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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Kurfürst Friedrich HI.

Wünsche, die die Kurie mit dieser Anerkennung verband, hat sich aber auch
König Friedrich Wilhelm II. nicht eingelassen, und es bleibt für alle Zeiten
erfreulich, daß der preußische Staat sie durch keine Zugeständnisse erkauft hat,
die in irgend welcher Weise seine Selbständigkeit der Kurie gegenüber hätten
in Frage stellen oder beeinträchtigen können.

Den Verpflichtungen, die König Friedrich dem Kaiser gegenüber für dessen
Zustimmung zur Annahme des Königstitels übernommen hatte, ist er gewissen¬
haft nachgekommen. In dem spanischen Erbfolgekriege haben die preußischen
Hilfstruppen dem Kaiser wesentliche Dienste geleistet. In der Schlacht von
Höchstedt am 13. August 1704 haben sich die preußischen Regimenter ganz
besonders ausgezeichnet. Nicht minder war dies auf dem Kriegsschauplatz in
Italien der Fall, auf den König Friedrich 8000 Mann der besten preußischen
Truppen unter dem Oberbefehl des Fürsten Leopold von Dessau dem kaiser¬
lichen Feldherrn Prinz Engen zur Hilfe sandte. Die Schlachten bei Cassano
am 16. August 1705 und bei Turin am 17. September 1706 stehn als Ehren¬
tage des preußischen Heers in der Geschichte verzeichnet. Nicht minder wert¬
volle Bundesgenossen sind die Preußen für Österreich auf dem Kriegsschauplatz
in den Niederlanden gewesen, wo sie zu den Siegen, die der Herzog von
Marlborough am 11. Juni 1708 bei Oudenarde und am 11. September 1709
bei Malplaanet über die französischen Heere davontrug, wesentlich beigetragen
haben. Die Beendigung des spanischen Erbfolgekriegs durch den Frieden zu
Utrecht am 11. April 1713 hat König Friedrich I. nicht mehr erlebt. Aber
schon in den noch bei seinen Lebzeiten eingeleiteten Verhandlungen über
diesen Frieden stellte es sich heraus, daß das junge preußische Königreich
keinen den wertvollen Leistungen seiner Truppen entsprechenden Lohn er¬
halten sollte.

König Friedrich I. und noch mehr sein Nachfolger Friedrich Wilhelm I.
haben wegen des Danks vom Hause Österreich bittere Erfahrungen zu machen
gehabt, und erst Friedrich dem Großen ist es beschieden gewesen, zu dem
Glänze der Königskrone auch die entsprechende Machtfülle hinzuzufügen.

Vorahnend hat der Staatsmann, der in glänzender Weise zu dem be¬
friedigenden Abschluß der Verhandlungen in der Kronfrage beigetragen hat,
der Gesandte Bartholdi, schon damals die Erwerbung des Königstitels für
einen Schritt vorwärts auf der Staffel zum Kaiserthron angesehen. In
einem von ihm verfaßten Gutachten über die Vorteile, die die neue Krone
dem Hause Brandenburg gebracht habe, spricht er zum Schluß von den Aus¬
sichten der Hohenzollern auf den Kaiserthron, indem er schreibt. "Daß, wenn
der Mannesstamm des Hauses Österreich, welches nicht zu wünschen wäre, er¬
löschen sollte, oder aus unmündigen Kindern, die zum Kaisertum nicht fähig,
bestehn würde, und die Evangelischen nachmals mehr emporkämen, das kur¬
fürstliche Kollegium die Augen auf Ihre Königliche Majestät fast notwendig
richten müsse." Kein deutsches Haus, so führt er aus, habe so vielfältige An¬
wartschaft, an Macht staatlich vermehrt zu werden. Die deutschen Fürsten


Grenzboten IV 1S00 76
Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Kurfürst Friedrich HI.

Wünsche, die die Kurie mit dieser Anerkennung verband, hat sich aber auch
König Friedrich Wilhelm II. nicht eingelassen, und es bleibt für alle Zeiten
erfreulich, daß der preußische Staat sie durch keine Zugeständnisse erkauft hat,
die in irgend welcher Weise seine Selbständigkeit der Kurie gegenüber hätten
in Frage stellen oder beeinträchtigen können.

Den Verpflichtungen, die König Friedrich dem Kaiser gegenüber für dessen
Zustimmung zur Annahme des Königstitels übernommen hatte, ist er gewissen¬
haft nachgekommen. In dem spanischen Erbfolgekriege haben die preußischen
Hilfstruppen dem Kaiser wesentliche Dienste geleistet. In der Schlacht von
Höchstedt am 13. August 1704 haben sich die preußischen Regimenter ganz
besonders ausgezeichnet. Nicht minder war dies auf dem Kriegsschauplatz in
Italien der Fall, auf den König Friedrich 8000 Mann der besten preußischen
Truppen unter dem Oberbefehl des Fürsten Leopold von Dessau dem kaiser¬
lichen Feldherrn Prinz Engen zur Hilfe sandte. Die Schlachten bei Cassano
am 16. August 1705 und bei Turin am 17. September 1706 stehn als Ehren¬
tage des preußischen Heers in der Geschichte verzeichnet. Nicht minder wert¬
volle Bundesgenossen sind die Preußen für Österreich auf dem Kriegsschauplatz
in den Niederlanden gewesen, wo sie zu den Siegen, die der Herzog von
Marlborough am 11. Juni 1708 bei Oudenarde und am 11. September 1709
bei Malplaanet über die französischen Heere davontrug, wesentlich beigetragen
haben. Die Beendigung des spanischen Erbfolgekriegs durch den Frieden zu
Utrecht am 11. April 1713 hat König Friedrich I. nicht mehr erlebt. Aber
schon in den noch bei seinen Lebzeiten eingeleiteten Verhandlungen über
diesen Frieden stellte es sich heraus, daß das junge preußische Königreich
keinen den wertvollen Leistungen seiner Truppen entsprechenden Lohn er¬
halten sollte.

