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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Unsre Aohlennot

und Braunkolllenbergwerke bemüht, schon um die günstige Konjunktur auszu¬
nützen, ihre Förderung weiter zu erhöhn. Aber es wäre doch notwendig, dnß
das Publikum aufhörte, sich schon im voraus für ein ganzes Jahr mit Brenn¬
material zu versehen. Solche Mengen mit einmal zu liefern sind die Berg¬
werke außer stände. Es wird also zur Beseitigung der angeblichen Kohlennot
zu allererst darauf ankommen, daß die Presse das Publikum zur Besonnenheit
ermahnt. Sobald sich die Nachfrage von dieser Seite nur auf das übliche
Maß beschränkt, dürften auch die Kohlenpreise wieder zurückgehn. Trotz alledem
ist freilich nicht zu leugnen, daß, falls der Winter sehr hart werden sollte,
doch noch eine wirkliche Kohlennot eintreten könnte, und daß darunter die
ürmern Klassen der Bevölkerung schwer leiden würden. Es ist also klar, daß
gegen die Kohlennot auch von Staats wegen etwas geschehn muß.

Daß die Kohlennot nicht dadurch beseitigt werden kann, daß die fiska¬
lischen Bergwerke die Preise herabsetzen, ist schon vielfach in der Presse dar¬
gelegt worden. Diese Herabsetzung würde nur dein Händler, nicht dem Publikum
nützen, oder den wenigen, die in der Lage sind, ihre Kohlen unmittelbar von
den Staatswerken zu beziehen. Wichtiger wäre schon eine Herabsetzung der
Kohlenpreise durch eine Vereinigung der Bergwerkbesitzer, um normale Preise
herbeizuführen, aber es ist nicht möglich, eine solche Vereinigung gesetzlich zu
erzwingen. Auch in Westfalen, wo schon eine Kohlenverkaufsvereinigung für
den gesamten Jndustriebezirk besteht, wäre sie doch nicht imstande gewesen,
einen Preisdruck auszuüben, weil das nicht für die Dauer von dem Willen
des einzelnen, und sei dieser auch noch so stark, abhängt. Wer die Gesetze
der Nationalökonomie kennt, wird sich darüber klar sein, daß Preis und Nach¬
frage in einer bestimmten Beziehung zu einander stehn, und daß, je größer die
Nachfrage ist, auch der Preis um so höher wird, und daß dieses Verhältnis
wie ein Naturgesetz wirkt, dem Publikum, Händler und Bergwerkbesitzer
unterworfen sind. Damit soll freilich nicht dem Kohlenwucher das Wort ge¬
redet werden; andrerseits schießen aber auch die Leute über das Ziel hinaus,
die glauben, daß der Zwischenhandel beim Kohlengeschäft ganz entbehrlich sei.
Die großen Steinkohlenbergwerke haben allmonatlich zweimal Tausende von
Arbeitern pünktlich zu lohnen, und zur Beschaffung dieser Beträge kann der
Großhandel nicht völlig entbehrt werden, mag er nun unmittelbarer Abnehmer
oder Zwischenhändler sein. Die Bergwerke können sich die Konsumenten nicht
immer aussuchen und müssen den nehmen, der zuerst an sie herantritt. Freilich
wird immer von neuem danach gestrebt werden müssen, den Zwischenhandel mög¬
lichst einzuschränken; aber damit ist die Kohlennot noch nicht beseitigt. Es giebt
also nur ein Mittel, dieser ein Ende zu machen, und das ist: die Vermehrung
des Angebots.

