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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe

Feinde als die Mandschu können -- das haben die letzten Ereignisse wieder
gezeigt -- in einem von ihrem Druck befreiten China uns Europäern schwer¬
L. von der Brügge" lich erstehn.




Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe
L. Meier, Kapitän a. D. von

n der Hansa Ur. 17 dieses Jahres finde ich einen Artikel eines
Herrn 8, worin es heißt: "Die lange Zeit gut bewährte Methode,
unsre Seeleute zu Steuerleuten und Schiffsführern von der
Pieke an heranzubilden, hat sich überlebt. Gänzlich veränderte
Verhältnisse in der Seeschiffahrt haben auch veränderte An¬
forderungen an die in leitenden Stellen befindlichen Seeleute gestellt. Dem
Norddeutschen Lloyd gebührt das große Verdienst, die längst von vielen ein¬
sichtigen Seeleuten als richtig erkannte Maßregel, nämlich die Indienststellung
eines Ausbildungsinstituts für Seeleute der höhern Karriere, praktisch durch¬
geführt zu haben. Für diesen Schritt sind ihm alle Schiffsführer und Steuer¬
leute dankbar, denen thatsächlich etwas an der Hebung ihres Standes nach
sozialer Richtung hin gelegen ist. Wir sprechen diese Behauptung aus, wohl
wissend, daß es Personen giebt, die gleich uns die Schiffsoffiziere auf ein
höheres geistiges Niveau gestellt sehen möchten, aber die Errichtung eines
Instituts, das diesen Wunsch zu erfüllen verspricht, deshalb verurteilen, weil
angeblich die Erziehungsanstalt ihren Eigentümern ein Vorn fließender Geld¬
quellen sein soll. Verhindert die Reederei, sich durch das Schulschiff einen
Stamm tüchtiger Schiffsoffiziere heranziehn zu wollen, so entgegnet man
(ohne zu bedenken, daß englische und französische Schiffs offiziere längst eine
andre praktische Ausbildung wie englische und französische Matrosen genießen):
"Durch diese Einrichtung wollt ihr nur billige Arbeitskräfte züchten." Solchen
Argumentationen steht man vollständig machtlos gegenüber, denn sie lassen sich
nicht entkräften."

In dem ersten Absatz finden sich in vier Sätzen drei Behauptungen, die
meines Erachtens nicht bewiesen sind, und von denen höchstens eine richtig ist,
nämlich daß sich die Verhältnisse geändert haben. Daß sich aber die Seeleute
ihnen vorzüglich angepaßt haben wird unterdrückt. Ob alle Schiffsführer und
Steuerleute, denen thatsächlich etwas an der sozialen Stellung ihres Standes
liegt, dem Norddeutschen Lloyd für die Einrichtung des Kadettenschulschiffs
dankbar sind, erscheint angesichts der Verhandlungen des deutschen Seeschiffer-
Vereinsverbandes am 16. Februar dieses Jahres in Berlin und des deutschen


Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe

Feinde als die Mandschu können — das haben die letzten Ereignisse wieder
gezeigt — in einem von ihrem Druck befreiten China uns Europäern schwer¬
L. von der Brügge» lich erstehn.




Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe
L. Meier, Kapitän a. D. von

n der Hansa Ur. 17 dieses Jahres finde ich einen Artikel eines
Herrn 8, worin es heißt: „Die lange Zeit gut bewährte Methode,
unsre Seeleute zu Steuerleuten und Schiffsführern von der
Pieke an heranzubilden, hat sich überlebt. Gänzlich veränderte
Verhältnisse in der Seeschiffahrt haben auch veränderte An¬
forderungen an die in leitenden Stellen befindlichen Seeleute gestellt. Dem
Norddeutschen Lloyd gebührt das große Verdienst, die längst von vielen ein¬
sichtigen Seeleuten als richtig erkannte Maßregel, nämlich die Indienststellung
eines Ausbildungsinstituts für Seeleute der höhern Karriere, praktisch durch¬
geführt zu haben. Für diesen Schritt sind ihm alle Schiffsführer und Steuer¬
leute dankbar, denen thatsächlich etwas an der Hebung ihres Standes nach
sozialer Richtung hin gelegen ist. Wir sprechen diese Behauptung aus, wohl
wissend, daß es Personen giebt, die gleich uns die Schiffsoffiziere auf ein
höheres geistiges Niveau gestellt sehen möchten, aber die Errichtung eines
Instituts, das diesen Wunsch zu erfüllen verspricht, deshalb verurteilen, weil
angeblich die Erziehungsanstalt ihren Eigentümern ein Vorn fließender Geld¬
quellen sein soll. Verhindert die Reederei, sich durch das Schulschiff einen
Stamm tüchtiger Schiffsoffiziere heranziehn zu wollen, so entgegnet man
(ohne zu bedenken, daß englische und französische Schiffs offiziere längst eine
andre praktische Ausbildung wie englische und französische Matrosen genießen):
»Durch diese Einrichtung wollt ihr nur billige Arbeitskräfte züchten.« Solchen
Argumentationen steht man vollständig machtlos gegenüber, denn sie lassen sich
nicht entkräften."

