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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Zur Umgestaltung der General- und der Spezialkomnnssionen

Die Erfüllung der ersten Forderung wird keine wesentliche Änderung des
Bestehenden bei den Generalkommissionen ausmachen, deren Geschäftsbezirke
sich schon jetzt annähernd mit den betreffenden Provinzen decken; sie würde
aber eine starke Vermehrung dieser Behörden verlangen, deren Wirkungskreis
nach Umfang und Materie sehr verschieden sein würde. Das der General-
kvmmission eigentümliche Unterscheidungsmerkmal andern Behörden gegenüber,
die Eigenschaft einer Verwaltnngs- und zugleich einer richterlichen Behörde,
soll ihr auch in Zukunft bleiben.

Was nun den zweiten Punkt angeht, so scheint die Kommission der An¬
sicht zu sein, daß sich durch das Aufgehn der jetzt bestehenden Meliorations-
banümter in den Generalkommissionen und durch die Vermehrung der melio-
rationstechuisch gebildeten Beamten eine segensreichere Entfaltung der Landes¬
meliorationen erreichen lasse.

Diese Organisationsänderung wird aber kaum eine nennenswerte Förde¬
rung der noch der Lösung harrenden Aufgaben in der Landeskultur herbeiführen,
wenn nicht zugleich die materielle Gesetzgebung (die Zusammenlegungsgesetze,
das Wassergenossenschaftsgesetz vom 1. April 1879 und die Wassergesetzgebung)
einer gründlichen Umarbeitung unterzogen wird, die in der Hauptsache in der
Beseitigung aller formalen Hindernisse für das Zustandekommen von Kultur¬
unternehmungen bestehn müßte.

Die Agrargcsetze in Preußen fußen sämtlich auf der Gemeinheitsteilungs-
ordnung vom 7. Juni 1821, und wenn sie sich dieser Abstammung auch nicht
zu schämen brauchen, so hätte doch eine den Fortschritten des Landwirtschafts¬
betriebs und der Melivrationstechnik entsprechende Entwicklung dieser Gesetz¬
gebung die gegenwärtig bestehenden Mängel verhüten können. In der Be¬
handlung und in der Rechtsprechung hat das formale Recht zu sehr das Über¬
gewicht über das praktische Urteil erlangt. Wenn z. B. noch heutigentags
durch einen einzigen Interessenten, der an dem Verfahren vielleicht mit einer
ganz geringfügigen Fläche beteiligt ist, die Ausführung eiues ganzen Ausein-
andersetzuugsplans gehindert werden kann, weil die Generalkommission aus
formalen Bedenken nicht auf Ausführung des Plans erkennt, ohne daß alle
übrigen Beschwerden gegen das Projekt erledigt werden, so ist das bei den
überwiegenden Nachteilen, die hieraus für die ausfnhrungswilligen Interessenten
entstehn, für einen im Erwerbsleben stehenden Menschen nicht so ohne weiteres
verständlich. Diese Nachteile sind oft so groß, daß sie direkt zu einer Rechts-
bengung führen, indem auf Betreiben der Beamten den Beschwerdeführern von
den Deputierten oft Zugeständnisse gemacht werden, die jedes Rechtsgrnnds
entbehren.

Eine Statistik über die Erfolge des Gesetzes vom 1. April 1879 betreffend
die Bildung von Wassergenvssenschaften würde wahrscheinlich sehr zu dessen
Ungunsten ausfallen, wenigstens in den westelbischen Provinzen.

Das Gesetz macht vor allen Dingen keinerlei Unterschied zwischen einer
Landesmelioration, die sich über ein meilenweites Gebiet erstreckt, und der


Zur Umgestaltung der General- und der Spezialkomnnssionen

Die Erfüllung der ersten Forderung wird keine wesentliche Änderung des
Bestehenden bei den Generalkommissionen ausmachen, deren Geschäftsbezirke
sich schon jetzt annähernd mit den betreffenden Provinzen decken; sie würde
aber eine starke Vermehrung dieser Behörden verlangen, deren Wirkungskreis
nach Umfang und Materie sehr verschieden sein würde. Das der General-
kvmmission eigentümliche Unterscheidungsmerkmal andern Behörden gegenüber,
die Eigenschaft einer Verwaltnngs- und zugleich einer richterlichen Behörde,
soll ihr auch in Zukunft bleiben.

Was nun den zweiten Punkt angeht, so scheint die Kommission der An¬
sicht zu sein, daß sich durch das Aufgehn der jetzt bestehenden Meliorations-
banümter in den Generalkommissionen und durch die Vermehrung der melio-
rationstechuisch gebildeten Beamten eine segensreichere Entfaltung der Landes¬
meliorationen erreichen lasse.

Diese Organisationsänderung wird aber kaum eine nennenswerte Förde¬
rung der noch der Lösung harrenden Aufgaben in der Landeskultur herbeiführen,
wenn nicht zugleich die materielle Gesetzgebung (die Zusammenlegungsgesetze,
das Wassergenossenschaftsgesetz vom 1. April 1879 und die Wassergesetzgebung)
einer gründlichen Umarbeitung unterzogen wird, die in der Hauptsache in der
Beseitigung aller formalen Hindernisse für das Zustandekommen von Kultur¬
unternehmungen bestehn müßte.

