Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Cuba, daß sich die einheimische Bevölkerung aus Ärger über die immer wieder Alles in allem genommen muß mau sagen, daß die Angriffsfläche der Ver¬ Der Schutz dieser Kolonien wird in Zukunft immer große militärische und Mehr und mehr scheint sich überdies in Amerika die Neigung breit machen Aber in der Zukunft wird man doch mit der Möglichkeit eines derartigen Die militärischen Absichten und Ziele, die man bei den Vereinigten Vollständige Unterwerfung und militärische Besetzung der überseeischen Be¬ Es ist ohne weiteres klar, daß die bisherigen Machtmittel den so erweiterten Nach dem Etatsgesetz von 1899 geht die Periode, für deren Dauer die augen¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches Cuba, daß sich die einheimische Bevölkerung aus Ärger über die immer wieder Alles in allem genommen muß mau sagen, daß die Angriffsfläche der Ver¬ Der Schutz dieser Kolonien wird in Zukunft immer große militärische und Mehr und mehr scheint sich überdies in Amerika die Neigung breit machen Aber in der Zukunft wird man doch mit der Möglichkeit eines derartigen Die militärischen Absichten und Ziele, die man bei den Vereinigten Vollständige Unterwerfung und militärische Besetzung der überseeischen Be¬ Es ist ohne weiteres klar, daß die bisherigen Machtmittel den so erweiterten Nach dem Etatsgesetz von 1899 geht die Periode, für deren Dauer die augen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0636" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291713"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2506" prev="#ID_2505"> Cuba, daß sich die einheimische Bevölkerung aus Ärger über die immer wieder<lb/> hincmsgeschobne Erfüllung des Versprechens der Selbstregierung rennend und wider¬<lb/> willig zeige. Auf die Unterhaltung von Militärgarnisonen wird darum noch nicht<lb/> so bald verzichtet werden können. Ein wunder Puukt sind auch die Philippinen.<lb/> Trotz aller während des Wahlkampfs gegebnen Versicherungen, daß die Pazifizierung<lb/> der Inseln unmittelbar bevorstehe, sind doch die Angriffe der aufständischen Ein-<lb/> gebornen immer häufiger geworden, und die täglich einlaufenden amerikanischen Ver¬<lb/> lustlisten werden nicht kürzer. Hiermit hängt auch die Zurückziehung der ameri¬<lb/> kanischen Truppen aus China eng zusammen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2507"> Alles in allem genommen muß mau sagen, daß die Angriffsfläche der Ver¬<lb/> einigten Staaten durch den Erwerb der neuen Kolonien, so wichtig diese auch für<lb/> die Entwicklung der Handels- und Weltmacht sein mögen, sehr zugenommen hat<lb/> und ihre relative Uuangreifbarkeit dadurch entsprechend vermindert worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2508"> Der Schutz dieser Kolonien wird in Zukunft immer große militärische und<lb/> maritime Anforderungen stellen. Später wird hierzu noch die weitere Aufgabe des<lb/> Schutzes des interozeanischen Kanals kommen. Denn ob nun der Panama¬<lb/> oder der Nicaraguakanal gebaut wird, die Oberaufsicht über diese Verkehrsstraße<lb/> werden sich die Vereinigten Staaten nicht entgehn lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2509"> Mehr und mehr scheint sich überdies in Amerika die Neigung breit machen<lb/> zu wollen, die bekannte Monroedoktrin nach der Richtung hin auszudehnen, daß<lb/> sich die Vereinigten Staaten in jedem Konflikt einer fremden Macht mit irgend<lb/> einer der amerikanischen Republiken die Stelle des Schiedsrichters anmaßen und so<lb/> andern Staaten das Recht der direkten Schlichtung ihrer Streitfragen verkümmern<lb/> wollen. Erst kürzlich hat die amerikanische Presse ähnliche Gedanken bei dem Ein¬<lb/> schreiten eines französischen Kriegsschiffes gegen San Domingo geäußert. Bei den<lb/> gegenwärtigen Machtverhnltnissen würde sich die amerikanische Regierung heute<lb/> wohl noch besinnen, ehe sie es in einem solchen Falle zum Konflikt kommen ließe.</p><lb/> <p xml:id="ID_2510"> Aber in der Zukunft wird man doch mit der Möglichkeit eines derartigen<lb/> amerikanischen Auftretens rechnen müssen, zumal da sich bei der bekannten nationalen<lb/> Empfindlichkeit und Selbstüberhebung der Amerikaner zweifellos zahlreiche Anhänger<lb/> eines solchen Vorgehns finden würden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2511"> Die militärischen Absichten und Ziele, die man bei den Vereinigten<lb/> Staaten über die bisherigen (Deckung des eignen Landes gegen feindliche Angriffe)<lb/> hinaus vermuten darf, lassen sich hiernach wie folgt zusammenfassen:</p><lb/> <p xml:id="ID_2512"> Vollständige Unterwerfung und militärische Besetzung der überseeischen Be¬<lb/> sitzungen und deren Deckung gegen feindliche Angriffe im Kriege, b) Wirksame<lb/> Vertretung der politischen und der Handelsinteressen in Ostasien, o) Deckung des<lb/> interozeanischen Kanals, ä) Aufrechterhaltung des Rechts der Intervention in allen<lb/> Streitigkeiten der Staaten Amerikas mit europäischen Mächten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2513"> Es ist ohne weiteres klar, daß die bisherigen Machtmittel den so erweiterten<lb/> Aufgaben weder quantitativ noch qualitativ genügen können. Für die unter a und b<lb/> genannten Aufgaben würde es in erster Linie einer Stärkung der Armee bedürfen.<lb/> Diese enthält zur Zeit rund 99000 Mann, 66000 in der regulären und 33000 in<lb/> der freiwilligen Armee, von denen etwa 71000 Mann in den Philippinen stehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_2514" next="#ID_2515"> Nach dem Etatsgesetz von 1899 geht die Periode, für deren Dauer die augen¬<lb/> blickliche Etatsstärke (100000 Mann) bewilligt war, am 1. Juli nächsten Jahres<lb/> zu Ende. Mit diesem Termin ist die Armee auf den frühern Bestand von 27 000<lb/> Mann zurückzuführen. Aber diese Zahl genügt eingestandnermaßen schon im Frieden<lb/> nicht. Ganz besonders fehlt es an Artilleristen. Der Kongreß wird sich zunächst<lb/> also mit einer Vergrößerung der Armee zu beschäftigen haben. Symptome<lb/> mancherlei Art lassen darauf schließen, daß die Lust am militärischen Beruf unter<lb/> den zur Zeit bei den Fahnen stehenden Freiwilligen im Schwinden begriffen ist.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0636]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Cuba, daß sich die einheimische Bevölkerung aus Ärger über die immer wieder
hincmsgeschobne Erfüllung des Versprechens der Selbstregierung rennend und wider¬
willig zeige. Auf die Unterhaltung von Militärgarnisonen wird darum noch nicht
so bald verzichtet werden können. Ein wunder Puukt sind auch die Philippinen.
