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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

die kasuistische Moral, die das jüdische Volk ausgebildet hat, und in der sich der
sophistische Zug zeigt, der dem Geiste dieses Volkes eigen ist. Nach dieser uralten
Moral, die unter den Juden heute lebt, wie vor Jahrtausende", ja mau kann sagen,
ihnen angeboren ist, kann man zum Beispiel etwas, das, wie man weiß, wahr ist,
leugnen, ohne eine Sünde zu begehn, wenn in der Formulierung des Ausgesprochucu
ein Wort nicht richtig ist, also vermittelst einer sophistischen Wortklauberei. So
kann man auch etwas Unwahres als wahr versichern vermittelst eines nicht aus-
gesprochnen Hiutergednnkeus. Diese Moral zeigt sich auch in den angeführten
beiden Sätzen. Der erste Satz könnte den Gegenstand einer ausführlichen juristischen
Abhandlung abgeben über eine viel nmstrittne Frage. Wenn nämlich jemand auf
Zahlung einer Summe Geldes verklagt ist und den Einwand der Zahlung erhebt,
der Kläger die empfangne Zahlung aber auf eine andre Forderung verrechnen will,
so fragt es sich, wer zu beweisen hat. Es ist nicht unsre Absicht und würde zu
weit führen, hierauf näher einzugehn. Wir wollen nur kurz andeuten und beispiels¬
weise veranschaulichen, wie sich die Sache in der gerichtlichen Praxis oft gestaltet.
In einem solchen Falle erklärte der jüdische Kläger, die vom Verklagten behaupteten
Zahlungen habe er empfangen, aber auf sein andres Konto. Auf die Frage,
worin den" dies bestehe, erwiderte er, das habe er nicht nötig zu sagen, es sei
Sache des Verklagten, zu beweisen, daß er mit diesen Zahlungen gerade die jetzt
in Rede stehende Schuld getilgt habe. Was sollte der Verklagte nnn Wohl be¬
weisen? Einen solchen Beweis zu führen, ist meist ganz unmöglich. Das Gericht
trat aber dem Kläger bei -- wie denn dies längere Zeit die herrschende Ansicht
gewesen ist --, und der Verklagte wurde zur (möglicherweise nochmaligen) Zahlung
verurteilt. Auf diese Weise kann ein Schuldner seine Schuld durch Zahlungen
vielleicht niemals tilgen, weil der Gläubiger alle Zahlungen auf andre Forderungen
verrechnen kann, und Forderungen lassen sich sehr leicht konstruieren. Oft ist
folgendes vorgekommen: Der Verklagte, der sich in solchem Falle nicht anders zu
helfen wußte, schob dem Kläger den Eid darüber zu, daß er die Zahlung "auf"
die eingeklagte Forderung empfangen habe. Der Richter ging darauf ein, und der
Kläger schwor, daß er die Zahlung nicht auf die eingeklagte Forderung erhalten
habe, konnte auch so schwören, weil er sich dabei denken konnte, was er wollte,
vielleicht auch nichts darüber ausgemacht war, was der Schuldner bezahlte, und der
Verklagte wurde verurteilt. Mau sieht aus alledem, welche Rolle die in dem ersten
Satz enthaltne Moral bei deu Gerichten gespielt hat. Das Bürgerliche Gesetzbuch
hat hier Wandel geschafft (§ 363).

Noch viel lehrreicher ist der zweite Satz. Mir ist vor Jahren in der richter¬
lichen Praxis ein merkwürdiger, sehr charakteristischer Fall vorgekommen, der mir
im.speziellen nicht mehr genau erinnerlich ist, Wohl aber sehr bestimmt im wesent¬
lichen. Wenn nämlich Jude" untereinander einen Vertrag schließen und sich darauf
die Hand geben, so gilt ein solcher mittelst Handschlag geschlossener Vertrag als
besonders unverletzlich, und es wird als höchst verwerflich angesehen, ihn zu breche".
Drei Juden -- sie gehörten der orthodoxen Richtung an -- schlössen einen solchen
Bertrag. Der eine übernahm es, ein Geschäft zu machen, aber nicht für eigne
Rechnung, sondern für Rechnung von allen dreien und versprach, deu Gewinn mit
thuen gleich zu teilen. Darauf gab er den beiden andern die Hand. Er hielt
aber nicht Wort, sondern machte das Geschäft für eigne Rechnung und behielt den
Gewinn für sich. Als die beiden andern ihn hierüber zur Rede stellten und ihm
Borwürfe machten, entschuldigte er sich damit: Er habe in dem Augenblick, als er
ihnen die Hand gegeben habe, bei sich etwas bestimmtes andres gedacht, und das
habe er gehalten' 'Zeigt sich nicht in diesem Beispiel schon die ganze Lehre von
der isssrvMo msntiM, die in der Moral der römischen Kirche eine so große
Rolle spielt?


