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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Allerlei Neues vom Monde

meine Andächtigen, wissen sie auch, ob sie wirklich so heißen? -- Das ist natürlich
ein alberner Schnack, worin jedoch ein Körnlein Wahrheit steckt. Denn in der That
kennen wir die Wesenheit der Dinge, die wir benennen wollen, nicht, wir nehmen
kraft unsrer Sinne immer nur einzelne Merkmale wahr, deren Vereinigung uns
die unbekannte Größe selbst ersetzen muß. Und so treffen wir auch mit unsern be¬
schränkten Ausdrucksmittcln, den Wörtern, niemals das Ding um sich, um deu
Kantischen Ausdruck zu gebrauchen, ja nicht einmal die Gesamtheit seiner Merkmale,
sondern nur eine einzige seiner Eigenschaften, Das Menschenkind, das einmal in
unvordenklicher Zeit den Namen für das weißglänzende Metall, das wir jetzt Silber
nennen, erfand, hat sicherlich nur seinen Glanz im Auge gehabt und diesen be¬
zeichnen wollen, und so bei unzähligen andern Gegenständen. Erst nach langen
Zeiträumen schwindet die ursprüngliche Bedeutung der gewählten Bezeichnung ans
dem Bewußtsein, sodnß sich nnn das Wort mit dem Begriffe völlig zu decken scheint.
Zugleich aber häufen sich die Benennungen für ein und denselben Gegenstand. Denn
einmal fordert an sich die Vielseitigkeit der Dinge zu verschiednen Bezeichnungen
heraus, sodann ändert sich oftmals die Beschaffenheit der Dinge, oder es werden
neue Eigenschaften wahrgenommen, auch wohl deren Wirkungen anders empfunden,
drittens werden alte verbrauchte Wörter abgestoßen und durch gleichartige Neu¬
bildungen ersetzt. Und dieser Prozeß, der oftmals zu stocken scheint, aber niemals
vollkommen erlischt und namentlich bei den Trennungen der Völkergruppen rege
wird, verursacht die Umwälzungen und Veränderungen, die in dem Wortschatz jeder
Sprache wahrnehmbar sind. Dabei ist die aller Sprachbildung anhaftende Neigung
zum bildlichen Ausdruck von der größte" Bedeutung. Aber auch die Berührungen
mit fremdem Volkstum sind in der Regel von einschneidenden Folgen begleitet:
dnrch die Aufnahme zahlreicher Lehnwörter, die sich übrigens ein kräftiges Sprach¬
gefühl bald anzupassen weiß, wird häufig für Lücken Ersatz geschafft oder veraltetes
Sprachgut verdrängt. Von diesen Grundgedanken aus wollen wir jetzt den alters¬
grauen Genossen unsrer Erde betrachten. Sind diese Gedanken selbst keineswegs
nen, so dürfte doch ihre Anwendung auf deu vorliegenden Fall etwas neues sein.

Das große Gestirn, das vor allen andern den nächtlichen Himmel erhellt, wird
im Sanskrit mit dem Worte os,s bezeichnet. Dieses gehört vermutlich einer Wurzel
an, die eigentlich messen bedeutet, und aus der unter andern auch das eben ge¬
brauchte deutsche Wort wie das lateinische mstiri entstanden ist. Das Wort in^s
bedeutet also eigentlich den "Messer." Und in der That ist ja der Mond das
Gestirn, nach dessen Wandlungen alle Kulturvölker -- die Ägypter ausgenommen --
zuerst die Zeit gemessen und berechnet haben. Das Mondjahr ist -- bei den Indo-
germanen wenigstens -- der Vorläufer des Sonnenjahres; wie geläufig noch den
Griechen diese Art der Jahresrechnung war, lehrt die Bewundrung, die Herodot
dem Sonnenjahr der Ägypter als eiuer neuen und unbekannten Erscheinung zollt.
Da ist es denn kein Wunder, wenn man das Gestirn, nach dem man den Wandel
der Zeiten abmaß, schlechtweg als den Messer bezeichnete. Das thaten nicht nur
die hellfarbigen Fremdlinge, die über die Pässe des Hindukusch ziehend sich zunächst
im Pendschab niederließen, sondern auch deren Verwandte, die sich in Vorderasien
und Europa ausbreiteten. Denn wir finden deu Widerschein des altindischen Wortes
in der ganzen indogermanischen Welt. Das altiranische ins-vnd, das armenische
lenis, das germanische meng, und ins-no mit all seinen mundartlichen Spaltungen,
das litauische wenn, das slawische nuzs-ryi und inesstö, das keltische wi -- die
ganze Schar dieser Bildungen legt ein beredtes Zeugnis ab für die Beharrlichkeit
und Treue, mit der die Völker des indogermanischen Stamms an dem alten Erbe
der Urheimat festgehalten haben.