Dafür stehn nun verschiedne Wege offen:

Erstens kann das Angebot in deutscher Kohle durch ein Kohlenausfuhr¬
verbot vermehrt werde". Diese Maßregel würde ohne Zweifel mit einem
Schlage wenigstens in den Gegenden, die den Bergbaurevieren nahe liegen,
die Kvhlennot beseitigen und allmählich auch weithin wirken; aber ihr stehn


Unsre Aohlennot

und Braunkolllenbergwerke bemüht, schon um die günstige Konjunktur auszu¬
nützen, ihre Förderung weiter zu erhöhn. Aber es wäre doch notwendig, dnß
das Publikum aufhörte, sich schon im voraus für ein ganzes Jahr mit Brenn¬
material zu versehen. Solche Mengen mit einmal zu liefern sind die Berg¬
werke außer stände. Es wird also zur Beseitigung der angeblichen Kohlennot
zu allererst darauf ankommen, daß die Presse das Publikum zur Besonnenheit
ermahnt. Sobald sich die Nachfrage von dieser Seite nur auf das übliche
Maß beschränkt, dürften auch die Kohlenpreise wieder zurückgehn. Trotz alledem
ist freilich nicht zu leugnen, daß, falls der Winter sehr hart werden sollte,
doch noch eine wirkliche Kohlennot eintreten könnte, und daß darunter die
ürmern Klassen der Bevölkerung schwer leiden würden. Es ist also klar, daß
gegen die Kohlennot auch von Staats wegen etwas geschehn muß.

Daß die Kohlennot nicht dadurch beseitigt werden kann, daß die fiska¬
lischen Bergwerke die Preise herabsetzen, ist schon vielfach in der Presse dar¬
gelegt worden. Diese Herabsetzung würde nur dein Händler, nicht dem Publikum
nützen, oder den wenigen, die in der Lage sind, ihre Kohlen unmittelbar von
den Staatswerken zu beziehen. Wichtiger wäre schon eine Herabsetzung der
Kohlenpreise durch eine Vereinigung der Bergwerkbesitzer, um normale Preise
herbeizuführen, aber es ist nicht möglich, eine solche Vereinigung gesetzlich zu
erzwingen. Auch in Westfalen, wo schon eine Kohlenverkaufsvereinigung für
den gesamten Jndustriebezirk besteht, wäre sie doch nicht imstande gewesen,
einen Preisdruck auszuüben, weil das nicht für die Dauer von dem Willen
des einzelnen, und sei dieser auch noch so stark, abhängt. Wer die Gesetze
der Nationalökonomie kennt, wird sich darüber klar sein, daß Preis und Nach¬
frage in einer bestimmten Beziehung zu einander stehn, und daß, je größer die
Nachfrage ist, auch der Preis um so höher wird, und daß dieses Verhältnis
wie ein Naturgesetz wirkt, dem Publikum, Händler und Bergwerkbesitzer
unterworfen sind. Damit soll freilich nicht dem Kohlenwucher das Wort ge¬
redet werden; andrerseits schießen aber auch die Leute über das Ziel hinaus,
die glauben, daß der Zwischenhandel beim Kohlengeschäft ganz entbehrlich sei.
Die großen Steinkohlenbergwerke haben allmonatlich zweimal Tausende von
Arbeitern pünktlich zu lohnen, und zur Beschaffung dieser Beträge kann der
Großhandel nicht völlig entbehrt werden, mag er nun unmittelbarer Abnehmer
oder Zwischenhändler sein. Die Bergwerke können sich die Konsumenten nicht
immer aussuchen und müssen den nehmen, der zuerst an sie herantritt. Freilich
wird immer von neuem danach gestrebt werden müssen, den Zwischenhandel mög¬
lichst einzuschränken; aber damit ist die Kohlennot noch nicht beseitigt. Es giebt
also nur ein Mittel, dieser ein Ende zu machen, und das ist: die Vermehrung
des Angebots.

