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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Dit! Neukolmnsaticm Südamerikas

Südamerikas ab, die Gefahr einer Fremdherrschaft, die sich nicht auf Blut
und Eisen aufbaut, der Herrschaft des KinA äollar! Bekanntlich hält man in
den imperialistischen, d, h. den zur Zeit maßgebenden Kreisen der nordameri¬
kanischen Union die Annexion Kubas nur für eine Etappe ans dein Wege zur
vollständigen Angliederung der westindischen Inselwelt, Zentralamerikas und
des südlichen Kontinents an die Vereinigten Staaten, Die Union hat es
nach der Ansicht dieser Politiker, statt sich der Konsolidierung ihrer innern
Verhältnisse zu widmen, vor allem nötig, für ihr überfließendes Kapital neue
Anlagen auswärts zu suchen, und wie sich Brooks Adams in seinein Buch
^morivÄ8 Eoouomio Kuxi-mimo^ ausdrückt, "ein vollständiges System ab¬
hängiger und verbündeter Einflußgebiete zu schaffen." Wenn dieser Autor
noch von drei ökonomischen Großmächten redet, der Union, England und
Deutschland, so sieht der Staatssekretär Hab in einem Anhang zu dem neusten
dem Kongreß zngegangneu Jahresbericht über die Handelsbeziehungen zwischen
der Union und dem Ausland sich schon den Handel der Vereinigten Staaten,
mit überraschender Schnelligkeit dem Punkt nähern, der ihn sowohl in indu-
striellen als auch kommerziellen und finanziellen Beziehungen zu dem Mittel¬
punkt der Welt "lacht. Was ihm noch fehlt, das ist eben der Ausbau dieses
Systems abhängiger und Verbündeter Einflußgebiete. Daß hierbei Kanonen
und Panzerschiffe nichts schaden können, sieht Arete Sinn auch el", und des¬
halb sorgt er eifrig, daß es daran nicht fehlt. Der für das kom"lente Rech¬
nungsjahr vorgesehene Aufwand für Heer und Flotte beläuft sich auf die
Riesensumme von mehr als 1,4 Milliarden Mark. Lieber ist es ihm aber, wenn
es auf friedlichem Wege geht. Es heißt also, sich die Liebe der lateinischen
Republiken erwerben. Für die allamerikanische Ausstellung in diesem Jahre
in Vuffalo ist eine sinnige Medaille entworfen worden, die Nord- und Süd¬
amerika als zwei Schwestern darstellt. Die "Deutsche Zeitung" von Porto
Alegre, eins der am besten geleiteten deutscheu Blätter in Südamerika,
dem wir verschiedne Angaben entnehmen, beschreibt den Entwurf folgender¬
maßen: "Die Nordamerika ihrerseits beugt sich wie ein rettender und helfender
Schutzengel herunter und reicht über die Panamalandenge hinüber ihre Hand
der Schwester Südamerika dar, die wie eine stramme, wohlgenährte Braut in
echt südamerikanisch-tropischer Bequemlichkeit über den ganzen südamerikanischen
Weltteil wie über einen weiche" Divan ausgestreckt daliegt und von der Hand
der intelligent und lebhaft aussehenden nordamerikanischen Schwester allmählich,
aber fast willenlos sich heraufzieht! läßt." "Der Entwurf hat osprit. bemerkt
daz" das Blatt, und zugleich eine gute Dosis verschmitzter Ironie. Aber das
Ganze ist zutreffend."

