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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Dreimal gefunden

Als so einige Zeit vergangen war, zündete der Bursche seinen Nasenwärmer
an nud begann mit leiser, näselnder Stimme zu singen -- wobei er aber weder
das Ausspucken noch das Rauchen versäumte --, und zwar eins der endlos langen
Liebeslieder, in denen das "untreue Mädchen" und der "betrogne Freund" nie
zusammenkommen, nur weil sie sich gegenseitig mit ganz unsinnigen Worten die
Meinung gesagt haben.

Pfui, ist das ein Geleier! sagte endlich eins der Mädchen, indem es sich erhob
und dem Burschen einen ärgerlichen Blick zuwarf.

Na, es ist doch gut, daß du endlich einmal die Auge" aufmachst, sagte er und
spuckte ins Wasser.

Was willst du von mir? fragte sie.

Wo kommst dn her? fragte er als Antwort.

Daher, wo ich zuletzt war, sagte sie und lachte das andre Mädchen an, das
nun auch erwacht war. Nachher trat sie an die Reling und blieb dort stehn, und
es dauerte nicht lange, so folgte ihr der Bursche.

Ich habe dich gleich gestern abend bemerkt, sagte er und sah sie schrecklich
verliebt an.

So, wirklich? erwiderte sie und wandte das Gesicht ab.

Wo willst du hin? fragte er weiter.

Ich gehe zu Leuten hier oben, antwortete sie, und du?

Ach, ich gehe auch hier in die Nachbarschaft und hole eine Jacht, die ich mir
gekauft habe.

Ah, du bist also ein großer Herr?

Ja, das heißt, mein Vater ist es, der bezahlt, aber ich soll sie führen.

Wessen Sohn bist du denn?

Holger Bjerke ist mein Vater.

Und wie heißt du selbst?

Ich heiße Asmund. Und du?

O -- ich heiße Ragna.

Leben deine Eltern noch?

Nein.

Komm ein wenig zu mir, du, flüsterte er und zwinkerte mit den Augen.

Sie erhob den Kopf und sah ihn mit ihrem klaren Blick fest an, bis er ganz
verlegen wurde. Bist du von der Sorte? fragte sie. Nein -- ich danke schön.
Und damit verließ sie ihn.

Er ärgerte sich über das, was er gesagt hatte, aber nun war es einmal ge¬
schehn und konnte nicht wieder ungeschehn gemacht, werden. -- Aber so ein schönes,
energisches Mädchen, strahlend, frisch und gesund!

Nachdem wieder eine Weile vergangen war, sah er sie plötzlich mit dem
audern Mädchen keck auf den Platz, auf dem er stand, zusteuern. Er bekam einen
roten Kopf und ließ die Mundwinkel hängen, denn er merkte wohl, daß sie nichts
Gutes gegen ihn im Schilde führten.

Du fragtest vorhin, woher ich komme, begann Ragna und richtete sich stolz
auf. Nun sollst du es erfahren. Das Mädchen hier und ich, wir ruderten im
vorigen Jahre droben in den Lofoten auf Fischfang.

Ha ha! Der Bursche brach in lantes Gelächter ans.

Du kannst lachen, so viel du willst, unterbrach sie ihn, wer sich verantworten
mun, hat wohl auch das Recht dazu.

, Nun, dann nahmt ihr wohl einen Liebsten, oder auch zwei mit? spottete er,
indem er den Kopf in den Nacken warf -- jetzt war er oben auf.

Vielleicht bist du frech, weil du abgewiesen worden bist! gab sie eben so
yvhnisch zurück.


Dreimal gefunden

Als so einige Zeit vergangen war, zündete der Bursche seinen Nasenwärmer
an nud begann mit leiser, näselnder Stimme zu singen — wobei er aber weder
das Ausspucken noch das Rauchen versäumte —, und zwar eins der endlos langen
Liebeslieder, in denen das „untreue Mädchen" und der „betrogne Freund" nie
zusammenkommen, nur weil sie sich gegenseitig mit ganz unsinnigen Worten die
Meinung gesagt haben.

Pfui, ist das ein Geleier! sagte endlich eins der Mädchen, indem es sich erhob
und dem Burschen einen ärgerlichen Blick zuwarf.

Na, es ist doch gut, daß du endlich einmal die Auge» aufmachst, sagte er und
spuckte ins Wasser.

Was willst du von mir? fragte sie.

Wo kommst dn her? fragte er als Antwort.

Daher, wo ich zuletzt war, sagte sie und lachte das andre Mädchen an, das
nun auch erwacht war. Nachher trat sie an die Reling und blieb dort stehn, und
es dauerte nicht lange, so folgte ihr der Bursche.

Ich habe dich gleich gestern abend bemerkt, sagte er und sah sie schrecklich
verliebt an.

So, wirklich? erwiderte sie und wandte das Gesicht ab.

Wo willst du hin? fragte er weiter.

Ich gehe zu Leuten hier oben, antwortete sie, und du?

Ach, ich gehe auch hier in die Nachbarschaft und hole eine Jacht, die ich mir
gekauft habe.

Ah, du bist also ein großer Herr?

Ja, das heißt, mein Vater ist es, der bezahlt, aber ich soll sie führen.

Wessen Sohn bist du denn?

