Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

geschafft werden. Mehr als in jedem andern Fache ist es im Religionsunter¬
richt von der untersten Stufe an erforderlich, daß der Lehrer aus dem Vollen
schöpfe. Die Zartheit der Materie duldet keine Stümper, Gründliche theo¬
logische Bildung ist also die Hauptsache für jeden Religionslehrer an höhern
Lehranstalten. Gute Kenntnisse sind zugleich die halbe Disziplin; ein gesunder
Takt schafft die andre Hälfte und die Methode.

Fakultas für Religionsunterricht nur auf der mittlern oder gar der untern
Stufe sollte nicht mehr erteilt werden. Dadurch mag die eine oder die andre
brauchbare Kraft verloren gehn; aber der Schaden ist gering gegenüber den
Unterlassuugs- oder schlimmern Thatsünden theologisch nicht genügend vor¬
gebildeter Religionslehrer. Zum mindesten müßte es mit der bezeichneten
Fakultas im Staatsexamen weit strenger genommen werden als bisher. --
Alle religiös Interessierten aber sollten sich zusammenthun, um von den Be¬
hörden eine Garantie zu erlangen, daß Unbefugte zum Religionsunterricht nicht
mehr herangezogen werden.

Damit freilich übernahmen diese Interessierte" zugleich die Verpflichtung,
nach ihrem Teil mit dazu beizutragen, daß der Bedarf an Religivnslehrern mit
wirklich Befugten zu decken ist. Es müssen mehr Theologen, wissenschaftlich
tüchtige Leute, die Theologie nicht nur so nebenher betrieben haben, ins
Schulfach übergehn. -- Die hochfahrende Art der kirchlichen Behörden auf
der letzten Eisenacher Kirchenkonferenz wird auf Männer, wie wir sie brauche",
nur abschreckend wirken. Leichtsinniges Aburteilen ist aus demselben Grunde
höchst bedauerlich. -- Es sollte sich jeder bemühn, sich und andern unsern
Beruf in seiner Bedeutung und seiner Schönheit klar zu machen. Denn es
ist in der That ein schöner Beruf, der hohe Befriedigung gewähren kann --
man glaube es dem alten Oskar Jäger. Von wesentlichem Einfluß wird es
sein, wie sich die theologischen Dozenten zur Sache stellen. Man begegnet
gerade in akademischen Kreisen einer höchst befremdlichen und verhängnisvollen
Geringschätzung unsrer Arbeit. Möchte das bald anders werden um der Schule,
um des Religionsnnterrichts willen!

Aber ist denn bei solchen Schwierigkeiten nicht am Ende doch die Bonussche
Radikalknr zu empfehlen? -- Das käme auf die Probe an, eine gewagte Probe,
über der die ohnehin bedenklich schwachen Reste von Religiosität im Volke
vollends zusammenschrumpfen könnten. Diestels Mitteilungen aus England*)
und unsre, der Religionslehrer, Erfahrungen bei den sogenannten Externen im
Abiturientenexamen warnen ernst.

Es bleibe beim Religionsunterricht in der Schule, nicht aber bleibe es
in allem beim alten. Vieles wartet auf Verbesserung. Wir sind am Werk.
Man helfe uns in der bezeichneten Art, unsern Zielen näher zu rücken. Das
wäre ein Verdienst, das wir dankbar anerkennen wollten.


Hans vollmer



Christliche Welt Ur. 38, 1900.

geschafft werden. Mehr als in jedem andern Fache ist es im Religionsunter¬
richt von der untersten Stufe an erforderlich, daß der Lehrer aus dem Vollen
schöpfe. Die Zartheit der Materie duldet keine Stümper, Gründliche theo¬
logische Bildung ist also die Hauptsache für jeden Religionslehrer an höhern
Lehranstalten. Gute Kenntnisse sind zugleich die halbe Disziplin; ein gesunder
Takt schafft die andre Hälfte und die Methode.

Fakultas für Religionsunterricht nur auf der mittlern oder gar der untern
Stufe sollte nicht mehr erteilt werden. Dadurch mag die eine oder die andre
brauchbare Kraft verloren gehn; aber der Schaden ist gering gegenüber den
Unterlassuugs- oder schlimmern Thatsünden theologisch nicht genügend vor¬
gebildeter Religionslehrer. Zum mindesten müßte es mit der bezeichneten
Fakultas im Staatsexamen weit strenger genommen werden als bisher. —
Alle religiös Interessierten aber sollten sich zusammenthun, um von den Be¬
hörden eine Garantie zu erlangen, daß Unbefugte zum Religionsunterricht nicht
mehr herangezogen werden.

