark und eine höchst sorgfältig in der energischen Art seines frühern Vor¬
bildes Menzel durchgeführte Kreidezeichnung, zwei Grenadiere aus der fride-
ncianischen Zeit auf Schildwache, lassen sogar darauf schließen, daß der Künstler
<>er Beschäftigung mit rein koloristischen Problemen müde geworden ist, und
daß er dem Gegenständlichen in seinen Bildern wieder mehr Raum gewähren
will. Auch darin mag man ein Anzeichen dafür erkennen, daß der französische
Einfluß, der in den achtziger und neunziger Jahren unsrer deutschen Kunst
fast verhängnisvoll zu werden drohte, wieder im Schwinden begriffen ist,
zumal da Skarbina unter seinen sezessionistischen Kunstgenossen nicht vereinzelt
dasteht.

Es soll uicht geleugnet werden, daß die „Anekdotenmalerei," d. h. die
möglichst breite Erzählung einer rührenden oder lustigen Geschichte das rein
künstlerische Interesse an einem Bilde in der deutschen Malerei allmählich so
stark in den Hintergrund gedrängt hatte, daß eine kräftige Gegenbewegung un¬
ausbleiblich war. Sie ist freilich insoweit über das Ziel hinausgeschossen, als
sie mit einem fast allgemeinen Kehraus endigte, und ihr zuletzt nichts weiter
übrig blieb als das rein Malerische. Nachdem dieses aber nach allen Rich¬
tungen hin gründlich ausgeprobt war, begann sich doch wieder die echt deutsche
Sehnsucht nach den: Inhalt eines Kunstwerks einzustellen. Sie macht sich
jetzt noch erst in den wunderlichsten Sprüngen bemerkbar; daß sie aber rege
geworden ist, ist eine der wenigen erfreulichen Beobachtungen, die wir in
der Ausstellung der Berliner Sezessionisten gemacht haben, die jn wohl zu¬
sammen mit ihren Münchner Gesinnungsgenossen als die „Wettermacher" in
der deutschen Kunst angesehen werden.




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[0315] Die großen Runstausstellnngen in Berlin vertreten war, hat bisher für die vielgepriesenen Vorteile dieser Darstellungs¬ weise noch kein Verständnis gezeigt. Er war einer der ersten unter den deutschen Malern, die den Spuren der Franzosen nachgegangen sind, der sich mit der Wiedergabe der komplizierteste» natürlichen und künstlichen Lichtwir¬ kungen durch die Mittel der Malerei abmühten, und es ist ihm anch gelungen, in seinen Strnßenbildern aus Paris, Berlin und andern Großstädten bei Tageslicht, Wenddämmeruug und nächtlichem Dunkel den besten Franzosen gleichzukommen. Damit war, wie es scheint, das Ziel seines Ehrgeizes er¬ reicht. Vor der Nachäffung ausländischer Marotten hat er sich gehütet, und einige seiner neusten Arbeiten, ein paar Architekturbilder aus Berlin und der Mark und eine höchst sorgfältig in der energischen Art seines frühern Vor¬ bildes Menzel durchgeführte Kreidezeichnung, zwei Grenadiere aus der fride- ncianischen Zeit auf Schildwache, lassen sogar darauf schließen, daß der Künstler <>er Beschäftigung mit rein koloristischen Problemen müde geworden ist, und daß er dem Gegenständlichen in seinen Bildern wieder mehr Raum gewähren will. Auch darin mag man ein Anzeichen dafür erkennen, daß der französische Einfluß, der in den achtziger und neunziger Jahren unsrer deutschen Kunst fast verhängnisvoll zu werden drohte, wieder im Schwinden begriffen ist, zumal da Skarbina unter seinen sezessionistischen Kunstgenossen nicht vereinzelt dasteht. Es soll uicht geleugnet werden, daß die „Anekdotenmalerei," d. h. die möglichst breite Erzählung einer rührenden oder lustigen Geschichte das rein künstlerische Interesse an einem Bilde in der deutschen Malerei allmählich so stark in den Hintergrund gedrängt hatte, daß eine kräftige Gegenbewegung un¬ ausbleiblich war. Sie ist freilich insoweit über das Ziel hinausgeschossen, als sie mit einem fast allgemeinen Kehraus endigte, und ihr zuletzt nichts weiter übrig blieb als das rein Malerische. Nachdem dieses aber nach allen Rich¬ tungen hin gründlich ausgeprobt war, begann sich doch wieder die echt deutsche Sehnsucht nach den: Inhalt eines Kunstwerks einzustellen. Sie macht sich jetzt noch erst in den wunderlichsten Sprüngen bemerkbar; daß sie aber rege geworden ist, ist eine der wenigen erfreulichen Beobachtungen, die wir in der Ausstellung der Berliner Sezessionisten gemacht haben, die jn wohl zu¬ sammen mit ihren Münchner Gesinnungsgenossen als die „Wettermacher" in der deutschen Kunst angesehen werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/315>, abgerufen am 16.06.2024.