Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Wie es heute bei den Reizienmgen in Preußen zugeht

Reichtum spielen bei der Verwaltung eine große Rolle, Es giebt auf deutschen
Hochschulen drei ganz spezifische Adelskorps, aus denen sich schon seit Jahr¬
zehnten die Inhaber der höchsten Verwaltungsstellen in Preußen rekrutieren.
Es ist noch nicht lange her, daß wir einen in verhältnismäßig beschränkten
Vermögensverhältnissen lebenden adlichen Herrn äußern hörtein "Ich habe
meinen Sohn auch nach B. ins Korps geschickt; meine Mittel erlauben mir
dies eigentlich nicht, aber es ist wegen seines spätern bessern Fortkommens,"
Welche Wertschätzung mau bei den Regierungen dein Adel entgegenbringt, geht
schon aus der ebenso thörichten wie unfeinen Art hervor, mit der man den
Herrn von so und so immer bloß mit seinem "blieben Namen, seinen bürger¬
lichen Kollegen dagegen nur mit seinem Titel anredet. "Der Negierungs-
assessor von Müller ist der Herr von Müller, der Negiernngsassessor Müller
der Herr Assessor." Sogar der Adel Müller absorbiert also die äußere Stellung
vollständig! Es liegt uns jede Voreingenommenheit gegen den Adel fern,
auch möchten wir von unserm durchaus konservativen Standpunkt ans einen
begüterten, unabhängigen und deshalb mit starkem Rückgrat versehenen Adel
nicht nisse", aber die Bevorzugung des kleinen, durchschnittlich vermögens¬
losen Adels, wie er sich bei den Regierungen und überhaupt in der Ver¬
waltung vorzugsweise findet, halten wir für unbillig. Einstweilen aber
werden nur uns mit dein bestehenden Zustand abfinden müssen. Denn wenn
man bedenkt, daß die Bcfördcrungsvorschläge für die höhern Verwaltungs¬
stellen -- wir haben hauptsächlich bessere Landratsämter mit dem Sitz in
großem Städten, in Universitätsstädten und Badeorten, Polizeipräsidenten-
und Negierungspräsidcntenstellen im Auge -- von dem adlichen Regierungs¬
präsidenten ausgehn, von diesem durch den adlichen Oberpräsidenten an den
adlichen Personalreferentcn im Ministerium und schließlich an den adlichen
Minister gelangen, so ist es menschlich natürlich, daß da verhältnismäßig nur
selten ein bürgerliches Destillat herauskommt, und wir wollen ja auch Personen
nicht angreifen, sondern nur das herrschende System beleuchten. Welchen Wert
dieses auf eine möglichst gute Vermögenslage der in die Verwaltung aufzu¬
nehmenden Referendare legt, haben wir schon hervorgehoben. Wir sehen hierin
einen schweren Fehler. Die Söhne aus den tüchtigsten Beamtenfamilien können
den von oben nicht selten begünstigten Luxus moderner Regierungsreferendare nicht
mitmachen und halten sich deshalb von der Verwaltung fern, dagegen ist der
Andrang der Gerichtsreferendare mit gutem Wechsel, die sich vor dem "Amts¬
richter nuf dem Lande" fürchten, zumal wenn ihnen ahnt, daß sie es bei
der Justiz überhaupt nicht weiter bringen, immer sehr groß. Der besonders
tüchtige Gerichtsreferendar weiß, daß er bei der Justiz seinen Weg aus eigner
Kraft machen kaun, und wird deshalb in der Regel nicht -- Negiernngs-
referendar!

