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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Unsre Aohleunot

tvird finden, daß sie zumeist Kvhlenfresser in dem wahrsten Sinne des Wortes
sind. Wer sich hente Fabrik- und Großstädten nähert, erschrickt über den Kohlen¬
dunst und den Rauch, der sich über ihnen lagert; danach hat es den Anschein,
als ob es gar keine Erfindungen für rauchfreie Verbrennung der Kohlen gäbe.
Augenscheinlich denkt niemand in Deutschland an Kvhlenersparnis, weil man
die Kohlenvorrüte noch für unerschöpflich hält. Doch wir wollen nicht unge¬
recht sein: in einigen Großstädten ist allerdings schon der Anfang gemacht
worden, in den Wohnhäusern die Heizvorrichtungen zu zentralisieren, mich
giebt es in vielen Fabriken Mustereinrichtungen für Dampfkessel aller Art, Es
muß gewünscht werden, daß diese Fortschritte der Technik immer weitern
Eingang finden. Mit Konzentration der Heizvorrichtungeu in den Wohn¬
häusern ist in den Großstädten der Kohlenbcdarf auch leichter zu übersehen.
Wie jede große Stadt ihren Schlachthof, ihre Markthallen hat, müßte sie auch
ihren Kohlenhof haben. Genossenschaften Hütten dann den Einkauf zu besorgen.

Besonders günstig würde es auf den Kohlenverbrauch einwirken, wenn es
gelänge, bei den Eisenbahnen den Lokomotivbetrieb dnrch Elcktrizitäts antrieb
mit stationären Kesselanlagen zu ersetzen. Die Versuche sind schon im Gange,
Hoffen wir, daß sie zu einem befriedigenden Abschluß führen. Hierdurch würde
der Kohlennot ein weiterer Riegel vorgeschoben werden. Denn die jetzigen
Lokomotiven sind starke Kohlenfresser und verlangen die Aufstapelung großer
Vorräte an allen Orten. Die Eiscnbahnverwaltung ist schon einer der größten
Verbraucher von Kohlen.

Damit sind wohl alle Mittel zur Minderung der Kohlennot und zu einer
künftigen Vorbeugung erschöpft. Zunächst anzufangen wäre mit der Einführung
der Feldesstcuer; die Kohlcnnot unsrer Zeit verlangt sie geradezu. Die Steuer
ist auch ein Mittel, dem Überwuchern der Plutokratie auf einem großen Ge¬
biete unsrer Industrie entgegenzutreten; sie würde also ein Stück soziale Politik
darstellen. Ob diese Maßregel durchführbar ist, läßt sich allerdings nur von
den höhern Stellen der Staatsleitung aus sicher beurteilen, uns scheint sie,
wie gezeigt, ernstlich notwendig. Wegen der Ausschließung neuer Kohlenfcldcr
ist wohl auf den guten Willen der Bergwerkbesitzer, denen wir übrigens
keineswegs gram sind, allein kein Verlaß. Freilich muß sich auch der Fiskus die
Ausbeutung seiner Felder, soweit ihm Mittel hierfür zur Verfügung stehn, ebenso
angelegen sein lassen. Auch wäre im Osten (Provinzen Posen und Preußen) eine
weitere sorgfältige Untersuchung des Untergrundes auf das Vorhandensein von
Stein- und Braunkohlenschützen sehr zu wünschen.

Wenn also auf allen diesen Gebieten fleißig gearbeitet wird, dann dürfte
es nicht schwer fallen, Kohlennöte künftig zu vermeiden, namentlich wenn es
auch gelingt, die Arbeiterfrage zu lösen.




Unsre Aohleunot

tvird finden, daß sie zumeist Kvhlenfresser in dem wahrsten Sinne des Wortes
sind. Wer sich hente Fabrik- und Großstädten nähert, erschrickt über den Kohlen¬
dunst und den Rauch, der sich über ihnen lagert; danach hat es den Anschein,
als ob es gar keine Erfindungen für rauchfreie Verbrennung der Kohlen gäbe.
Augenscheinlich denkt niemand in Deutschland an Kvhlenersparnis, weil man
die Kohlenvorrüte noch für unerschöpflich hält. Doch wir wollen nicht unge¬
recht sein: in einigen Großstädten ist allerdings schon der Anfang gemacht
worden, in den Wohnhäusern die Heizvorrichtungen zu zentralisieren, mich
giebt es in vielen Fabriken Mustereinrichtungen für Dampfkessel aller Art, Es
muß gewünscht werden, daß diese Fortschritte der Technik immer weitern
Eingang finden. Mit Konzentration der Heizvorrichtungeu in den Wohn¬
häusern ist in den Großstädten der Kohlenbcdarf auch leichter zu übersehen.
Wie jede große Stadt ihren Schlachthof, ihre Markthallen hat, müßte sie auch
ihren Kohlenhof haben. Genossenschaften Hütten dann den Einkauf zu besorgen.

Besonders günstig würde es auf den Kohlenverbrauch einwirken, wenn es
gelänge, bei den Eisenbahnen den Lokomotivbetrieb dnrch Elcktrizitäts antrieb
mit stationären Kesselanlagen zu ersetzen. Die Versuche sind schon im Gange,
Hoffen wir, daß sie zu einem befriedigenden Abschluß führen. Hierdurch würde
der Kohlennot ein weiterer Riegel vorgeschoben werden. Denn die jetzigen
Lokomotiven sind starke Kohlenfresser und verlangen die Aufstapelung großer
Vorräte an allen Orten. Die Eiscnbahnverwaltung ist schon einer der größten
Verbraucher von Kohlen.

Damit sind wohl alle Mittel zur Minderung der Kohlennot und zu einer
künftigen Vorbeugung erschöpft. Zunächst anzufangen wäre mit der Einführung
der Feldesstcuer; die Kohlcnnot unsrer Zeit verlangt sie geradezu. Die Steuer
ist auch ein Mittel, dem Überwuchern der Plutokratie auf einem großen Ge¬
biete unsrer Industrie entgegenzutreten; sie würde also ein Stück soziale Politik
darstellen. Ob diese Maßregel durchführbar ist, läßt sich allerdings nur von
den höhern Stellen der Staatsleitung aus sicher beurteilen, uns scheint sie,
wie gezeigt, ernstlich notwendig. Wegen der Ausschließung neuer Kohlenfcldcr
ist wohl auf den guten Willen der Bergwerkbesitzer, denen wir übrigens
keineswegs gram sind, allein kein Verlaß. Freilich muß sich auch der Fiskus die
Ausbeutung seiner Felder, soweit ihm Mittel hierfür zur Verfügung stehn, ebenso
angelegen sein lassen. Auch wäre im Osten (Provinzen Posen und Preußen) eine
weitere sorgfältige Untersuchung des Untergrundes auf das Vorhandensein von
Stein- und Braunkohlenschützen sehr zu wünschen.

Wenn also auf allen diesen Gebieten fleißig gearbeitet wird, dann dürfte
es nicht schwer fallen, Kohlennöte künftig zu vermeiden, namentlich wenn es
auch gelingt, die Arbeiterfrage zu lösen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/81>, abgerufen am 16.06.2024.