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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Holland "ut Venlschlcmd

frage sich bloß, wie die Stimmung dieses freiheitliebenden Afrikcmdervolkes
nach seiner Besiegung sein mag, wenn es im Besitz einiger ihm gelassenen
Politischen Rechte nach der Pfeife der englischen Wirtschaftsdvktrin tanzen muß.
Die, die im Lande bleiben, werden unter Zühneknirschen das Brot essen, das
ihnen die Gnade ihrer Besieger gelassen hat, und die andern wenigen, die wie
die wilden Tiere gehetzt das Land verlassen, werden die Saat des Hasses, die
sie in ihren Herzen empfangen haben, in die Welt weiter tragen und sie auf--
schießen lassen, wo sie immer Boden finden. Mögen die Engländer die süd¬
afrikanischen Freistaaten, unter welcher Form sie immer wollen, annektieren,
eine Stärkung ihrer nationalen Kraft, die sie nötig haben, um damit dem
Widerstreit der vielen heterogenen Elemente in ihren Weltgebieteu zu begeguen,
werden sie trotz der nahen Verwandtschaft in dem unterworfnen niederländischen
Volke nicht gewinnen.

Die Briten haben alle Ursache, außen stehende Menschen nicht an die
schlimme Erfahrung zu erinnern, die sie einmal mit der Anwendung von Ge¬
walt an ihren nordamerikanischen Kolonien gemacht haben. Denn der Gedanke
^ge zu nahe und wirkt in der Vorhaltung von fremder Seite nicht tröstlicher,
daß wenn sie damals die Amerikaner die nötigen Steuern sich selbst hatten
auferlege" lasse" und in der Weisheit dieses Verfahrens nicht nachgelassen
hatten, die Welt für das Mutterland jetzt ganz anders aussehen würde. Freilich
die Nachkomme" der Männer, die einstmals daS Szepter ihren britischen
Tyrannen entrissen haben, sind auch nicht klüger. Auch an dieser Stelle wird
^ schwer, nicht zu denken, was wohl die Weisheit Franklins zu der Er¬
oberungspolitik seiner Mitbürger von heute sagen würde.

Was soll uoch der Streit über die Vorzüge dieser oder jener Verfassungs-
form? K^t pro rations voluntas: es ist ein Grundsatz, der nicht nur in mon¬
archisch regierten Staaten, sondern auch in republikanischen zur Geltung kommt,
a"r daß hier noch eine schlimmere Begierde als die Herrschsucht zum Handeln
treibt. Der dem Golde anhaftende Fluch hat die smarten Amerikaner auf die
^nsel Kuba gehetzt. Wie sie das mit ihren Traditionen aus einer großen Zeit
Einklang bringen "vollen, muß ihnen überlassen bleiben; aber wenn sie dem
^genüber behaupten, daß sie das Werkzeug in der Hand der Vorsehung ge-
heim mit der Bestimmung, die Sünden der Spanier aus der Vergcmgen-
)^t zu runden, so mag jeder denkende Mensch, der so etwas liest, sich selber
Wu Urteil bilden.

in>- ^" Holland hat es während des Bnrenkriegs, besonders als Sonne und
no sich gegen ihre Stammesgenossen zu wenden begannen, viele Entrüstnngs-
ersammlungcn gegeben, in denen mehr oder weniger laut vom Standpunkt
^ Rechts und der Moral ans gegen das Vorgehn der Engländer protestiert
vurde. Auch sind von maßgebender Stelle bewegliche Vorstellungen ein die
Msche Regierung gerichtet worden, um den Arm des Siegers uoch im Nieder-
Wsen zurückzuhalten. Man hätte sich dies sparen können und hätte lieber in
^ Geschichte nachschlagen sollen, wie es in solchen Fällen nnter denselben


Holland »ut Venlschlcmd

frage sich bloß, wie die Stimmung dieses freiheitliebenden Afrikcmdervolkes
nach seiner Besiegung sein mag, wenn es im Besitz einiger ihm gelassenen
Politischen Rechte nach der Pfeife der englischen Wirtschaftsdvktrin tanzen muß.
Die, die im Lande bleiben, werden unter Zühneknirschen das Brot essen, das
ihnen die Gnade ihrer Besieger gelassen hat, und die andern wenigen, die wie
die wilden Tiere gehetzt das Land verlassen, werden die Saat des Hasses, die
sie in ihren Herzen empfangen haben, in die Welt weiter tragen und sie auf--
schießen lassen, wo sie immer Boden finden. Mögen die Engländer die süd¬
afrikanischen Freistaaten, unter welcher Form sie immer wollen, annektieren,
eine Stärkung ihrer nationalen Kraft, die sie nötig haben, um damit dem
Widerstreit der vielen heterogenen Elemente in ihren Weltgebieteu zu begeguen,
werden sie trotz der nahen Verwandtschaft in dem unterworfnen niederländischen
Volke nicht gewinnen.

Die Briten haben alle Ursache, außen stehende Menschen nicht an die
schlimme Erfahrung zu erinnern, die sie einmal mit der Anwendung von Ge¬
walt an ihren nordamerikanischen Kolonien gemacht haben. Denn der Gedanke
^ge zu nahe und wirkt in der Vorhaltung von fremder Seite nicht tröstlicher,
daß wenn sie damals die Amerikaner die nötigen Steuern sich selbst hatten
auferlege» lasse» und in der Weisheit dieses Verfahrens nicht nachgelassen
hatten, die Welt für das Mutterland jetzt ganz anders aussehen würde. Freilich
die Nachkomme» der Männer, die einstmals daS Szepter ihren britischen
Tyrannen entrissen haben, sind auch nicht klüger. Auch an dieser Stelle wird
^ schwer, nicht zu denken, was wohl die Weisheit Franklins zu der Er¬
oberungspolitik seiner Mitbürger von heute sagen würde.

Was soll uoch der Streit über die Vorzüge dieser oder jener Verfassungs-
form? K^t pro rations voluntas: es ist ein Grundsatz, der nicht nur in mon¬
archisch regierten Staaten, sondern auch in republikanischen zur Geltung kommt,
a»r daß hier noch eine schlimmere Begierde als die Herrschsucht zum Handeln
treibt. Der dem Golde anhaftende Fluch hat die smarten Amerikaner auf die
^nsel Kuba gehetzt. Wie sie das mit ihren Traditionen aus einer großen Zeit
Einklang bringen »vollen, muß ihnen überlassen bleiben; aber wenn sie dem
^genüber behaupten, daß sie das Werkzeug in der Hand der Vorsehung ge-
heim mit der Bestimmung, die Sünden der Spanier aus der Vergcmgen-
)^t zu runden, so mag jeder denkende Mensch, der so etwas liest, sich selber
Wu Urteil bilden.

in>- ^" Holland hat es während des Bnrenkriegs, besonders als Sonne und
no sich gegen ihre Stammesgenossen zu wenden begannen, viele Entrüstnngs-
ersammlungcn gegeben, in denen mehr oder weniger laut vom Standpunkt
^ Rechts und der Moral ans gegen das Vorgehn der Engländer protestiert
vurde. Auch sind von maßgebender Stelle bewegliche Vorstellungen ein die
Msche Regierung gerichtet worden, um den Arm des Siegers uoch im Nieder-
Wsen zurückzuhalten. Man hätte sich dies sparen können und hätte lieber in
^ Geschichte nachschlagen sollen, wie es in solchen Fällen nnter denselben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/215>, abgerufen am 06.06.2024.