Dafür stehn nun verschiedne Wege offen:

Erstens kann das Angebot in deutscher Kohle durch ein Kohlenausfuhr¬
verbot vermehrt werde». Diese Maßregel würde ohne Zweifel mit einem
Schlage wenigstens in den Gegenden, die den Bergbaurevieren nahe liegen,
die Kvhlennot beseitigen und allmählich auch weithin wirken; aber ihr stehn


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[0076] Unsre Aohlennot und Braunkolllenbergwerke bemüht, schon um die günstige Konjunktur auszu¬ nützen, ihre Förderung weiter zu erhöhn. Aber es wäre doch notwendig, dnß das Publikum aufhörte, sich schon im voraus für ein ganzes Jahr mit Brenn¬ material zu versehen. Solche Mengen mit einmal zu liefern sind die Berg¬ werke außer stände. Es wird also zur Beseitigung der angeblichen Kohlennot zu allererst darauf ankommen, daß die Presse das Publikum zur Besonnenheit ermahnt. Sobald sich die Nachfrage von dieser Seite nur auf das übliche Maß beschränkt, dürften auch die Kohlenpreise wieder zurückgehn. Trotz alledem ist freilich nicht zu leugnen, daß, falls der Winter sehr hart werden sollte, doch noch eine wirkliche Kohlennot eintreten könnte, und daß darunter die ürmern Klassen der Bevölkerung schwer leiden würden. Es ist also klar, daß gegen die Kohlennot auch von Staats wegen etwas geschehn muß. Daß die Kohlennot nicht dadurch beseitigt werden kann, daß die fiska¬ lischen Bergwerke die Preise herabsetzen, ist schon vielfach in der Presse dar¬ gelegt worden. Diese Herabsetzung würde nur dein Händler, nicht dem Publikum nützen, oder den wenigen, die in der Lage sind, ihre Kohlen unmittelbar von den Staatswerken zu beziehen. Wichtiger wäre schon eine Herabsetzung der Kohlenpreise durch eine Vereinigung der Bergwerkbesitzer, um normale Preise herbeizuführen, aber es ist nicht möglich, eine solche Vereinigung gesetzlich zu erzwingen. Auch in Westfalen, wo schon eine Kohlenverkaufsvereinigung für den gesamten Jndustriebezirk besteht, wäre sie doch nicht imstande gewesen, einen Preisdruck auszuüben, weil das nicht für die Dauer von dem Willen des einzelnen, und sei dieser auch noch so stark, abhängt. Wer die Gesetze der Nationalökonomie kennt, wird sich darüber klar sein, daß Preis und Nach¬ frage in einer bestimmten Beziehung zu einander stehn, und daß, je größer die Nachfrage ist, auch der Preis um so höher wird, und daß dieses Verhältnis wie ein Naturgesetz wirkt, dem Publikum, Händler und Bergwerkbesitzer unterworfen sind. Damit soll freilich nicht dem Kohlenwucher das Wort ge¬ redet werden; andrerseits schießen aber auch die Leute über das Ziel hinaus, die glauben, daß der Zwischenhandel beim Kohlengeschäft ganz entbehrlich sei. Die großen Steinkohlenbergwerke haben allmonatlich zweimal Tausende von Arbeitern pünktlich zu lohnen, und zur Beschaffung dieser Beträge kann der Großhandel nicht völlig entbehrt werden, mag er nun unmittelbarer Abnehmer oder Zwischenhändler sein. Die Bergwerke können sich die Konsumenten nicht immer aussuchen und müssen den nehmen, der zuerst an sie herantritt. Freilich wird immer von neuem danach gestrebt werden müssen, den Zwischenhandel mög¬ lichst einzuschränken; aber damit ist die Kohlennot noch nicht beseitigt. Es giebt also nur ein Mittel, dieser ein Ende zu machen, und das ist: die Vermehrung des Angebots. Dafür stehn nun verschiedne Wege offen: Erstens kann das Angebot in deutscher Kohle durch ein Kohlenausfuhr¬ verbot vermehrt werde». Diese Maßregel würde ohne Zweifel mit einem Schlage wenigstens in den Gegenden, die den Bergbaurevieren nahe liegen, die Kvhlennot beseitigen und allmählich auch weithin wirken; aber ihr stehn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/76>, abgerufen am 16.06.2024.