Damit freilich übernahmen diese Interessierte» zugleich die Verpflichtung,
nach ihrem Teil mit dazu beizutragen, daß der Bedarf an Religivnslehrern mit
wirklich Befugten zu decken ist. Es müssen mehr Theologen, wissenschaftlich
tüchtige Leute, die Theologie nicht nur so nebenher betrieben haben, ins
Schulfach übergehn. — Die hochfahrende Art der kirchlichen Behörden auf
der letzten Eisenacher Kirchenkonferenz wird auf Männer, wie wir sie brauche»,
nur abschreckend wirken. Leichtsinniges Aburteilen ist aus demselben Grunde
höchst bedauerlich. — Es sollte sich jeder bemühn, sich und andern unsern
Beruf in seiner Bedeutung und seiner Schönheit klar zu machen. Denn es
ist in der That ein schöner Beruf, der hohe Befriedigung gewähren kann —
man glaube es dem alten Oskar Jäger. Von wesentlichem Einfluß wird es
sein, wie sich die theologischen Dozenten zur Sache stellen. Man begegnet
gerade in akademischen Kreisen einer höchst befremdlichen und verhängnisvollen
Geringschätzung unsrer Arbeit. Möchte das bald anders werden um der Schule,
um des Religionsnnterrichts willen!

Aber ist denn bei solchen Schwierigkeiten nicht am Ende doch die Bonussche
Radikalknr zu empfehlen? — Das käme auf die Probe an, eine gewagte Probe,
über der die ohnehin bedenklich schwachen Reste von Religiosität im Volke
vollends zusammenschrumpfen könnten. Diestels Mitteilungen aus England*)
und unsre, der Religionslehrer, Erfahrungen bei den sogenannten Externen im
Abiturientenexamen warnen ernst.

Es bleibe beim Religionsunterricht in der Schule, nicht aber bleibe es
in allem beim alten. Vieles wartet auf Verbesserung. Wir sind am Werk.
Man helfe uns in der bezeichneten Art, unsern Zielen näher zu rücken. Das
wäre ein Verdienst, das wir dankbar anerkennen wollten.


