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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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dauernden Interesse der Landwirtschaft selbst, und schließlich auch im Inter¬
esse der Gesamtheit der Nation Minimnlkornzölle gesetzlich unabänderlich fest¬
legen für eine erst mit Neujahr 1904 beginnende zehn- oder zwölfjährige
Bertragsperivde! Hat das dem, rechten Sinn? Wenn wir in dem Triennium
1901 bis 1903 die guten Preise von 1898 und 1891 wieder bekommen sollten,
so würde die öffentliche Meinung schließlich so energisch gegen jede Erhöhung
der jetzt geltenden und noch bis Ende 1903 gebundnen Zölle reagieren, daß
weder die Regierungen noch eine Reichstagsmehrheit dafür zu haben sein würden.
Der 1901 gesetzlich festgelegte hohe Minimalzoll würde ohne weiteres gesetzlich
wieder annulliert werden. Die Landwirte sollten sich das wohl überlegen,
ehe sie durch ihre Ansprüche das Zustandekommen neuer Handelsverträge vor
Ablauf der alten hindern.

(Fortsetzung folgt)




Karl Schneider
(Schluß)

geworden.> Frühjahr 1863 wurde Schneider vom Provinziälschulkollegium
um Einverständnis mit dem Konsistorium zum Seminardirektor
in Bromberg vorgeschlagen. Er wurde auch für diese Stelle
ernannt. Ein richtiger Bureaukrat, so groß seine Geschüfts-
!tüchtigkeit sein mag, ist der alte Schulmann und Theolog nie
Er schreibt: "Der König ernannte mich durch Patent vom
10. August 1863 zum königlichen Seminardirektor in Bromberg." Nach rich¬
tiger preußischer Ausdrucksweise wird man aber zu einem wirklichen Amte
niemals durch ein Patent, sondern immer durch eine Bestallung ernannt.
Durch Patent bekommt mau einen Titel oder einen Rang, aber kein Amt.
Zum Geheime" Oberregierungsrat (Rat zweiter Klasse) und zum Wirklichen
Geheimen Oberregierungsrat (Rat erster Klasse) ist der nachmalige Geheime
Regierungsrnt Schneider durch königliches Patent befördert worden, zum
Seminardirektor und später zum Geheimen Regierungs- lind vortragenden Rat
im Ministerium aber durch königliche Bestallung. Wie viel hundert Konzepte
von Bestallungen für Seminardirektoren, und welche Menge Konzepte von
Patenten für Schulräte mag er wohl während seiner langjährigen Wirksamkeit
im Ministerium mitgezeichnet haben! Den Unterschied scheint er nicht gemerkt
zu haben. Schadet auch nichts.

In Bromberg trat begreiflicherweise die geistliche Amtsthätigkeit gegen das
Schulamt, das die volle Kraft Schneiders beanspruchte, ganz zurück. Er hatte


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dauernden Interesse der Landwirtschaft selbst, und schließlich auch im Inter¬
esse der Gesamtheit der Nation Minimnlkornzölle gesetzlich unabänderlich fest¬
legen für eine erst mit Neujahr 1904 beginnende zehn- oder zwölfjährige
Bertragsperivde! Hat das dem, rechten Sinn? Wenn wir in dem Triennium
1901 bis 1903 die guten Preise von 1898 und 1891 wieder bekommen sollten,
so würde die öffentliche Meinung schließlich so energisch gegen jede Erhöhung
der jetzt geltenden und noch bis Ende 1903 gebundnen Zölle reagieren, daß
weder die Regierungen noch eine Reichstagsmehrheit dafür zu haben sein würden.
Der 1901 gesetzlich festgelegte hohe Minimalzoll würde ohne weiteres gesetzlich
wieder annulliert werden. Die Landwirte sollten sich das wohl überlegen,
ehe sie durch ihre Ansprüche das Zustandekommen neuer Handelsverträge vor
Ablauf der alten hindern.