Trotz aller während des Wahlkampfs gegebnen Versicherungen, daß die Pazifizierung
der Inseln unmittelbar bevorstehe, sind doch die Angriffe der aufständischen Ein-
gebornen immer häufiger geworden, und die täglich einlaufenden amerikanischen Ver¬
lustlisten werden nicht kürzer. Hiermit hängt auch die Zurückziehung der ameri¬
kanischen Truppen aus China eng zusammen.
Alles in allem genommen muß mau sagen, daß die Angriffsfläche der Ver¬
einigten Staaten durch den Erwerb der neuen Kolonien, so wichtig diese auch für
die Entwicklung der Handels- und Weltmacht sein mögen, sehr zugenommen hat
und ihre relative Uuangreifbarkeit dadurch entsprechend vermindert worden ist.
Der Schutz dieser Kolonien wird in Zukunft immer große militärische und
maritime Anforderungen stellen. Später wird hierzu noch die weitere Aufgabe des
Schutzes des interozeanischen Kanals kommen. Denn ob nun der Panama¬
oder der Nicaraguakanal gebaut wird, die Oberaufsicht über diese Verkehrsstraße
werden sich die Vereinigten Staaten nicht entgehn lassen.
Mehr und mehr scheint sich überdies in Amerika die Neigung breit machen
zu wollen, die bekannte Monroedoktrin nach der Richtung hin auszudehnen, daß
sich die Vereinigten Staaten in jedem Konflikt einer fremden Macht mit irgend
einer der amerikanischen Republiken die Stelle des Schiedsrichters anmaßen und so
andern Staaten das Recht der direkten Schlichtung ihrer Streitfragen verkümmern
wollen. Erst kürzlich hat die amerikanische Presse ähnliche Gedanken bei dem Ein¬
schreiten eines französischen Kriegsschiffes gegen San Domingo geäußert. Bei den
gegenwärtigen Machtverhnltnissen würde sich die amerikanische Regierung heute
wohl noch besinnen, ehe sie es in einem solchen Falle zum Konflikt kommen ließe.
Aber in der Zukunft wird man doch mit der Möglichkeit eines derartigen
amerikanischen Auftretens rechnen müssen, zumal da sich bei der bekannten nationalen
Empfindlichkeit und Selbstüberhebung der Amerikaner zweifellos zahlreiche Anhänger
eines solchen Vorgehns finden würden.
Die militärischen Absichten und Ziele, die man bei den Vereinigten
Staaten über die bisherigen (Deckung des eignen Landes gegen feindliche Angriffe)
hinaus vermuten darf, lassen sich hiernach wie folgt zusammenfassen:
Vollständige Unterwerfung und militärische Besetzung der überseeischen Be¬
sitzungen und deren Deckung gegen feindliche Angriffe im Kriege, b) Wirksame
Vertretung der politischen und der Handelsinteressen in Ostasien, o) Deckung des
interozeanischen Kanals, ä) Aufrechterhaltung des Rechts der Intervention in allen
Streitigkeiten der Staaten Amerikas mit europäischen Mächten.
Es ist ohne weiteres klar, daß die bisherigen Machtmittel den so erweiterten
Aufgaben weder quantitativ noch qualitativ genügen können. Für die unter a und b
genannten Aufgaben würde es in erster Linie einer Stärkung der Armee bedürfen.
Diese enthält zur Zeit rund 99000 Mann, 66000 in der regulären und 33000 in
der freiwilligen Armee, von denen etwa 71000 Mann in den Philippinen stehn.
Nach dem Etatsgesetz von 1899 geht die Periode, für deren Dauer die augen¬
blickliche Etatsstärke (100000 Mann) bewilligt war, am 1. Juli nächsten Jahres
zu Ende. Mit diesem Termin ist die Armee auf den frühern Bestand von 27 000
Mann zurückzuführen. Aber diese Zahl genügt eingestandnermaßen schon im Frieden
nicht. Ganz besonders fehlt es an Artilleristen. Der Kongreß wird sich zunächst
also mit einer Vergrößerung der Armee zu beschäftigen haben. Symptome
mancherlei Art lassen darauf schließen, daß die Lust am militärischen Beruf unter
den zur Zeit bei den Fahnen stehenden Freiwilligen im Schwinden begriffen ist.
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