Wre ist diesen offenbaren Mißständen abzuhelfen? Gegenwärtig ist man
und erner neuen Prüfungsordnung für die Regierungsassessoren beschäftigt, und
da macht sich in der Konnnission eine bedeutende Strömung dafür geltend, die
sogenannte große Staatsprüfung für Verwaltungsbeamte (Ässessorexamen) ganz


Wie es heute bei den Reizienmgen in Preußen zugeht

Reichtum spielen bei der Verwaltung eine große Rolle, Es giebt auf deutschen
Hochschulen drei ganz spezifische Adelskorps, aus denen sich schon seit Jahr¬
zehnten die Inhaber der höchsten Verwaltungsstellen in Preußen rekrutieren.
Es ist noch nicht lange her, daß wir einen in verhältnismäßig beschränkten
Vermögensverhältnissen lebenden adlichen Herrn äußern hörtein „Ich habe
meinen Sohn auch nach B. ins Korps geschickt; meine Mittel erlauben mir
dies eigentlich nicht, aber es ist wegen seines spätern bessern Fortkommens,"
Welche Wertschätzung mau bei den Regierungen dein Adel entgegenbringt, geht
schon aus der ebenso thörichten wie unfeinen Art hervor, mit der man den
Herrn von so und so immer bloß mit seinem »blieben Namen, seinen bürger¬
lichen Kollegen dagegen nur mit seinem Titel anredet. „Der Negierungs-
assessor von Müller ist der Herr von Müller, der Negiernngsassessor Müller
der Herr Assessor." Sogar der Adel Müller absorbiert also die äußere Stellung
vollständig! Es liegt uns jede Voreingenommenheit gegen den Adel fern,
auch möchten wir von unserm durchaus konservativen Standpunkt ans einen
begüterten, unabhängigen und deshalb mit starkem Rückgrat versehenen Adel
nicht nisse», aber die Bevorzugung des kleinen, durchschnittlich vermögens¬
losen Adels, wie er sich bei den Regierungen und überhaupt in der Ver¬
waltung vorzugsweise findet, halten wir für unbillig. Einstweilen aber
werden nur uns mit dein bestehenden Zustand abfinden müssen. Denn wenn
man bedenkt, daß die Bcfördcrungsvorschläge für die höhern Verwaltungs¬
stellen — wir haben hauptsächlich bessere Landratsämter mit dem Sitz in
großem Städten, in Universitätsstädten und Badeorten, Polizeipräsidenten-
und Negierungspräsidcntenstellen im Auge — von dem adlichen Regierungs¬
präsidenten ausgehn, von diesem durch den adlichen Oberpräsidenten an den
adlichen Personalreferentcn im Ministerium und schließlich an den adlichen
Minister gelangen, so ist es menschlich natürlich, daß da verhältnismäßig nur
selten ein bürgerliches Destillat herauskommt, und wir wollen ja auch Personen
nicht angreifen, sondern nur das herrschende System beleuchten. Welchen Wert
dieses auf eine möglichst gute Vermögenslage der in die Verwaltung aufzu¬
nehmenden Referendare legt, haben wir schon hervorgehoben. Wir sehen hierin
einen schweren Fehler. Die Söhne aus den tüchtigsten Beamtenfamilien können
den von oben nicht selten begünstigten Luxus moderner Regierungsreferendare nicht
mitmachen und halten sich deshalb von der Verwaltung fern, dagegen ist der
Andrang der Gerichtsreferendare mit gutem Wechsel, die sich vor dem „Amts¬
richter nuf dem Lande" fürchten, zumal wenn ihnen ahnt, daß sie es bei
der Justiz überhaupt nicht weiter bringen, immer sehr groß. Der besonders
tüchtige Gerichtsreferendar weiß, daß er bei der Justiz seinen Weg aus eigner
Kraft machen kaun, und wird deshalb in der Regel nicht — Negiernngs-
referendar!

Wre ist diesen offenbaren Mißständen abzuhelfen? Gegenwärtig ist man
und erner neuen Prüfungsordnung für die Regierungsassessoren beschäftigt, und
da macht sich in der Konnnission eine bedeutende Strömung dafür geltend, die
sogenannte große Staatsprüfung für Verwaltungsbeamte (Ässessorexamen) ganz