(Fortsetzung folgt)




Karl Schneider
(Schluß)

geworden.> Frühjahr 1863 wurde Schneider vom Provinziälschulkollegium
um Einverständnis mit dem Konsistorium zum Seminardirektor
in Bromberg vorgeschlagen. Er wurde auch für diese Stelle
ernannt. Ein richtiger Bureaukrat, so groß seine Geschüfts-
!tüchtigkeit sein mag, ist der alte Schulmann und Theolog nie
Er schreibt: „Der König ernannte mich durch Patent vom
10. August 1863 zum königlichen Seminardirektor in Bromberg." Nach rich¬
tiger preußischer Ausdrucksweise wird man aber zu einem wirklichen Amte
niemals durch ein Patent, sondern immer durch eine Bestallung ernannt.
Durch Patent bekommt mau einen Titel oder einen Rang, aber kein Amt.
Zum Geheime» Oberregierungsrat (Rat zweiter Klasse) und zum Wirklichen
Geheimen Oberregierungsrat (Rat erster Klasse) ist der nachmalige Geheime
Regierungsrnt Schneider durch königliches Patent befördert worden, zum
Seminardirektor und später zum Geheimen Regierungs- lind vortragenden Rat
im Ministerium aber durch königliche Bestallung. Wie viel hundert Konzepte
von Bestallungen für Seminardirektoren, und welche Menge Konzepte von
Patenten für Schulräte mag er wohl während seiner langjährigen Wirksamkeit
im Ministerium mitgezeichnet haben! Den Unterschied scheint er nicht gemerkt
zu haben. Schadet auch nichts.

In Bromberg trat begreiflicherweise die geistliche Amtsthätigkeit gegen das
Schulamt, das die volle Kraft Schneiders beanspruchte, ganz zurück. Er hatte


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[0081] dauernden Interesse der Landwirtschaft selbst, und schließlich auch im Inter¬ esse der Gesamtheit der Nation Minimnlkornzölle gesetzlich unabänderlich fest¬ legen für eine erst mit Neujahr 1904 beginnende zehn- oder zwölfjährige Bertragsperivde! Hat das dem, rechten Sinn? Wenn wir in dem Triennium 1901 bis 1903 die guten Preise von 1898 und 1891 wieder bekommen sollten, so würde die öffentliche Meinung schließlich so energisch gegen jede Erhöhung der jetzt geltenden und noch bis Ende 1903 gebundnen Zölle reagieren, daß weder die Regierungen noch eine Reichstagsmehrheit dafür zu haben sein würden. Der 1901 gesetzlich festgelegte hohe Minimalzoll würde ohne weiteres gesetzlich wieder annulliert werden. Die Landwirte sollten sich das wohl überlegen, ehe sie durch ihre Ansprüche das Zustandekommen neuer Handelsverträge vor Ablauf der alten hindern. (Fortsetzung folgt) Karl Schneider (Schluß) geworden.> Frühjahr 1863 wurde Schneider vom Provinziälschulkollegium um Einverständnis mit dem Konsistorium zum Seminardirektor in Bromberg vorgeschlagen. Er wurde auch für diese Stelle ernannt. Ein richtiger Bureaukrat, so groß seine Geschüfts- !tüchtigkeit sein mag, ist der alte Schulmann und Theolog nie Er schreibt: „Der König ernannte mich durch Patent vom 10. August 1863 zum königlichen Seminardirektor in Bromberg." Nach rich¬ tiger preußischer Ausdrucksweise wird man aber zu einem wirklichen Amte niemals durch ein Patent, sondern immer durch eine Bestallung ernannt. Durch Patent bekommt mau einen Titel oder einen Rang, aber kein Amt. Zum Geheime» Oberregierungsrat (Rat zweiter Klasse) und zum Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat (Rat erster Klasse) ist der nachmalige Geheime Regierungsrnt Schneider durch königliches Patent befördert worden, zum Seminardirektor und später zum Geheimen Regierungs- lind vortragenden Rat im Ministerium aber durch königliche Bestallung. Wie viel hundert Konzepte von Bestallungen für Seminardirektoren, und welche Menge Konzepte von Patenten für Schulräte mag er wohl während seiner langjährigen Wirksamkeit im Ministerium mitgezeichnet haben! Den Unterschied scheint er nicht gemerkt zu haben. Schadet auch nichts. In Bromberg trat begreiflicherweise die geistliche Amtsthätigkeit gegen das Schulamt, das die volle Kraft Schneiders beanspruchte, ganz zurück. Er hatte Grcnzlwtcn l 190l 1,)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/81>, abgerufen am 01.11.2024.