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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Litteratur

Körben durch alle die Gänge und Loggien in unserm Hause durchgewunden hat
und sich, einen Korb voraus, mit halbem Leibe durch meine enge Thür zwängt!
So etwas Malerisches wie diesen lachenden Weißkopf mit der Last von farbigen
Früchten, mit seinem zerdrückten Filzdeckel und dem Bauerngewand von dunkel¬
blauem, grobfädigem Haudgewcbe -- so etwas Malerisches --

Halt, Fräulein, verpulvern Sie doch nicht Ihre ganze Begeisterung vor unsern
Augen für diesen zahnlosen Halunken, rief der junge Bredow.

Und diesen abgeschabten Leinwnndkittel finden Sie wohl auch schön? fragte
Frida neugierig.

Ja, besonders schön.

Na, Gott sei Dank, meinte der Junker, so etwas weben sich die kleinen Leute
bei uns auch noch. Ich werde mir solchen Fetzen mal verschaffen, um vor den
Augen junger Künstlerinnen Gnade zu finden.

Mir aber, bitte, auch einen, Herr von Bredow, sagte Kurtchen.

Herr Giesicke in Häusler Schmidts Stalljacke -- mit seidnen Strümpfen und
Lackschuhen, brachen die Bredowschen Mädchen aus. Sie schrieen fast vor Lachen.

Und mit der seidnen Schlafmütze! kreischte Trude halb erstickt.

(Fortsetzung folgt)




Litteratur
Walhall, die Götterwelt der Germanen. Von E. Döpler d. I. und t)r. W, Ranisch.
Berlin, Martin Oldenbourg

In diesem von dem Verleger prunkvoll ausgestatteten Werke liegt ein neuer
Versuch vor, die "nebelhaften" Gestalten der germanischen Götterwelt einem weiter"
Kreise der Gebildeten faßbar und anschaulich zu machen. Zur Feder des Gelehrten
hat sich der Pinsel des Malers gesellt, um die innern Gesichte, in denen die junge
Germanenwelt ihre "kühnen überirdischen Träume" geschaut hat, in feste Formen
zu bannen.

Käme der Text allein in Betracht, so würde Walhall wie wenig andre Bücher
geeignet sein, von dem germanischen Götterglanben, dessen Bild unsre Dichter des
neunzehnten Jahrhunderts durch bewußte Umgestaltung vielfach gefälscht haben,
richtigere Vorstellungen zu verbreiten. Denn in W. Ranisch, einem schon bewährten
jüngern Forscher, hat der Gegenstand einen zuverlässigen") und geschmackvollen
Erzähler gefunden. Was den Bilderschmuck betrifft, so hat der Verleger alles an¬
gewandt, ein sogenanntes Prnchtwerk zu schaffen, und in der Farbenpracht auch
wohl alles erreicht, was Dreifarbendruck zustande bringen kann. Einzelne Bilder
find auch ganz fein und hübsch, und das Dekorative ist es überhaupt, aber damit ist
das Lob, ans das der Maler Anspruch machen kann, auch erschöpft. Denn es ist ihm
nicht gelungen, "was nicht ausgesprochen vor dem innern Auge unsrer heidnischen
Vorfahren an Gestalten und Handlungen" schwebte, uns Neuern "plastisch gebändigt"
in schöner Form vor das äußere Auge zu stellen.

Sämtliche Quellen, aus denen eine germanische Götterlehre zu schöpfen hat.



") Auf Seite 10 ist "8 anstatt S8 wohl Druckfehler.
Litteratur

Körben durch alle die Gänge und Loggien in unserm Hause durchgewunden hat
und sich, einen Korb voraus, mit halbem Leibe durch meine enge Thür zwängt!
So etwas Malerisches wie diesen lachenden Weißkopf mit der Last von farbigen
Früchten, mit seinem zerdrückten Filzdeckel und dem Bauerngewand von dunkel¬
blauem, grobfädigem Haudgewcbe — so etwas Malerisches —

Halt, Fräulein, verpulvern Sie doch nicht Ihre ganze Begeisterung vor unsern
Augen für diesen zahnlosen Halunken, rief der junge Bredow.

Und diesen abgeschabten Leinwnndkittel finden Sie wohl auch schön? fragte
Frida neugierig.

Ja, besonders schön.

Na, Gott sei Dank, meinte der Junker, so etwas weben sich die kleinen Leute
bei uns auch noch. Ich werde mir solchen Fetzen mal verschaffen, um vor den
Augen junger Künstlerinnen Gnade zu finden.

Mir aber, bitte, auch einen, Herr von Bredow, sagte Kurtchen.

Herr Giesicke in Häusler Schmidts Stalljacke — mit seidnen Strümpfen und
Lackschuhen, brachen die Bredowschen Mädchen aus. Sie schrieen fast vor Lachen.

Und mit der seidnen Schlafmütze! kreischte Trude halb erstickt.