Nur die Hellenen und die Jtaliker haben sich, so scheint es, seiner entäußert; die
Ausdrücke, die im Griechischen und im Lateinischen für die Bezeichnung des Mondes


Allerlei Neues vom Monde

meine Andächtigen, wissen sie auch, ob sie wirklich so heißen? — Das ist natürlich
ein alberner Schnack, worin jedoch ein Körnlein Wahrheit steckt. Denn in der That
kennen wir die Wesenheit der Dinge, die wir benennen wollen, nicht, wir nehmen
kraft unsrer Sinne immer nur einzelne Merkmale wahr, deren Vereinigung uns
die unbekannte Größe selbst ersetzen muß. Und so treffen wir auch mit unsern be¬
schränkten Ausdrucksmittcln, den Wörtern, niemals das Ding um sich, um deu
Kantischen Ausdruck zu gebrauchen, ja nicht einmal die Gesamtheit seiner Merkmale,
sondern nur eine einzige seiner Eigenschaften, Das Menschenkind, das einmal in
unvordenklicher Zeit den Namen für das weißglänzende Metall, das wir jetzt Silber
nennen, erfand, hat sicherlich nur seinen Glanz im Auge gehabt und diesen be¬
zeichnen wollen, und so bei unzähligen andern Gegenständen. Erst nach langen
Zeiträumen schwindet die ursprüngliche Bedeutung der gewählten Bezeichnung ans
dem Bewußtsein, sodnß sich nnn das Wort mit dem Begriffe völlig zu decken scheint.
Zugleich aber häufen sich die Benennungen für ein und denselben Gegenstand. Denn
einmal fordert an sich die Vielseitigkeit der Dinge zu verschiednen Bezeichnungen
heraus, sodann ändert sich oftmals die Beschaffenheit der Dinge, oder es werden
neue Eigenschaften wahrgenommen, auch wohl deren Wirkungen anders empfunden,
drittens werden alte verbrauchte Wörter abgestoßen und durch gleichartige Neu¬
bildungen ersetzt. Und dieser Prozeß, der oftmals zu stocken scheint, aber niemals
vollkommen erlischt und namentlich bei den Trennungen der Völkergruppen rege
wird, verursacht die Umwälzungen und Veränderungen, die in dem Wortschatz jeder
Sprache wahrnehmbar sind. Dabei ist die aller Sprachbildung anhaftende Neigung
zum bildlichen Ausdruck von der größte» Bedeutung. Aber auch die Berührungen
mit fremdem Volkstum sind in der Regel von einschneidenden Folgen begleitet:
dnrch die Aufnahme zahlreicher Lehnwörter, die sich übrigens ein kräftiges Sprach¬
gefühl bald anzupassen weiß, wird häufig für Lücken Ersatz geschafft oder veraltetes
Sprachgut verdrängt. Von diesen Grundgedanken aus wollen wir jetzt den alters¬
grauen Genossen unsrer Erde betrachten. Sind diese Gedanken selbst keineswegs
nen, so dürfte doch ihre Anwendung auf deu vorliegenden Fall etwas neues sein.

Das große Gestirn, das vor allen andern den nächtlichen Himmel erhellt, wird
im Sanskrit mit dem Worte os,s bezeichnet. Dieses gehört vermutlich einer Wurzel
an, die eigentlich messen bedeutet, und aus der unter andern auch das eben ge¬
brauchte deutsche Wort wie das lateinische mstiri entstanden ist. Das Wort in^s
bedeutet also eigentlich den „Messer." Und in der That ist ja der Mond das
Gestirn, nach dessen Wandlungen alle Kulturvölker — die Ägypter ausgenommen —
zuerst die Zeit gemessen und berechnet haben. Das Mondjahr ist — bei den Indo-
germanen wenigstens — der Vorläufer des Sonnenjahres; wie geläufig noch den
Griechen diese Art der Jahresrechnung war, lehrt die Bewundrung, die Herodot
dem Sonnenjahr der Ägypter als eiuer neuen und unbekannten Erscheinung zollt.
Da ist es denn kein Wunder, wenn man das Gestirn, nach dem man den Wandel
der Zeiten abmaß, schlechtweg als den Messer bezeichnete. Das thaten nicht nur
die hellfarbigen Fremdlinge, die über die Pässe des Hindukusch ziehend sich zunächst
im Pendschab niederließen, sondern auch deren Verwandte, die sich in Vorderasien
und Europa ausbreiteten. Denn wir finden deu Widerschein des altindischen Wortes
in der ganzen indogermanischen Welt. Das altiranische ins-vnd, das armenische
lenis, das germanische meng, und ins-no mit all seinen mundartlichen Spaltungen,
das litauische wenn, das slawische nuzs-ryi und inesstö, das keltische wi — die
ganze Schar dieser Bildungen legt ein beredtes Zeugnis ab für die Beharrlichkeit
und Treue, mit der die Völker des indogermanischen Stamms an dem alten Erbe
der Urheimat festgehalten haben.