Die Agrargcsetze in Preußen fußen sämtlich auf der Gemeinheitsteilungs-
ordnung vom 7. Juni 1821, und wenn sie sich dieser Abstammung auch nicht
zu schämen brauchen, so hätte doch eine den Fortschritten des Landwirtschafts¬
betriebs und der Melivrationstechnik entsprechende Entwicklung dieser Gesetz¬
gebung die gegenwärtig bestehenden Mängel verhüten können. In der Be¬
handlung und in der Rechtsprechung hat das formale Recht zu sehr das Über¬
gewicht über das praktische Urteil erlangt. Wenn z. B. noch heutigentags
durch einen einzigen Interessenten, der an dem Verfahren vielleicht mit einer
ganz geringfügigen Fläche beteiligt ist, die Ausführung eiues ganzen Ausein-
andersetzuugsplans gehindert werden kann, weil die Generalkommission aus
formalen Bedenken nicht auf Ausführung des Plans erkennt, ohne daß alle
übrigen Beschwerden gegen das Projekt erledigt werden, so ist das bei den
überwiegenden Nachteilen, die hieraus für die ausfnhrungswilligen Interessenten
entstehn, für einen im Erwerbsleben stehenden Menschen nicht so ohne weiteres
verständlich. Diese Nachteile sind oft so groß, daß sie direkt zu einer Rechts-
bengung führen, indem auf Betreiben der Beamten den Beschwerdeführern von
den Deputierten oft Zugeständnisse gemacht werden, die jedes Rechtsgrnnds
entbehren.

Eine Statistik über die Erfolge des Gesetzes vom 1. April 1879 betreffend
die Bildung von Wassergenvssenschaften würde wahrscheinlich sehr zu dessen
Ungunsten ausfallen, wenigstens in den westelbischen Provinzen.

Das Gesetz macht vor allen Dingen keinerlei Unterschied zwischen einer
Landesmelioration, die sich über ein meilenweites Gebiet erstreckt, und der


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[0346] Zur Umgestaltung der General- und der Spezialkomnnssionen Die Erfüllung der ersten Forderung wird keine wesentliche Änderung des Bestehenden bei den Generalkommissionen ausmachen, deren Geschäftsbezirke sich schon jetzt annähernd mit den betreffenden Provinzen decken; sie würde aber eine starke Vermehrung dieser Behörden verlangen, deren Wirkungskreis nach Umfang und Materie sehr verschieden sein würde. Das der General- kvmmission eigentümliche Unterscheidungsmerkmal andern Behörden gegenüber, die Eigenschaft einer Verwaltnngs- und zugleich einer richterlichen Behörde, soll ihr auch in Zukunft bleiben. Was nun den zweiten Punkt angeht, so scheint die Kommission der An¬ sicht zu sein, daß sich durch das Aufgehn der jetzt bestehenden Meliorations- banümter in den Generalkommissionen und durch die Vermehrung der melio- rationstechuisch gebildeten Beamten eine segensreichere Entfaltung der Landes¬ meliorationen erreichen lasse. Diese Organisationsänderung wird aber kaum eine nennenswerte Förde¬ rung der noch der Lösung harrenden Aufgaben in der Landeskultur herbeiführen, wenn nicht zugleich die materielle Gesetzgebung (die Zusammenlegungsgesetze, das Wassergenossenschaftsgesetz vom 1. April 1879 und die Wassergesetzgebung) einer gründlichen Umarbeitung unterzogen wird, die in der Hauptsache in der Beseitigung aller formalen Hindernisse für das Zustandekommen von Kultur¬ unternehmungen bestehn müßte. Die Agrargcsetze in Preußen fußen sämtlich auf der Gemeinheitsteilungs- ordnung vom 7. Juni 1821, und wenn sie sich dieser Abstammung auch nicht zu schämen brauchen, so hätte doch eine den Fortschritten des Landwirtschafts¬ betriebs und der Melivrationstechnik entsprechende Entwicklung dieser Gesetz¬ gebung die gegenwärtig bestehenden Mängel verhüten können. In der Be¬ handlung und in der Rechtsprechung hat das formale Recht zu sehr das Über¬ gewicht über das praktische Urteil erlangt. Wenn z. B. noch heutigentags durch einen einzigen Interessenten, der an dem Verfahren vielleicht mit einer ganz geringfügigen Fläche beteiligt ist, die Ausführung eiues ganzen Ausein- andersetzuugsplans gehindert werden kann, weil die Generalkommission aus formalen Bedenken nicht auf Ausführung des Plans erkennt, ohne daß alle übrigen Beschwerden gegen das Projekt erledigt werden, so ist das bei den überwiegenden Nachteilen, die hieraus für die ausfnhrungswilligen Interessenten entstehn, für einen im Erwerbsleben stehenden Menschen nicht so ohne weiteres verständlich. Diese Nachteile sind oft so groß, daß sie direkt zu einer Rechts- bengung führen, indem auf Betreiben der Beamten den Beschwerdeführern von den Deputierten oft Zugeständnisse gemacht werden, die jedes Rechtsgrnnds entbehren. Eine Statistik über die Erfolge des Gesetzes vom 1. April 1879 betreffend die Bildung von Wassergenvssenschaften würde wahrscheinlich sehr zu dessen Ungunsten ausfallen, wenigstens in den westelbischen Provinzen. Das Gesetz macht vor allen Dingen keinerlei Unterschied zwischen einer Landesmelioration, die sich über ein meilenweites Gebiet erstreckt, und der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/346>, abgerufen am 10.05.2024.