In dem ersten Absatz finden sich in vier Sätzen drei Behauptungen, die
meines Erachtens nicht bewiesen sind, und von denen höchstens eine richtig ist,
nämlich daß sich die Verhältnisse geändert haben. Daß sich aber die Seeleute
ihnen vorzüglich angepaßt haben wird unterdrückt. Ob alle Schiffsführer und
Steuerleute, denen thatsächlich etwas an der sozialen Stellung ihres Standes
liegt, dem Norddeutschen Lloyd für die Einrichtung des Kadettenschulschiffs
dankbar sind, erscheint angesichts der Verhandlungen des deutschen Seeschiffer-
Vereinsverbandes am 16. Februar dieses Jahres in Berlin und des deutschen


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[0351] Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe Feinde als die Mandschu können — das haben die letzten Ereignisse wieder gezeigt — in einem von ihrem Druck befreiten China uns Europäern schwer¬ L. von der Brügge» lich erstehn. Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe L. Meier, Kapitän a. D. von n der Hansa Ur. 17 dieses Jahres finde ich einen Artikel eines Herrn 8, worin es heißt: „Die lange Zeit gut bewährte Methode, unsre Seeleute zu Steuerleuten und Schiffsführern von der Pieke an heranzubilden, hat sich überlebt. Gänzlich veränderte Verhältnisse in der Seeschiffahrt haben auch veränderte An¬ forderungen an die in leitenden Stellen befindlichen Seeleute gestellt. Dem Norddeutschen Lloyd gebührt das große Verdienst, die längst von vielen ein¬ sichtigen Seeleuten als richtig erkannte Maßregel, nämlich die Indienststellung eines Ausbildungsinstituts für Seeleute der höhern Karriere, praktisch durch¬ geführt zu haben. Für diesen Schritt sind ihm alle Schiffsführer und Steuer¬ leute dankbar, denen thatsächlich etwas an der Hebung ihres Standes nach sozialer Richtung hin gelegen ist. Wir sprechen diese Behauptung aus, wohl wissend, daß es Personen giebt, die gleich uns die Schiffsoffiziere auf ein höheres geistiges Niveau gestellt sehen möchten, aber die Errichtung eines Instituts, das diesen Wunsch zu erfüllen verspricht, deshalb verurteilen, weil angeblich die Erziehungsanstalt ihren Eigentümern ein Vorn fließender Geld¬ quellen sein soll. Verhindert die Reederei, sich durch das Schulschiff einen Stamm tüchtiger Schiffsoffiziere heranziehn zu wollen, so entgegnet man (ohne zu bedenken, daß englische und französische Schiffs offiziere längst eine andre praktische Ausbildung wie englische und französische Matrosen genießen): »Durch diese Einrichtung wollt ihr nur billige Arbeitskräfte züchten.« Solchen Argumentationen steht man vollständig machtlos gegenüber, denn sie lassen sich nicht entkräften." In dem ersten Absatz finden sich in vier Sätzen drei Behauptungen, die meines Erachtens nicht bewiesen sind, und von denen höchstens eine richtig ist, nämlich daß sich die Verhältnisse geändert haben. Daß sich aber die Seeleute ihnen vorzüglich angepaßt haben wird unterdrückt. Ob alle Schiffsführer und Steuerleute, denen thatsächlich etwas an der sozialen Stellung ihres Standes liegt, dem Norddeutschen Lloyd für die Einrichtung des Kadettenschulschiffs dankbar sind, erscheint angesichts der Verhandlungen des deutschen Seeschiffer- Vereinsverbandes am 16. Februar dieses Jahres in Berlin und des deutschen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/351>, abgerufen am 16.06.2024.