Maßgebliches und Unmaßgebliches

die kasuistische Moral, die das jüdische Volk ausgebildet hat, und in der sich der
sophistische Zug zeigt, der dem Geiste dieses Volkes eigen ist. Nach dieser uralten
Moral, die unter den Juden heute lebt, wie vor Jahrtausende», ja mau kann sagen,
ihnen angeboren ist, kann man zum Beispiel etwas, das, wie man weiß, wahr ist,
leugnen, ohne eine Sünde zu begehn, wenn in der Formulierung des Ausgesprochucu
ein Wort nicht richtig ist, also vermittelst einer sophistischen Wortklauberei. So
kann man auch etwas Unwahres als wahr versichern vermittelst eines nicht aus-
gesprochnen Hiutergednnkeus. Diese Moral zeigt sich auch in den angeführten
beiden Sätzen. Der erste Satz könnte den Gegenstand einer ausführlichen juristischen
Abhandlung abgeben über eine viel nmstrittne Frage. Wenn nämlich jemand auf
Zahlung einer Summe Geldes verklagt ist und den Einwand der Zahlung erhebt,
der Kläger die empfangne Zahlung aber auf eine andre Forderung verrechnen will,
so fragt es sich, wer zu beweisen hat. Es ist nicht unsre Absicht und würde zu
weit führen, hierauf näher einzugehn. Wir wollen nur kurz andeuten und beispiels¬
weise veranschaulichen, wie sich die Sache in der gerichtlichen Praxis oft gestaltet.
In einem solchen Falle erklärte der jüdische Kläger, die vom Verklagten behaupteten
Zahlungen habe er empfangen, aber auf sein andres Konto. Auf die Frage,
worin den« dies bestehe, erwiderte er, das habe er nicht nötig zu sagen, es sei
Sache des Verklagten, zu beweisen, daß er mit diesen Zahlungen gerade die jetzt
in Rede stehende Schuld getilgt habe. Was sollte der Verklagte nnn Wohl be¬
weisen? Einen solchen Beweis zu führen, ist meist ganz unmöglich. Das Gericht
trat aber dem Kläger bei — wie denn dies längere Zeit die herrschende Ansicht
gewesen ist —, und der Verklagte wurde zur (möglicherweise nochmaligen) Zahlung
verurteilt. Auf diese Weise kann ein Schuldner seine Schuld durch Zahlungen
vielleicht niemals tilgen, weil der Gläubiger alle Zahlungen auf andre Forderungen
verrechnen kann, und Forderungen lassen sich sehr leicht konstruieren. Oft ist
folgendes vorgekommen: Der Verklagte, der sich in solchem Falle nicht anders zu
helfen wußte, schob dem Kläger den Eid darüber zu, daß er die Zahlung „auf"
die eingeklagte Forderung empfangen habe. Der Richter ging darauf ein, und der
Kläger schwor, daß er die Zahlung nicht auf die eingeklagte Forderung erhalten
habe, konnte auch so schwören, weil er sich dabei denken konnte, was er wollte,
vielleicht auch nichts darüber ausgemacht war, was der Schuldner bezahlte, und der
Verklagte wurde verurteilt. Mau sieht aus alledem, welche Rolle die in dem ersten
Satz enthaltne Moral bei deu Gerichten gespielt hat. Das Bürgerliche Gesetzbuch
hat hier Wandel geschafft (§ 363).

Noch viel lehrreicher ist der zweite Satz. Mir ist vor Jahren in der richter¬
lichen Praxis ein merkwürdiger, sehr charakteristischer Fall vorgekommen, der mir
im.speziellen nicht mehr genau erinnerlich ist, Wohl aber sehr bestimmt im wesent¬
lichen. Wenn nämlich Jude» untereinander einen Vertrag schließen und sich darauf
die Hand geben, so gilt ein solcher mittelst Handschlag geschlossener Vertrag als
besonders unverletzlich, und es wird als höchst verwerflich angesehen, ihn zu breche».
Drei Juden — sie gehörten der orthodoxen Richtung an — schlössen einen solchen
Bertrag. Der eine übernahm es, ein Geschäft zu machen, aber nicht für eigne
Rechnung, sondern für Rechnung von allen dreien und versprach, deu Gewinn mit
thuen gleich zu teilen. Darauf gab er den beiden andern die Hand. Er hielt
aber nicht Wort, sondern machte das Geschäft für eigne Rechnung und behielt den
Gewinn für sich. Als die beiden andern ihn hierüber zur Rede stellten und ihm
Borwürfe machten, entschuldigte er sich damit: Er habe in dem Augenblick, als er
ihnen die Hand gegeben habe, bei sich etwas bestimmtes andres gedacht, und das
habe er gehalten' 'Zeigt sich nicht in diesem Beispiel schon die ganze Lehre von
der isssrvMo msntiM, die in der Moral der römischen Kirche eine so große
Rolle spielt?


