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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Vielleicht hat die Insel einmal bessere Zeiten geschellt Bei Porto stehn
noch die Ruinen eines altrömischen Palastes, und reicher Marmor, Stuck,
Mosaik künden heute von vergangner Pracht; unterirdische Kammern und Gänge,
IiL Krotto g-ntiekö, locken zum Aufsuchen verborgner Schätze. Und antiker
Boden ists natürlich auch hier so gut wie sonstwo in Italien. Cäsar nennt
unsre kleine Insel bei Namen (Ig-ilium, <1s doll. vio. I, 34); auch wird
sie von Plinius und Pomponius Mela erwähnt. Am Anfang des fünften
Jahrhunderts schrieb Rutilius Numatianus, daß sich Giglio gegen die Ein-
wandrung der Goten unter Alarich I. hio"z loci ingenio, Sön öomiiri Zenio
verteidigen kounte, und daß viele römische Flüchtlinge dort Zuflucht fanden.
Auch der Name Kaiser Karls des Großen verknüpft sich mit Giglio: er soll
zu Beginn des neunten Jahrhunderts die Insel im Einvernehmen mit Papst
Leo III. dem Kloster Tre Fontane in Rom geschenkt haben. Im Mittelalter
waren Visa und Florenz die Herren der Insel, im fünfzehnten Jahrhundert
gehörte sie dem Hause Piccolomini; im Jahre 1558 verkaufte Donna Silvia
Piccolomini die Insel an Donna Eleonora ti Toledo, die Gemahlin von
Cosimo I., dem Herzog von Florenz, und zwar mit Einrechnung eines Gebiets
auf dem Festland um 32162 neapolitanische Dukaten. Cosimo soll im Jahre
1561 griechische Kolonisten nach der Insel gesandt haben. Nach dein Ableben
der Donna Eleonora kam Giglio zu Toskana (daher ein Titel der Groß-
herzoge von Toskana: "Herr von Giglio"). Die Insel blieb den häufigen
Überfällen der Türken und Barlmresken fast bis in die Neuzeit hinein aus¬
gesetzt; der letzte Angriff fand am 18. November 1799 statt. Damals lan¬
deten zwölf algerische Piratenschiffe bei dem Turm von Ccnnpese; aber "dank
der Jntercession des San Mamiliauo wurden die Piraten, nachdem sie schon
das Kastell erklommen hatten, von den Bewohnern zurückgetrieben." Zwei
mit Silbergriffen versehene Aatagnne, sowie mehrere Pistolen, die damals er¬
beutet wurden, hängen noch heute in einen: Schrank rechts vom Altar der
Hauptkirche; die Erinnerung an diesen Tag der Befreiung wurde im Jahre
1899 besonders feierlich begangen. So hat auch dieser kleine Fleck Erde seine
Geschichte.

Mit Entzücken schweift heute des Besuchers Auge über das reizvolle
Eiland mit seinen Höhen und Schluchten, mit seinen lieblichen Sandbuchten
und seinen jähen Abstürzen, über die blaue See ringsum, deren Wogen sich
hier am Festland und dort um den Felsgestaden der andern Inseln brechen.
Den eindrucksvollsten Umblick gewährt zweifellos die höchste Erhebung der
Insel, die schon genannte 498 Meter hohe Pagcma, deren steinige Kuppe mit
Brombeergesträuch und Disteln überwachsen ist. Sehr schön ist auch der Blick
von dem Leuchtturm auf Capet Rosso auf den Monte Argentario und auf die
Inseln Giannutri und Monte Christo. Wie wunderbar erscheinen hier die aus
aufrechtstehenden Schichten gebildeten Felsabstürze der Südspitze der Insel,
an denen beim Sturme die Wogen emporsteigen und dann über sich selber in
weißen Kaskaden zurückstürzen! Noch malerischer erscheint auf der Westseite


Vielleicht hat die Insel einmal bessere Zeiten geschellt Bei Porto stehn
noch die Ruinen eines altrömischen Palastes, und reicher Marmor, Stuck,
Mosaik künden heute von vergangner Pracht; unterirdische Kammern und Gänge,
IiL Krotto g-ntiekö, locken zum Aufsuchen verborgner Schätze. Und antiker
Boden ists natürlich auch hier so gut wie sonstwo in Italien. Cäsar nennt
unsre kleine Insel bei Namen (Ig-ilium, <1s doll. vio. I, 34); auch wird
sie von Plinius und Pomponius Mela erwähnt. Am Anfang des fünften
Jahrhunderts schrieb Rutilius Numatianus, daß sich Giglio gegen die Ein-
wandrung der Goten unter Alarich I. hio«z loci ingenio, Sön öomiiri Zenio
verteidigen kounte, und daß viele römische Flüchtlinge dort Zuflucht fanden.
Auch der Name Kaiser Karls des Großen verknüpft sich mit Giglio: er soll
zu Beginn des neunten Jahrhunderts die Insel im Einvernehmen mit Papst
Leo III. dem Kloster Tre Fontane in Rom geschenkt haben. Im Mittelalter
waren Visa und Florenz die Herren der Insel, im fünfzehnten Jahrhundert
gehörte sie dem Hause Piccolomini; im Jahre 1558 verkaufte Donna Silvia
Piccolomini die Insel an Donna Eleonora ti Toledo, die Gemahlin von
Cosimo I., dem Herzog von Florenz, und zwar mit Einrechnung eines Gebiets
auf dem Festland um 32162 neapolitanische Dukaten. Cosimo soll im Jahre
1561 griechische Kolonisten nach der Insel gesandt haben. Nach dein Ableben
der Donna Eleonora kam Giglio zu Toskana (daher ein Titel der Groß-
herzoge von Toskana: „Herr von Giglio"). Die Insel blieb den häufigen
Überfällen der Türken und Barlmresken fast bis in die Neuzeit hinein aus¬
gesetzt; der letzte Angriff fand am 18. November 1799 statt. Damals lan¬
deten zwölf algerische Piratenschiffe bei dem Turm von Ccnnpese; aber „dank
der Jntercession des San Mamiliauo wurden die Piraten, nachdem sie schon
das Kastell erklommen hatten, von den Bewohnern zurückgetrieben." Zwei
mit Silbergriffen versehene Aatagnne, sowie mehrere Pistolen, die damals er¬
beutet wurden, hängen noch heute in einen: Schrank rechts vom Altar der
Hauptkirche; die Erinnerung an diesen Tag der Befreiung wurde im Jahre
1899 besonders feierlich begangen. So hat auch dieser kleine Fleck Erde seine
Geschichte.

Mit Entzücken schweift heute des Besuchers Auge über das reizvolle
Eiland mit seinen Höhen und Schluchten, mit seinen lieblichen Sandbuchten
und seinen jähen Abstürzen, über die blaue See ringsum, deren Wogen sich
hier am Festland und dort um den Felsgestaden der andern Inseln brechen.
Den eindrucksvollsten Umblick gewährt zweifellos die höchste Erhebung der
Insel, die schon genannte 498 Meter hohe Pagcma, deren steinige Kuppe mit
Brombeergesträuch und Disteln überwachsen ist. Sehr schön ist auch der Blick
von dem Leuchtturm auf Capet Rosso auf den Monte Argentario und auf die
Inseln Giannutri und Monte Christo. Wie wunderbar erscheinen hier die aus
aufrechtstehenden Schichten gebildeten Felsabstürze der Südspitze der Insel,
an denen beim Sturme die Wogen emporsteigen und dann über sich selber in
weißen Kaskaden zurückstürzen! Noch malerischer erscheint auf der Westseite


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/95>, abgerufen am 05.06.2024.