Holger Bjerke ist mein Vater.

Und wie heißt du selbst?

Ich heiße Asmund. Und du?

O — ich heiße Ragna.

Leben deine Eltern noch?

Nein.

Komm ein wenig zu mir, du, flüsterte er und zwinkerte mit den Augen.

Sie erhob den Kopf und sah ihn mit ihrem klaren Blick fest an, bis er ganz
verlegen wurde. Bist du von der Sorte? fragte sie. Nein — ich danke schön.
Und damit verließ sie ihn.

Er ärgerte sich über das, was er gesagt hatte, aber nun war es einmal ge¬
schehn und konnte nicht wieder ungeschehn gemacht, werden. — Aber so ein schönes,
energisches Mädchen, strahlend, frisch und gesund!

Nachdem wieder eine Weile vergangen war, sah er sie plötzlich mit dem
audern Mädchen keck auf den Platz, auf dem er stand, zusteuern. Er bekam einen
roten Kopf und ließ die Mundwinkel hängen, denn er merkte wohl, daß sie nichts
Gutes gegen ihn im Schilde führten.

Du fragtest vorhin, woher ich komme, begann Ragna und richtete sich stolz
auf. Nun sollst du es erfahren. Das Mädchen hier und ich, wir ruderten im
vorigen Jahre droben in den Lofoten auf Fischfang.

Ha ha! Der Bursche brach in lantes Gelächter ans.

Du kannst lachen, so viel du willst, unterbrach sie ihn, wer sich verantworten
mun, hat wohl auch das Recht dazu.

, Nun, dann nahmt ihr wohl einen Liebsten, oder auch zwei mit? spottete er,
indem er den Kopf in den Nacken warf — jetzt war er oben auf.

Vielleicht bist du frech, weil du abgewiesen worden bist! gab sie eben so
yvhnisch zurück.


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[0053] Dreimal gefunden Als so einige Zeit vergangen war, zündete der Bursche seinen Nasenwärmer an nud begann mit leiser, näselnder Stimme zu singen — wobei er aber weder das Ausspucken noch das Rauchen versäumte —, und zwar eins der endlos langen Liebeslieder, in denen das „untreue Mädchen" und der „betrogne Freund" nie zusammenkommen, nur weil sie sich gegenseitig mit ganz unsinnigen Worten die Meinung gesagt haben. Pfui, ist das ein Geleier! sagte endlich eins der Mädchen, indem es sich erhob und dem Burschen einen ärgerlichen Blick zuwarf. Na, es ist doch gut, daß du endlich einmal die Auge» aufmachst, sagte er und spuckte ins Wasser. Was willst du von mir? fragte sie. Wo kommst dn her? fragte er als Antwort. Daher, wo ich zuletzt war, sagte sie und lachte das andre Mädchen an, das nun auch erwacht war. Nachher trat sie an die Reling und blieb dort stehn, und es dauerte nicht lange, so folgte ihr der Bursche. Ich habe dich gleich gestern abend bemerkt, sagte er und sah sie schrecklich verliebt an. So, wirklich? erwiderte sie und wandte das Gesicht ab. Wo willst du hin? fragte er weiter. Ich gehe zu Leuten hier oben, antwortete sie, und du? Ach, ich gehe auch hier in die Nachbarschaft und hole eine Jacht, die ich mir gekauft habe. Ah, du bist also ein großer Herr? Ja, das heißt, mein Vater ist es, der bezahlt, aber ich soll sie führen. Wessen Sohn bist du denn? Holger Bjerke ist mein Vater. Und wie heißt du selbst? Ich heiße Asmund. Und du? O — ich heiße Ragna. Leben deine Eltern noch? Nein. Komm ein wenig zu mir, du, flüsterte er und zwinkerte mit den Augen. Sie erhob den Kopf und sah ihn mit ihrem klaren Blick fest an, bis er ganz verlegen wurde. Bist du von der Sorte? fragte sie. Nein — ich danke schön. Und damit verließ sie ihn. Er ärgerte sich über das, was er gesagt hatte, aber nun war es einmal ge¬ schehn und konnte nicht wieder ungeschehn gemacht, werden. — Aber so ein schönes, energisches Mädchen, strahlend, frisch und gesund! Nachdem wieder eine Weile vergangen war, sah er sie plötzlich mit dem audern Mädchen keck auf den Platz, auf dem er stand, zusteuern. Er bekam einen roten Kopf und ließ die Mundwinkel hängen, denn er merkte wohl, daß sie nichts Gutes gegen ihn im Schilde führten. Du fragtest vorhin, woher ich komme, begann Ragna und richtete sich stolz auf. Nun sollst du es erfahren. Das Mädchen hier und ich, wir ruderten im vorigen Jahre droben in den Lofoten auf Fischfang. Ha ha! Der Bursche brach in lantes Gelächter ans. Du kannst lachen, so viel du willst, unterbrach sie ihn, wer sich verantworten mun, hat wohl auch das Recht dazu. , Nun, dann nahmt ihr wohl einen Liebsten, oder auch zwei mit? spottete er, indem er den Kopf in den Nacken warf — jetzt war er oben auf. Vielleicht bist du frech, weil du abgewiesen worden bist! gab sie eben so yvhnisch zurück.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/53>, abgerufen am 16.06.2024.