Wie es sich aber mit diesem liebenswürdigen "Julis-Iumäs in Wirklichkeit
verhält, das zeigt ein Blick auf die zollpolitische Taktik der Union gegenüber
Brasilien. In der Dingleybill wurde dieser Staat mit einer auffallenden
Noblesse behandelt. Seine wichtigsten Exportartikel, Kaffee und Gummi,
l'lieben zollfrei. Was das sagen will, darüber belehrt uns die Handels-


Dit! Neukolmnsaticm Südamerikas

Südamerikas ab, die Gefahr einer Fremdherrschaft, die sich nicht auf Blut
und Eisen aufbaut, der Herrschaft des KinA äollar! Bekanntlich hält man in
den imperialistischen, d, h. den zur Zeit maßgebenden Kreisen der nordameri¬
kanischen Union die Annexion Kubas nur für eine Etappe ans dein Wege zur
vollständigen Angliederung der westindischen Inselwelt, Zentralamerikas und
des südlichen Kontinents an die Vereinigten Staaten, Die Union hat es
nach der Ansicht dieser Politiker, statt sich der Konsolidierung ihrer innern
Verhältnisse zu widmen, vor allem nötig, für ihr überfließendes Kapital neue
Anlagen auswärts zu suchen, und wie sich Brooks Adams in seinein Buch
^morivÄ8 Eoouomio Kuxi-mimo^ ausdrückt, „ein vollständiges System ab¬
hängiger und verbündeter Einflußgebiete zu schaffen." Wenn dieser Autor
noch von drei ökonomischen Großmächten redet, der Union, England und
Deutschland, so sieht der Staatssekretär Hab in einem Anhang zu dem neusten
dem Kongreß zngegangneu Jahresbericht über die Handelsbeziehungen zwischen
der Union und dem Ausland sich schon den Handel der Vereinigten Staaten,
mit überraschender Schnelligkeit dem Punkt nähern, der ihn sowohl in indu-
striellen als auch kommerziellen und finanziellen Beziehungen zu dem Mittel¬
punkt der Welt »lacht. Was ihm noch fehlt, das ist eben der Ausbau dieses
Systems abhängiger und Verbündeter Einflußgebiete. Daß hierbei Kanonen
und Panzerschiffe nichts schaden können, sieht Arete Sinn auch el», und des¬
halb sorgt er eifrig, daß es daran nicht fehlt. Der für das kom»lente Rech¬
nungsjahr vorgesehene Aufwand für Heer und Flotte beläuft sich auf die
Riesensumme von mehr als 1,4 Milliarden Mark. Lieber ist es ihm aber, wenn
es auf friedlichem Wege geht. Es heißt also, sich die Liebe der lateinischen
Republiken erwerben. Für die allamerikanische Ausstellung in diesem Jahre
in Vuffalo ist eine sinnige Medaille entworfen worden, die Nord- und Süd¬
amerika als zwei Schwestern darstellt. Die „Deutsche Zeitung" von Porto
Alegre, eins der am besten geleiteten deutscheu Blätter in Südamerika,
dem wir verschiedne Angaben entnehmen, beschreibt den Entwurf folgender¬
maßen: „Die Nordamerika ihrerseits beugt sich wie ein rettender und helfender
Schutzengel herunter und reicht über die Panamalandenge hinüber ihre Hand
der Schwester Südamerika dar, die wie eine stramme, wohlgenährte Braut in
echt südamerikanisch-tropischer Bequemlichkeit über den ganzen südamerikanischen
Weltteil wie über einen weiche» Divan ausgestreckt daliegt und von der Hand
der intelligent und lebhaft aussehenden nordamerikanischen Schwester allmählich,
aber fast willenlos sich heraufzieht! läßt." „Der Entwurf hat osprit. bemerkt
daz» das Blatt, und zugleich eine gute Dosis verschmitzter Ironie. Aber das
Ganze ist zutreffend."