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0605" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291682"/>
          <fw type="header" place="top"> Wie es heute bei den Reizienmgen in Preußen zugeht</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2250" prev="#ID_2249"> Reichtum spielen bei der Verwaltung eine große Rolle, Es giebt auf deutschen<lb/>
Hochschulen drei ganz spezifische Adelskorps, aus denen sich schon seit Jahr¬<lb/>
zehnten die Inhaber der höchsten Verwaltungsstellen in Preußen rekrutieren.<lb/>
Es ist noch nicht lange her, daß wir einen in verhältnismäßig beschränkten<lb/>
Vermögensverhältnissen lebenden adlichen Herrn äußern hörtein &#x201E;Ich habe<lb/>
meinen Sohn auch nach B. ins Korps geschickt; meine Mittel erlauben mir<lb/>
dies eigentlich nicht, aber es ist wegen seines spätern bessern Fortkommens,"<lb/>
Welche Wertschätzung mau bei den Regierungen dein Adel entgegenbringt, geht<lb/>
schon aus der ebenso thörichten wie unfeinen Art hervor, mit der man den<lb/>
Herrn von so und so immer bloß mit seinem »blieben Namen, seinen bürger¬<lb/>
lichen Kollegen dagegen nur mit seinem Titel anredet. &#x201E;Der Negierungs-<lb/>
assessor von Müller ist der Herr von Müller, der Negiernngsassessor Müller<lb/>
der Herr Assessor." Sogar der Adel Müller absorbiert also die äußere Stellung<lb/>
vollständig! Es liegt uns jede Voreingenommenheit gegen den Adel fern,<lb/>
auch möchten wir von unserm durchaus konservativen Standpunkt ans einen<lb/>
begüterten, unabhängigen und deshalb mit starkem Rückgrat versehenen Adel<lb/>
nicht nisse», aber die Bevorzugung des kleinen, durchschnittlich vermögens¬<lb/>
losen Adels, wie er sich bei den Regierungen und überhaupt in der Ver¬<lb/>
waltung vorzugsweise findet, halten wir für unbillig. Einstweilen aber<lb/>
werden nur uns mit dein bestehenden Zustand abfinden müssen. Denn wenn<lb/>
man bedenkt, daß die Bcfördcrungsvorschläge für die höhern Verwaltungs¬<lb/>
stellen &#x2014; wir haben hauptsächlich bessere Landratsämter mit dem Sitz in<lb/>
großem Städten, in Universitätsstädten und Badeorten, Polizeipräsidenten-<lb/>
und Negierungspräsidcntenstellen im Auge &#x2014; von dem adlichen Regierungs¬<lb/>
präsidenten ausgehn, von diesem durch den adlichen Oberpräsidenten an den<lb/>
adlichen Personalreferentcn im Ministerium und schließlich an den adlichen<lb/>
Minister gelangen, so ist es menschlich natürlich, daß da verhältnismäßig nur<lb/>
selten ein bürgerliches Destillat herauskommt, und wir wollen ja auch Personen<lb/>
nicht angreifen, sondern nur das herrschende System beleuchten. Welchen Wert<lb/>
dieses auf eine möglichst gute Vermögenslage der in die Verwaltung aufzu¬<lb/>
nehmenden Referendare legt, haben wir schon hervorgehoben. Wir sehen hierin<lb/>
einen schweren Fehler. Die Söhne aus den tüchtigsten Beamtenfamilien können<lb/>
den von oben nicht selten begünstigten Luxus moderner Regierungsreferendare nicht<lb/>
mitmachen und halten sich deshalb von der Verwaltung fern, dagegen ist der<lb/>
Andrang der Gerichtsreferendare mit gutem Wechsel, die sich vor dem &#x201E;Amts¬<lb/>
richter nuf dem Lande" fürchten, zumal wenn ihnen ahnt, daß sie es bei<lb/>
der Justiz überhaupt nicht weiter bringen, immer sehr groß. Der besonders<lb/>
tüchtige Gerichtsreferendar weiß, daß er bei der Justiz seinen Weg aus eigner<lb/>
Kraft machen kaun, und wird deshalb in der Regel nicht &#x2014; Negiernngs-<lb/>
referendar!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2251" next="#ID_2252"> Wre ist diesen offenbaren Mißständen abzuhelfen? Gegenwärtig ist man<lb/>
und erner neuen Prüfungsordnung für die Regierungsassessoren beschäftigt, und<lb/>