König Friedrich I. und noch mehr sein Nachfolger Friedrich Wilhelm I.
haben wegen des Danks vom Hause Österreich bittere Erfahrungen zu machen
gehabt, und erst Friedrich dem Großen ist es beschieden gewesen, zu dem
Glänze der Königskrone auch die entsprechende Machtfülle hinzuzufügen.

Vorahnend hat der Staatsmann, der in glänzender Weise zu dem be¬
friedigenden Abschluß der Verhandlungen in der Kronfrage beigetragen hat,
der Gesandte Bartholdi, schon damals die Erwerbung des Königstitels für
einen Schritt vorwärts auf der Staffel zum Kaiserthron angesehen. In
einem von ihm verfaßten Gutachten über die Vorteile, die die neue Krone
dem Hause Brandenburg gebracht habe, spricht er zum Schluß von den Aus¬
sichten der Hohenzollern auf den Kaiserthron, indem er schreibt. „Daß, wenn
der Mannesstamm des Hauses Österreich, welches nicht zu wünschen wäre, er¬
löschen sollte, oder aus unmündigen Kindern, die zum Kaisertum nicht fähig,
bestehn würde, und die Evangelischen nachmals mehr emporkämen, das kur¬
fürstliche Kollegium die Augen auf Ihre Königliche Majestät fast notwendig
richten müsse." Kein deutsches Haus, so führt er aus, habe so vielfältige An¬
wartschaft, an Macht staatlich vermehrt zu werden. Die deutschen Fürsten


Grenzboten IV 1S00 76
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[0659] Die Erwerbung der preußischen Königskrone durch Kurfürst Friedrich HI. Wünsche, die die Kurie mit dieser Anerkennung verband, hat sich aber auch König Friedrich Wilhelm II. nicht eingelassen, und es bleibt für alle Zeiten erfreulich, daß der preußische Staat sie durch keine Zugeständnisse erkauft hat, die in irgend welcher Weise seine Selbständigkeit der Kurie gegenüber hätten in Frage stellen oder beeinträchtigen können. Den Verpflichtungen, die König Friedrich dem Kaiser gegenüber für dessen Zustimmung zur Annahme des Königstitels übernommen hatte, ist er gewissen¬ haft nachgekommen. In dem spanischen Erbfolgekriege haben die preußischen Hilfstruppen dem Kaiser wesentliche Dienste geleistet. In der Schlacht von Höchstedt am 13. August 1704 haben sich die preußischen Regimenter ganz besonders ausgezeichnet. Nicht minder war dies auf dem Kriegsschauplatz in Italien der Fall, auf den König Friedrich 8000 Mann der besten preußischen Truppen unter dem Oberbefehl des Fürsten Leopold von Dessau dem kaiser¬ lichen Feldherrn Prinz Engen zur Hilfe sandte. Die Schlachten bei Cassano am 16. August 1705 und bei Turin am 17. September 1706 stehn als Ehren¬ tage des preußischen Heers in der Geschichte verzeichnet. Nicht minder wert¬ volle Bundesgenossen sind die Preußen für Österreich auf dem Kriegsschauplatz in den Niederlanden gewesen, wo sie zu den Siegen, die der Herzog von Marlborough am 11. Juni 1708 bei Oudenarde und am 11. September 1709 bei Malplaanet über die französischen Heere davontrug, wesentlich beigetragen haben. Die Beendigung des spanischen Erbfolgekriegs durch den Frieden zu Utrecht am 11. April 1713 hat König Friedrich I. nicht mehr erlebt. Aber schon in den noch bei seinen Lebzeiten eingeleiteten Verhandlungen über diesen Frieden stellte es sich heraus, daß das junge preußische Königreich keinen den wertvollen Leistungen seiner Truppen entsprechenden Lohn er¬ halten sollte. König Friedrich I. und noch mehr sein Nachfolger Friedrich Wilhelm I. haben wegen des Danks vom Hause Österreich bittere Erfahrungen zu machen gehabt, und erst Friedrich dem Großen ist es beschieden gewesen, zu dem Glänze der Königskrone auch die entsprechende Machtfülle hinzuzufügen. Vorahnend hat der Staatsmann, der in glänzender Weise zu dem be¬ friedigenden Abschluß der Verhandlungen in der Kronfrage beigetragen hat, der Gesandte Bartholdi, schon damals die Erwerbung des Königstitels für einen Schritt vorwärts auf der Staffel zum Kaiserthron angesehen. In einem von ihm verfaßten Gutachten über die Vorteile, die die neue Krone dem Hause Brandenburg gebracht habe, spricht er zum Schluß von den Aus¬ sichten der Hohenzollern auf den Kaiserthron, indem er schreibt. „Daß, wenn der Mannesstamm des Hauses Österreich, welches nicht zu wünschen wäre, er¬ löschen sollte, oder aus unmündigen Kindern, die zum Kaisertum nicht fähig, bestehn würde, und die Evangelischen nachmals mehr emporkämen, das kur¬ fürstliche Kollegium die Augen auf Ihre Königliche Majestät fast notwendig richten müsse." Kein deutsches Haus, so führt er aus, habe so vielfältige An¬ wartschaft, an Macht staatlich vermehrt zu werden. Die deutschen Fürsten Grenzboten IV 1S00 76

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/659>, abgerufen am 16.06.2024.