(Fortsetzung folgt)




Litteratur
Walhall, die Götterwelt der Germanen. Von E. Döpler d. I. und t)r. W, Ranisch.
Berlin, Martin Oldenbourg

In diesem von dem Verleger prunkvoll ausgestatteten Werke liegt ein neuer
Versuch vor, die „nebelhaften" Gestalten der germanischen Götterwelt einem weiter»
Kreise der Gebildeten faßbar und anschaulich zu machen. Zur Feder des Gelehrten
hat sich der Pinsel des Malers gesellt, um die innern Gesichte, in denen die junge
Germanenwelt ihre „kühnen überirdischen Träume" geschaut hat, in feste Formen
zu bannen.

Käme der Text allein in Betracht, so würde Walhall wie wenig andre Bücher
geeignet sein, von dem germanischen Götterglanben, dessen Bild unsre Dichter des
neunzehnten Jahrhunderts durch bewußte Umgestaltung vielfach gefälscht haben,
richtigere Vorstellungen zu verbreiten. Denn in W. Ranisch, einem schon bewährten
jüngern Forscher, hat der Gegenstand einen zuverlässigen") und geschmackvollen
Erzähler gefunden. Was den Bilderschmuck betrifft, so hat der Verleger alles an¬
gewandt, ein sogenanntes Prnchtwerk zu schaffen, und in der Farbenpracht auch
wohl alles erreicht, was Dreifarbendruck zustande bringen kann. Einzelne Bilder
find auch ganz fein und hübsch, und das Dekorative ist es überhaupt, aber damit ist
das Lob, ans das der Maler Anspruch machen kann, auch erschöpft. Denn es ist ihm
nicht gelungen, „was nicht ausgesprochen vor dem innern Auge unsrer heidnischen
Vorfahren an Gestalten und Handlungen" schwebte, uns Neuern „plastisch gebändigt"
in schöner Form vor das äußere Auge zu stellen.

Sämtliche Quellen, aus denen eine germanische Götterlehre zu schöpfen hat.



") Auf Seite 10 ist «8 anstatt S8 wohl Druckfehler.
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[0530] Litteratur Körben durch alle die Gänge und Loggien in unserm Hause durchgewunden hat und sich, einen Korb voraus, mit halbem Leibe durch meine enge Thür zwängt! So etwas Malerisches wie diesen lachenden Weißkopf mit der Last von farbigen Früchten, mit seinem zerdrückten Filzdeckel und dem Bauerngewand von dunkel¬ blauem, grobfädigem Haudgewcbe — so etwas Malerisches — Halt, Fräulein, verpulvern Sie doch nicht Ihre ganze Begeisterung vor unsern Augen für diesen zahnlosen Halunken, rief der junge Bredow. Und diesen abgeschabten Leinwnndkittel finden Sie wohl auch schön? fragte Frida neugierig. Ja, besonders schön. Na, Gott sei Dank, meinte der Junker, so etwas weben sich die kleinen Leute bei uns auch noch. Ich werde mir solchen Fetzen mal verschaffen, um vor den Augen junger Künstlerinnen Gnade zu finden. Mir aber, bitte, auch einen, Herr von Bredow, sagte Kurtchen. Herr Giesicke in Häusler Schmidts Stalljacke — mit seidnen Strümpfen und Lackschuhen, brachen die Bredowschen Mädchen aus. Sie schrieen fast vor Lachen. Und mit der seidnen Schlafmütze! kreischte Trude halb erstickt. (Fortsetzung folgt) Litteratur Walhall, die Götterwelt der Germanen. Von E. Döpler d. I. und t)r. W, Ranisch. Berlin, Martin Oldenbourg In diesem von dem Verleger prunkvoll ausgestatteten Werke liegt ein neuer Versuch vor, die „nebelhaften" Gestalten der germanischen Götterwelt einem weiter» Kreise der Gebildeten faßbar und anschaulich zu machen. Zur Feder des Gelehrten hat sich der Pinsel des Malers gesellt, um die innern Gesichte, in denen die junge Germanenwelt ihre „kühnen überirdischen Träume" geschaut hat, in feste Formen zu bannen. Käme der Text allein in Betracht, so würde Walhall wie wenig andre Bücher geeignet sein, von dem germanischen Götterglanben, dessen Bild unsre Dichter des neunzehnten Jahrhunderts durch bewußte Umgestaltung vielfach gefälscht haben, richtigere Vorstellungen zu verbreiten. Denn in W. Ranisch, einem schon bewährten jüngern Forscher, hat der Gegenstand einen zuverlässigen") und geschmackvollen Erzähler gefunden. Was den Bilderschmuck betrifft, so hat der Verleger alles an¬ gewandt, ein sogenanntes Prnchtwerk zu schaffen, und in der Farbenpracht auch wohl alles erreicht, was Dreifarbendruck zustande bringen kann. Einzelne Bilder find auch ganz fein und hübsch, und das Dekorative ist es überhaupt, aber damit ist das Lob, ans das der Maler Anspruch machen kann, auch erschöpft. Denn es ist ihm nicht gelungen, „was nicht ausgesprochen vor dem innern Auge unsrer heidnischen Vorfahren an Gestalten und Handlungen" schwebte, uns Neuern „plastisch gebändigt" in schöner Form vor das äußere Auge zu stellen. Sämtliche Quellen, aus denen eine germanische Götterlehre zu schöpfen hat. ") Auf Seite 10 ist «8 anstatt S8 wohl Druckfehler.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/530>, abgerufen am 15.06.2024.