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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Holland und Deutschlciud

vom Reiche ni drückender Armut. Auch das mag noch hervorgehoben werden,
daß während daS eine der Länder für den staatlichen Verband, in den es
gehörte, wieder gewonnen wird, das andre sich völlig von der Herrschaft, die
ans ihm lastete, frei macht. Wenn jemand im Beginn des siebzehnten Jahr¬
hunderts beiden Staaten ein Prognostikon hätte stellen müssen, so würde sein
Urteil gelautet haben, daß der Weg Hollands immer stolzer in die Höhe gehn
müsse, während der Pfad des andern sich in den Spuren einer breitern Heer¬
straße verlaufen werde.

Und dennoch ist es gerade umgekehrt gekommen, Brandenburg ist, wenn
auch langsam und unter großen Mühseligkeiten, von Stufe zu Stufe höher
geklommen, und Holland ist von seiner Höhe ebenso rasch herabgestürzt, wie
es sie erstiegen hatte. Der Weg, den die Niederlande gemacht haben, ist zwar
selbständig und cigenfrei geblieben, aber er wird schmaler und schmaler und
läuft Gefahr, sich ebenso im Saude zu verlieren, wie innerhalb seiner Grenzen
der vor Kattwhk verkümmernde Rheinnrm. Dagegen ist der Pfad, auf dein
Brandenburg emporgestiegen ist, immer breiter geworden, und nicht er mündet
in andre Wege, sondern alle Straßen laufen in seine Richtung, und leuchtend
sichtbar sind in Preußen und Deutschland die Spuren, die der brandenburgische
Geist ihrem Leben aufgedrückt hat. Holland ist, wenn mich nicht arm, so doch
macht- und hilflos geworden und nimmt Beistand, wo immer es ihn finden
mag, aber das Brandenburg, das einst in seinem Sande verdorren wollte, ist
jetzt reich, mächtig und selbstherrlich.

selbstherrlich nicht bloß in Deutschland, sondern auch in Europa, und
wenn eS in der Welt noch nicht ganz so weit ist, so führt doch sein Weg es
mich dahin. Europäische Großstaaten finden Anlehnung an ihm, und mächtige
Weltreiche buhlen um seine Freundschaft. Ist das Überhebung, wenn wir es
sagen, oder paßt der dithyrambische Ton bloß der Form nach nicht in die
ernste historische Betrachtung? Hüten wir n"s und seien wir bescheiden, aber
andrerseits auch nicht mehr, als dein wahrhaftigen und sein Gebiet überschauenden
Manne zukommt. Was ohne Zögern gesagt werden darf ist das, daß die
werbende und in sich aufnehmende Kraft des Deutschen Reichs, die es zu dem
gemacht hat, was es ist, auf der Höhe, die es gegenwärtig einnimmt, keines-
"'egs im Abnehmen begriffen ist. In seiner wirtschaftlichen, sparsamen und
haushälterischer Art lag seine Stärke, in ihr liegt auch die Gewähr seiner
Zukunft.

An sich zich,l und in sich verschmelzen, oder erobern, die Kraft des
, rbens und Aneignens, oder die des Imperialismus, zwischen beiden liegt
himmelweiter Unterschied. Der Imperialismus ist das Losungswort des
^ages, aber nicht unter seinem Stern steht das Vordringen deutscher Kraft.
Wenn es der Fall wäre, so wäre es besser, wenn die Mittel ihres Andringens
Mich beim ersten Ansetzen versagten. Denn noch zu keiner Zeit hat die Er¬
oberung als solche ans die Dauer Segen gebracht, wohl aber Unglück und
rderbcn. Streben, das imxerwin Uonumnm ans dem Richterstuhl


Holland und Deutschlciud

vom Reiche ni drückender Armut. Auch das mag noch hervorgehoben werden,
daß während daS eine der Länder für den staatlichen Verband, in den es
gehörte, wieder gewonnen wird, das andre sich völlig von der Herrschaft, die
ans ihm lastete, frei macht. Wenn jemand im Beginn des siebzehnten Jahr¬
hunderts beiden Staaten ein Prognostikon hätte stellen müssen, so würde sein
Urteil gelautet haben, daß der Weg Hollands immer stolzer in die Höhe gehn
müsse, während der Pfad des andern sich in den Spuren einer breitern Heer¬
straße verlaufen werde.

Und dennoch ist es gerade umgekehrt gekommen, Brandenburg ist, wenn
auch langsam und unter großen Mühseligkeiten, von Stufe zu Stufe höher
geklommen, und Holland ist von seiner Höhe ebenso rasch herabgestürzt, wie
es sie erstiegen hatte. Der Weg, den die Niederlande gemacht haben, ist zwar
selbständig und cigenfrei geblieben, aber er wird schmaler und schmaler und
läuft Gefahr, sich ebenso im Saude zu verlieren, wie innerhalb seiner Grenzen
der vor Kattwhk verkümmernde Rheinnrm. Dagegen ist der Pfad, auf dein
Brandenburg emporgestiegen ist, immer breiter geworden, und nicht er mündet
in andre Wege, sondern alle Straßen laufen in seine Richtung, und leuchtend
sichtbar sind in Preußen und Deutschland die Spuren, die der brandenburgische
Geist ihrem Leben aufgedrückt hat. Holland ist, wenn mich nicht arm, so doch
macht- und hilflos geworden und nimmt Beistand, wo immer es ihn finden
mag, aber das Brandenburg, das einst in seinem Sande verdorren wollte, ist
jetzt reich, mächtig und selbstherrlich.

selbstherrlich nicht bloß in Deutschland, sondern auch in Europa, und
wenn eS in der Welt noch nicht ganz so weit ist, so führt doch sein Weg es
mich dahin. Europäische Großstaaten finden Anlehnung an ihm, und mächtige
Weltreiche buhlen um seine Freundschaft. Ist das Überhebung, wenn wir es
sagen, oder paßt der dithyrambische Ton bloß der Form nach nicht in die
ernste historische Betrachtung? Hüten wir n»s und seien wir bescheiden, aber
andrerseits auch nicht mehr, als dein wahrhaftigen und sein Gebiet überschauenden
Manne zukommt. Was ohne Zögern gesagt werden darf ist das, daß die
werbende und in sich aufnehmende Kraft des Deutschen Reichs, die es zu dem
gemacht hat, was es ist, auf der Höhe, die es gegenwärtig einnimmt, keines-
"'egs im Abnehmen begriffen ist. In seiner wirtschaftlichen, sparsamen und
haushälterischer Art lag seine Stärke, in ihr liegt auch die Gewähr seiner
Zukunft.

An sich zich,l und in sich verschmelzen, oder erobern, die Kraft des
, rbens und Aneignens, oder die des Imperialismus, zwischen beiden liegt
himmelweiter Unterschied. Der Imperialismus ist das Losungswort des
^ages, aber nicht unter seinem Stern steht das Vordringen deutscher Kraft.
Wenn es der Fall wäre, so wäre es besser, wenn die Mittel ihres Andringens
Mich beim ersten Ansetzen versagten. Denn noch zu keiner Zeit hat die Er¬
oberung als solche ans die Dauer Segen gebracht, wohl aber Unglück und
rderbcn. Streben, das imxerwin Uonumnm ans dem Richterstuhl


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/213>, abgerufen am 06.06.2024.