da macht sich in der Konnnission eine bedeutende Strömung dafür geltend, die<lb/>
sogenannte große Staatsprüfung für Verwaltungsbeamte (Ässessorexamen) ganz</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0605] Wie es heute bei den Reizienmgen in Preußen zugeht Reichtum spielen bei der Verwaltung eine große Rolle, Es giebt auf deutschen Hochschulen drei ganz spezifische Adelskorps, aus denen sich schon seit Jahr¬ zehnten die Inhaber der höchsten Verwaltungsstellen in Preußen rekrutieren. Es ist noch nicht lange her, daß wir einen in verhältnismäßig beschränkten Vermögensverhältnissen lebenden adlichen Herrn äußern hörtein „Ich habe meinen Sohn auch nach B. ins Korps geschickt; meine Mittel erlauben mir dies eigentlich nicht, aber es ist wegen seines spätern bessern Fortkommens," Welche Wertschätzung mau bei den Regierungen dein Adel entgegenbringt, geht schon aus der ebenso thörichten wie unfeinen Art hervor, mit der man den Herrn von so und so immer bloß mit seinem »blieben Namen, seinen bürger¬ lichen Kollegen dagegen nur mit seinem Titel anredet. „Der Negierungs- assessor von Müller ist der Herr von Müller, der Negiernngsassessor Müller der Herr Assessor." Sogar der Adel Müller absorbiert also die äußere Stellung vollständig! Es liegt uns jede Voreingenommenheit gegen den Adel fern, auch möchten wir von unserm durchaus konservativen Standpunkt ans einen begüterten, unabhängigen und deshalb mit starkem Rückgrat versehenen Adel nicht nisse», aber die Bevorzugung des kleinen, durchschnittlich vermögens¬ losen Adels, wie er sich bei den Regierungen und überhaupt in der Ver¬ waltung vorzugsweise findet, halten wir für unbillig. Einstweilen aber werden nur uns mit dein bestehenden Zustand abfinden müssen. Denn wenn man bedenkt, daß die Bcfördcrungsvorschläge für die höhern Verwaltungs¬ stellen — wir haben hauptsächlich bessere Landratsämter mit dem Sitz in großem Städten, in Universitätsstädten und Badeorten, Polizeipräsidenten- und Negierungspräsidcntenstellen im Auge — von dem adlichen Regierungs¬ präsidenten ausgehn, von diesem durch den adlichen Oberpräsidenten an den adlichen Personalreferentcn im Ministerium und schließlich an den adlichen Minister gelangen, so ist es menschlich natürlich, daß da verhältnismäßig nur selten ein bürgerliches Destillat herauskommt, und wir wollen ja auch Personen nicht angreifen, sondern nur das herrschende System beleuchten. Welchen Wert dieses auf eine möglichst gute Vermögenslage der in die Verwaltung aufzu¬ nehmenden Referendare legt, haben wir schon hervorgehoben. Wir sehen hierin einen schweren Fehler. Die Söhne aus den tüchtigsten Beamtenfamilien können den von oben nicht selten begünstigten Luxus moderner Regierungsreferendare nicht mitmachen und halten sich deshalb von der Verwaltung fern, dagegen ist der Andrang der Gerichtsreferendare mit gutem Wechsel, die sich vor dem „Amts¬ richter nuf dem Lande" fürchten, zumal wenn ihnen ahnt, daß sie es bei der Justiz überhaupt nicht weiter bringen, immer sehr groß. Der besonders tüchtige Gerichtsreferendar weiß, daß er bei der Justiz seinen Weg aus eigner Kraft machen kaun, und wird deshalb in der Regel nicht — Negiernngs- referendar! Wre ist diesen offenbaren Mißständen abzuhelfen? Gegenwärtig ist man und erner neuen Prüfungsordnung für die Regierungsassessoren beschäftigt, und da macht sich in der Konnnission eine bedeutende Strömung dafür geltend, die sogenannte große Staatsprüfung für Verwaltungsbeamte (Ässessorexamen) ganz

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/605
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/605>, abgerufen am 15.06.2024.