Hans vollmer



Christliche Welt Ur. 38, 1900.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0622" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291699"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2305" prev="#ID_2304"> geschafft werden. Mehr als in jedem andern Fache ist es im Religionsunter¬<lb/>
richt von der untersten Stufe an erforderlich, daß der Lehrer aus dem Vollen<lb/>
schöpfe. Die Zartheit der Materie duldet keine Stümper, Gründliche theo¬<lb/>
logische Bildung ist also die Hauptsache für jeden Religionslehrer an höhern<lb/>
Lehranstalten. Gute Kenntnisse sind zugleich die halbe Disziplin; ein gesunder<lb/>
Takt schafft die andre Hälfte und die Methode.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2306"> Fakultas für Religionsunterricht nur auf der mittlern oder gar der untern<lb/>
Stufe sollte nicht mehr erteilt werden. Dadurch mag die eine oder die andre<lb/>
brauchbare Kraft verloren gehn; aber der Schaden ist gering gegenüber den<lb/>
Unterlassuugs- oder schlimmern Thatsünden theologisch nicht genügend vor¬<lb/>
gebildeter Religionslehrer. Zum mindesten müßte es mit der bezeichneten<lb/>
Fakultas im Staatsexamen weit strenger genommen werden als bisher. &#x2014;<lb/>
Alle religiös Interessierten aber sollten sich zusammenthun, um von den Be¬<lb/>
hörden eine Garantie zu erlangen, daß Unbefugte zum Religionsunterricht nicht<lb/>
mehr herangezogen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2307"> Damit freilich übernahmen diese Interessierte» zugleich die Verpflichtung,<lb/>
nach ihrem Teil mit dazu beizutragen, daß der Bedarf an Religivnslehrern mit<lb/>
wirklich Befugten zu decken ist. Es müssen mehr Theologen, wissenschaftlich<lb/>
tüchtige Leute, die Theologie nicht nur so nebenher betrieben haben, ins<lb/>
Schulfach übergehn. &#x2014; Die hochfahrende Art der kirchlichen Behörden auf<lb/>
der letzten Eisenacher Kirchenkonferenz wird auf Männer, wie wir sie brauche»,<lb/>
nur abschreckend wirken. Leichtsinniges Aburteilen ist aus demselben Grunde<lb/>
höchst bedauerlich. &#x2014; Es sollte sich jeder bemühn, sich und andern unsern<lb/>
Beruf in seiner Bedeutung und seiner Schönheit klar zu machen. Denn es<lb/>
ist in der That ein schöner Beruf, der hohe Befriedigung gewähren kann &#x2014;<lb/>
man glaube es dem alten Oskar Jäger. Von wesentlichem Einfluß wird es<lb/>
sein, wie sich die theologischen Dozenten zur Sache stellen. Man begegnet<lb/>
gerade in akademischen Kreisen einer höchst befremdlichen und verhängnisvollen<lb/>
Geringschätzung unsrer Arbeit. Möchte das bald anders werden um der Schule,<lb/>
um des Religionsnnterrichts willen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2308"> Aber ist denn bei solchen Schwierigkeiten nicht am Ende doch die Bonussche<lb/>
Radikalknr zu empfehlen? &#x2014; Das käme auf die Probe an, eine gewagte Probe,<lb/>
über der die ohnehin bedenklich schwachen Reste von Religiosität im Volke<lb/>
vollends zusammenschrumpfen könnten. Diestels Mitteilungen aus England*)<lb/>
und unsre, der Religionslehrer, Erfahrungen bei den sogenannten Externen im<lb/>
Abiturientenexamen warnen ernst.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2309"> Es bleibe beim Religionsunterricht in der Schule, nicht aber bleibe es<lb/>
in allem beim alten. Vieles wartet auf Verbesserung. Wir sind am Werk.<lb/>
Man helfe uns in der bezeichneten Art, unsern Zielen näher zu rücken. Das<lb/>
wäre ein Verdienst, das wir dankbar anerkennen wollten.</p><lb/>
          <note type="byline"> Hans vollmer</note><lb/>
          <note xml:id="FID_65" place="foot"> Christliche Welt Ur. 38, 1900.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0622] geschafft werden. Mehr als in jedem andern Fache ist es im Religionsunter¬ richt von der untersten Stufe an erforderlich, daß der Lehrer aus dem Vollen schöpfe. Die Zartheit der Materie duldet keine Stümper, Gründliche theo¬ logische Bildung ist also die Hauptsache für jeden Religionslehrer an höhern Lehranstalten. Gute Kenntnisse sind zugleich die halbe Disziplin; ein gesunder Takt schafft die andre Hälfte und die Methode. Fakultas für Religionsunterricht nur auf der mittlern oder gar der untern Stufe sollte nicht mehr erteilt werden. Dadurch mag die eine oder die andre brauchbare Kraft verloren gehn; aber der Schaden ist gering gegenüber den Unterlassuugs- oder schlimmern Thatsünden theologisch nicht genügend vor¬ gebildeter Religionslehrer. Zum mindesten müßte es mit der bezeichneten Fakultas im Staatsexamen weit strenger genommen werden als bisher. — Alle religiös Interessierten aber sollten sich zusammenthun, um von den Be¬ hörden eine Garantie zu erlangen, daß Unbefugte zum Religionsunterricht nicht mehr herangezogen werden. Damit freilich übernahmen diese Interessierte» zugleich die Verpflichtung, nach ihrem Teil mit dazu beizutragen, daß der Bedarf an Religivnslehrern mit wirklich Befugten zu decken ist. Es müssen mehr Theologen, wissenschaftlich tüchtige Leute, die Theologie nicht nur so nebenher betrieben haben, ins Schulfach übergehn. — Die hochfahrende Art der kirchlichen Behörden auf der letzten Eisenacher Kirchenkonferenz wird auf Männer, wie wir sie brauche», nur abschreckend wirken. Leichtsinniges Aburteilen ist aus demselben Grunde höchst bedauerlich. — Es sollte sich jeder bemühn, sich und andern unsern Beruf in seiner Bedeutung und seiner Schönheit klar zu machen. Denn es ist in der That ein schöner Beruf, der hohe Befriedigung gewähren kann — man glaube es dem alten Oskar Jäger. Von wesentlichem Einfluß wird es sein, wie sich die theologischen Dozenten zur Sache stellen. Man begegnet gerade in akademischen Kreisen einer höchst befremdlichen und verhängnisvollen Geringschätzung unsrer Arbeit. Möchte das bald anders werden um der Schule, um des Religionsnnterrichts willen! Aber ist denn bei solchen Schwierigkeiten nicht am Ende doch die Bonussche Radikalknr zu empfehlen? — Das käme auf die Probe an, eine gewagte Probe, über der die ohnehin bedenklich schwachen Reste von Religiosität im Volke vollends zusammenschrumpfen könnten. Diestels Mitteilungen aus England*) und unsre, der Religionslehrer, Erfahrungen bei den sogenannten Externen im Abiturientenexamen warnen ernst. Es bleibe beim Religionsunterricht in der Schule, nicht aber bleibe es in allem beim alten. Vieles wartet auf Verbesserung. Wir sind am Werk. Man helfe uns in der bezeichneten Art, unsern Zielen näher zu rücken. Das wäre ein Verdienst, das wir dankbar anerkennen wollten. Hans vollmer Christliche Welt Ur. 38, 1900.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/622
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/622>, abgerufen am 16.06.2024.