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[0197] Maßgebliches und Unmaßgebliches die kasuistische Moral, die das jüdische Volk ausgebildet hat, und in der sich der sophistische Zug zeigt, der dem Geiste dieses Volkes eigen ist. Nach dieser uralten Moral, die unter den Juden heute lebt, wie vor Jahrtausende», ja mau kann sagen, ihnen angeboren ist, kann man zum Beispiel etwas, das, wie man weiß, wahr ist, leugnen, ohne eine Sünde zu begehn, wenn in der Formulierung des Ausgesprochucu ein Wort nicht richtig ist, also vermittelst einer sophistischen Wortklauberei. So kann man auch etwas Unwahres als wahr versichern vermittelst eines nicht aus- gesprochnen Hiutergednnkeus. Diese Moral zeigt sich auch in den angeführten beiden Sätzen. Der erste Satz könnte den Gegenstand einer ausführlichen juristischen Abhandlung abgeben über eine viel nmstrittne Frage. Wenn nämlich jemand auf Zahlung einer Summe Geldes verklagt ist und den Einwand der Zahlung erhebt, der Kläger die empfangne Zahlung aber auf eine andre Forderung verrechnen will, so fragt es sich, wer zu beweisen hat. Es ist nicht unsre Absicht und würde zu weit führen, hierauf näher einzugehn. Wir wollen nur kurz andeuten und beispiels¬ weise veranschaulichen, wie sich die Sache in der gerichtlichen Praxis oft gestaltet. In einem solchen Falle erklärte der jüdische Kläger, die vom Verklagten behaupteten Zahlungen habe er empfangen, aber auf sein andres Konto. Auf die Frage, worin den« dies bestehe, erwiderte er, das habe er nicht nötig zu sagen, es sei Sache des Verklagten, zu beweisen, daß er mit diesen Zahlungen gerade die jetzt in Rede stehende Schuld getilgt habe. Was sollte der Verklagte nnn Wohl be¬ weisen? Einen solchen Beweis zu führen, ist meist ganz unmöglich. Das Gericht trat aber dem Kläger bei — wie denn dies längere Zeit die herrschende Ansicht gewesen ist —, und der Verklagte wurde zur (möglicherweise nochmaligen) Zahlung verurteilt. Auf diese Weise kann ein Schuldner seine Schuld durch Zahlungen vielleicht niemals tilgen, weil der Gläubiger alle Zahlungen auf andre Forderungen verrechnen kann, und Forderungen lassen sich sehr leicht konstruieren. Oft ist folgendes vorgekommen: Der Verklagte, der sich in solchem Falle nicht anders zu helfen wußte, schob dem Kläger den Eid darüber zu, daß er die Zahlung „auf" die eingeklagte Forderung empfangen habe. Der Richter ging darauf ein, und der Kläger schwor, daß er die Zahlung nicht auf die eingeklagte Forderung erhalten habe, konnte auch so schwören, weil er sich dabei denken konnte, was er wollte, vielleicht auch nichts darüber ausgemacht war, was der Schuldner bezahlte, und der Verklagte wurde verurteilt. Mau sieht aus alledem, welche Rolle die in dem ersten Satz enthaltne Moral bei deu Gerichten gespielt hat. Das Bürgerliche Gesetzbuch hat hier Wandel geschafft (§ 363). Noch viel lehrreicher ist der zweite Satz. Mir ist vor Jahren in der richter¬ lichen Praxis ein merkwürdiger, sehr charakteristischer Fall vorgekommen, der mir im.speziellen nicht mehr genau erinnerlich ist, Wohl aber sehr bestimmt im wesent¬ lichen. Wenn nämlich Jude» untereinander einen Vertrag schließen und sich darauf die Hand geben, so gilt ein solcher mittelst Handschlag geschlossener Vertrag als besonders unverletzlich, und es wird als höchst verwerflich angesehen, ihn zu breche». Drei Juden — sie gehörten der orthodoxen Richtung an — schlössen einen solchen Bertrag. Der eine übernahm es, ein Geschäft zu machen, aber nicht für eigne Rechnung, sondern für Rechnung von allen dreien und versprach, deu Gewinn mit thuen gleich zu teilen. Darauf gab er den beiden andern die Hand. Er hielt aber nicht Wort, sondern machte das Geschäft für eigne Rechnung und behielt den Gewinn für sich. Als die beiden andern ihn hierüber zur Rede stellten und ihm Borwürfe machten, entschuldigte er sich damit: Er habe in dem Augenblick, als er ihnen die Hand gegeben habe, bei sich etwas bestimmtes andres gedacht, und das habe er gehalten' 'Zeigt sich nicht in diesem Beispiel schon die ganze Lehre von der isssrvMo msntiM, die in der Moral der römischen Kirche eine so große Rolle spielt?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/197>, abgerufen am 12.05.2024.