Wie es sich aber mit diesem liebenswürdigen «Julis-Iumäs in Wirklichkeit
verhält, das zeigt ein Blick auf die zollpolitische Taktik der Union gegenüber
Brasilien. In der Dingleybill wurde dieser Staat mit einer auffallenden
Noblesse behandelt. Seine wichtigsten Exportartikel, Kaffee und Gummi,
l'lieben zollfrei. Was das sagen will, darüber belehrt uns die Handels-


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[0179] Dit! Neukolmnsaticm Südamerikas Südamerikas ab, die Gefahr einer Fremdherrschaft, die sich nicht auf Blut und Eisen aufbaut, der Herrschaft des KinA äollar! Bekanntlich hält man in den imperialistischen, d, h. den zur Zeit maßgebenden Kreisen der nordameri¬ kanischen Union die Annexion Kubas nur für eine Etappe ans dein Wege zur vollständigen Angliederung der westindischen Inselwelt, Zentralamerikas und des südlichen Kontinents an die Vereinigten Staaten, Die Union hat es nach der Ansicht dieser Politiker, statt sich der Konsolidierung ihrer innern Verhältnisse zu widmen, vor allem nötig, für ihr überfließendes Kapital neue Anlagen auswärts zu suchen, und wie sich Brooks Adams in seinein Buch ^morivÄ8 Eoouomio Kuxi-mimo^ ausdrückt, „ein vollständiges System ab¬ hängiger und verbündeter Einflußgebiete zu schaffen." Wenn dieser Autor noch von drei ökonomischen Großmächten redet, der Union, England und Deutschland, so sieht der Staatssekretär Hab in einem Anhang zu dem neusten dem Kongreß zngegangneu Jahresbericht über die Handelsbeziehungen zwischen der Union und dem Ausland sich schon den Handel der Vereinigten Staaten, mit überraschender Schnelligkeit dem Punkt nähern, der ihn sowohl in indu- striellen als auch kommerziellen und finanziellen Beziehungen zu dem Mittel¬ punkt der Welt »lacht. Was ihm noch fehlt, das ist eben der Ausbau dieses Systems abhängiger und Verbündeter Einflußgebiete. Daß hierbei Kanonen und Panzerschiffe nichts schaden können, sieht Arete Sinn auch el», und des¬ halb sorgt er eifrig, daß es daran nicht fehlt. Der für das kom»lente Rech¬ nungsjahr vorgesehene Aufwand für Heer und Flotte beläuft sich auf die Riesensumme von mehr als 1,4 Milliarden Mark. Lieber ist es ihm aber, wenn es auf friedlichem Wege geht. Es heißt also, sich die Liebe der lateinischen Republiken erwerben. Für die allamerikanische Ausstellung in diesem Jahre in Vuffalo ist eine sinnige Medaille entworfen worden, die Nord- und Süd¬ amerika als zwei Schwestern darstellt. Die „Deutsche Zeitung" von Porto Alegre, eins der am besten geleiteten deutscheu Blätter in Südamerika, dem wir verschiedne Angaben entnehmen, beschreibt den Entwurf folgender¬ maßen: „Die Nordamerika ihrerseits beugt sich wie ein rettender und helfender Schutzengel herunter und reicht über die Panamalandenge hinüber ihre Hand der Schwester Südamerika dar, die wie eine stramme, wohlgenährte Braut in echt südamerikanisch-tropischer Bequemlichkeit über den ganzen südamerikanischen Weltteil wie über einen weiche» Divan ausgestreckt daliegt und von der Hand der intelligent und lebhaft aussehenden nordamerikanischen Schwester allmählich, aber fast willenlos sich heraufzieht! läßt." „Der Entwurf hat osprit. bemerkt daz» das Blatt, und zugleich eine gute Dosis verschmitzter Ironie. Aber das Ganze ist zutreffend." Wie es sich aber mit diesem liebenswürdigen «Julis-Iumäs in Wirklichkeit verhält, das zeigt ein Blick auf die zollpolitische Taktik der Union gegenüber Brasilien. In der Dingleybill wurde dieser Staat mit einer auffallenden Noblesse behandelt. Seine wichtigsten Exportartikel, Kaffee und Gummi, l'lieben zollfrei. Was das sagen will, darüber belehrt uns die Handels-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/179>, abgerufen am 06.06.2024.