Nur die Hellenen und die Jtaliker haben sich, so scheint es, seiner entäußert; die
Ausdrücke, die im Griechischen und im Lateinischen für die Bezeichnung des Mondes


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[0677] Allerlei Neues vom Monde meine Andächtigen, wissen sie auch, ob sie wirklich so heißen? — Das ist natürlich ein alberner Schnack, worin jedoch ein Körnlein Wahrheit steckt. Denn in der That kennen wir die Wesenheit der Dinge, die wir benennen wollen, nicht, wir nehmen kraft unsrer Sinne immer nur einzelne Merkmale wahr, deren Vereinigung uns die unbekannte Größe selbst ersetzen muß. Und so treffen wir auch mit unsern be¬ schränkten Ausdrucksmittcln, den Wörtern, niemals das Ding um sich, um deu Kantischen Ausdruck zu gebrauchen, ja nicht einmal die Gesamtheit seiner Merkmale, sondern nur eine einzige seiner Eigenschaften, Das Menschenkind, das einmal in unvordenklicher Zeit den Namen für das weißglänzende Metall, das wir jetzt Silber nennen, erfand, hat sicherlich nur seinen Glanz im Auge gehabt und diesen be¬ zeichnen wollen, und so bei unzähligen andern Gegenständen. Erst nach langen Zeiträumen schwindet die ursprüngliche Bedeutung der gewählten Bezeichnung ans dem Bewußtsein, sodnß sich nnn das Wort mit dem Begriffe völlig zu decken scheint. Zugleich aber häufen sich die Benennungen für ein und denselben Gegenstand. Denn einmal fordert an sich die Vielseitigkeit der Dinge zu verschiednen Bezeichnungen heraus, sodann ändert sich oftmals die Beschaffenheit der Dinge, oder es werden neue Eigenschaften wahrgenommen, auch wohl deren Wirkungen anders empfunden, drittens werden alte verbrauchte Wörter abgestoßen und durch gleichartige Neu¬ bildungen ersetzt. Und dieser Prozeß, der oftmals zu stocken scheint, aber niemals vollkommen erlischt und namentlich bei den Trennungen der Völkergruppen rege wird, verursacht die Umwälzungen und Veränderungen, die in dem Wortschatz jeder Sprache wahrnehmbar sind. Dabei ist die aller Sprachbildung anhaftende Neigung zum bildlichen Ausdruck von der größte» Bedeutung. Aber auch die Berührungen mit fremdem Volkstum sind in der Regel von einschneidenden Folgen begleitet: dnrch die Aufnahme zahlreicher Lehnwörter, die sich übrigens ein kräftiges Sprach¬ gefühl bald anzupassen weiß, wird häufig für Lücken Ersatz geschafft oder veraltetes Sprachgut verdrängt. Von diesen Grundgedanken aus wollen wir jetzt den alters¬ grauen Genossen unsrer Erde betrachten. Sind diese Gedanken selbst keineswegs nen, so dürfte doch ihre Anwendung auf deu vorliegenden Fall etwas neues sein. Das große Gestirn, das vor allen andern den nächtlichen Himmel erhellt, wird im Sanskrit mit dem Worte os,s bezeichnet. Dieses gehört vermutlich einer Wurzel an, die eigentlich messen bedeutet, und aus der unter andern auch das eben ge¬ brauchte deutsche Wort wie das lateinische mstiri entstanden ist. Das Wort in^s bedeutet also eigentlich den „Messer." Und in der That ist ja der Mond das Gestirn, nach dessen Wandlungen alle Kulturvölker — die Ägypter ausgenommen — zuerst die Zeit gemessen und berechnet haben. Das Mondjahr ist — bei den Indo- germanen wenigstens — der Vorläufer des Sonnenjahres; wie geläufig noch den Griechen diese Art der Jahresrechnung war, lehrt die Bewundrung, die Herodot dem Sonnenjahr der Ägypter als eiuer neuen und unbekannten Erscheinung zollt. Da ist es denn kein Wunder, wenn man das Gestirn, nach dem man den Wandel der Zeiten abmaß, schlechtweg als den Messer bezeichnete. Das thaten nicht nur die hellfarbigen Fremdlinge, die über die Pässe des Hindukusch ziehend sich zunächst im Pendschab niederließen, sondern auch deren Verwandte, die sich in Vorderasien und Europa ausbreiteten. Denn wir finden deu Widerschein des altindischen Wortes in der ganzen indogermanischen Welt. Das altiranische ins-vnd, das armenische lenis, das germanische meng, und ins-no mit all seinen mundartlichen Spaltungen, das litauische wenn, das slawische nuzs-ryi und inesstö, das keltische wi — die ganze Schar dieser Bildungen legt ein beredtes Zeugnis ab für die Beharrlichkeit und Treue, mit der die Völker des indogermanischen Stamms an dem alten Erbe der Urheimat festgehalten haben. Nur die Hellenen und die Jtaliker haben sich, so scheint es, seiner entäußert; die Ausdrücke, die im Griechischen und im Lateinischen für die Bezeichnung des Mondes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/677>, abgerufen am 16.06.2024.