Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe läuft den Fischer an, läßt einen Mann des genannten Fahrzeugs durchprügeln 2. Ein würdiges Seitenstück zu dem Untergang des englischen Dampfers Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe läuft den Fischer an, läßt einen Mann des genannten Fahrzeugs durchprügeln 2. Ein würdiges Seitenstück zu dem Untergang des englischen Dampfers <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0414" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291491"/> <fw type="header" place="top"> Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe</fw><lb/> <p xml:id="ID_1321" prev="#ID_1320"> läuft den Fischer an, läßt einen Mann des genannten Fahrzeugs durchprügeln<lb/> und geht wieder von dannen. Maschinenmanöver werden bei der ganzen<lb/> Zeremonie nicht gemacht. Von der Dampferbesatzung sah man vor der Kollision<lb/> nur einen Hut, der sich hinter dein Schutzkleid der Kommandobrücke hin und<lb/> her bewegte. Nach der Kollision erschienen mehrere Wesen ein der Reeling.<lb/> Weil die Befürchtung vorlag, das angerannte Fahrzeug könnte unter den Füßen<lb/> wegfluten, kletterte die aus drei Mann bestehende Besatzung schnell auf den<lb/> Dampfer über, in der begreiflichen Voraussetzung, dort menschliche, mitfühlende<lb/> Geschöpfe zu finden. Diese Annahme hat sich nicht bestätigt, denn statt die<lb/> Flüchtigen, die durch die unentschuldbare Unaufmerksamkeit des Dampferführers<lb/> Schiffbrüchige geworden waren, wenn auch nicht freundlich, so doch wenigstens<lb/> bemitleidend zu empfangen, schlug ihnen ein besonders verwildertes Geschöpf<lb/> mit einer Kohlenschaufel uns Kopf und Hände. Nach diesem Empfang blieb<lb/> den Unglücklichen nichts andres übrig, als wieder auf ihr beschädigtes Fahr¬<lb/> zeug zurückzukehren. Der Dampfer ging dann weiter. Glücklicherweise war<lb/> der Kutter dicht geblieben und konnte mit Hilfe andrer Fahrzeuge nach Kux-<lb/> haven gebracht werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1322"> 2. Ein würdiges Seitenstück zu dem Untergang des englischen Dampfers<lb/> Scotsman bei Belle Jsle ist der jüngst geschehne Verlust des ebenfalls eng¬<lb/> lischen Dampfers Mexican an der südafrikanischen Küste. Dort wie hier eine<lb/> vollständig demoralisierte Mannschaft. Unbegrenztes Verlangen nach Alkohol<lb/> und auffallend unentwickeltes Unterscheidungsvermögen über Mein und Dein<lb/> sind die hauptsächlichsten Merkmale. Anstatt die Passagiere zu retten, taumeln<lb/> einzelne Leute total betrunken zwischen schreienden Frauen und Kindern umher,<lb/> andre arbeiten mit Hammer und Brecheisen an Passagierkoffern, wieder andre<lb/> verwerten erlernte Boxerkünste am Körper ihrer Spießgesellen, während der Nest<lb/> mit einigen energischen Passagieren um den Besitz eines Bootes kämpft. Ob<lb/> die Befehlenden in diesem Schauspiel mitgewirkt haben oder gar die Regie in<lb/> Händen hatten, ist nicht bekannt. Nur so viel steht fest, daß ein an Bord<lb/> des Winkfield (eines Dampfers in der Nähe, dessen Besatzung schließlich das<lb/> Nettungswerk ausführte) anwesender Armeeoffizier mit dem Säbel in der Hand<lb/> bemüht war, nnter den schiffbrüchigen Trunkenbolden und Raufbolden Ordnung<lb/> herzustellen. Die englische Presse, die sich mit der unliebsamen Affaire beschäftigt<lb/> hat, glaubt, es werde sich bei der Untersuchung herausstellen, daß die Besatzung<lb/> des Mexican zumeist aus Ausländern bestanden habe.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0414]
Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe
läuft den Fischer an, läßt einen Mann des genannten Fahrzeugs durchprügeln
und geht wieder von dannen. Maschinenmanöver werden bei der ganzen
Zeremonie nicht gemacht. Von der Dampferbesatzung sah man vor der Kollision
nur einen Hut, der sich hinter dein Schutzkleid der Kommandobrücke hin und
her bewegte. Nach der Kollision erschienen mehrere Wesen ein der Reeling.
Weil die Befürchtung vorlag, das angerannte Fahrzeug könnte unter den Füßen
wegfluten, kletterte die aus drei Mann bestehende Besatzung schnell auf den
Dampfer über, in der begreiflichen Voraussetzung, dort menschliche, mitfühlende
Geschöpfe zu finden. Diese Annahme hat sich nicht bestätigt, denn statt die
Flüchtigen, die durch die unentschuldbare Unaufmerksamkeit des Dampferführers
Schiffbrüchige geworden waren, wenn auch nicht freundlich, so doch wenigstens
bemitleidend zu empfangen, schlug ihnen ein besonders verwildertes Geschöpf
mit einer Kohlenschaufel uns Kopf und Hände. Nach diesem Empfang blieb
den Unglücklichen nichts andres übrig, als wieder auf ihr beschädigtes Fahr¬
zeug zurückzukehren. Der Dampfer ging dann weiter. Glücklicherweise war
der Kutter dicht geblieben und konnte mit Hilfe andrer Fahrzeuge nach Kux-
haven gebracht werden.
2. Ein würdiges Seitenstück zu dem Untergang des englischen Dampfers
Scotsman bei Belle Jsle ist der jüngst geschehne Verlust des ebenfalls eng¬
lischen Dampfers Mexican an der südafrikanischen Küste. Dort wie hier eine
vollständig demoralisierte Mannschaft. Unbegrenztes Verlangen nach Alkohol
und auffallend unentwickeltes Unterscheidungsvermögen über Mein und Dein
sind die hauptsächlichsten Merkmale. Anstatt die Passagiere zu retten, taumeln
einzelne Leute total betrunken zwischen schreienden Frauen und Kindern umher,
andre arbeiten mit Hammer und Brecheisen an Passagierkoffern, wieder andre
verwerten erlernte Boxerkünste am Körper ihrer Spießgesellen, während der Nest
mit einigen energischen Passagieren um den Besitz eines Bootes kämpft. Ob
die Befehlenden in diesem Schauspiel mitgewirkt haben oder gar die Regie in
Händen hatten, ist nicht bekannt. Nur so viel steht fest, daß ein an Bord
des Winkfield (eines Dampfers in der Nähe, dessen Besatzung schließlich das
Nettungswerk ausführte) anwesender Armeeoffizier mit dem Säbel in der Hand
bemüht war, nnter den schiffbrüchigen Trunkenbolden und Raufbolden Ordnung
herzustellen. Die englische Presse, die sich mit der unliebsamen Affaire beschäftigt
hat, glaubt, es werde sich bei der Untersuchung herausstellen, daß die Besatzung
des Mexican zumeist aus Ausländern bestanden habe.
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