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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Die Ausstattung d" Darmstüdter Künstlerkolome

solls lernen, er soll erzogen werde"; man bildet ihn, man "vorbildet" und zeigt,
wies zu erreichen ist. Denn wir alle sind noch lange nicht ästhetisch genug,
auch die meisten Künstler nicht, wenigstens wir altmodischen nicht, die wir,
wie jüngst Liliencron in der Karikatur des Simplizissimus, noch behaglich Klöße
essen und Bier trinken mögen und uns nicht immer in den heiligen Einsam¬
keiten unsrer Künstlerseele bade". Aber das sollen wir lernen. Wenn es Mode
geworden ist, lernt es vielleicht mancher aus Geschäftsgründen und wird für
sein öffentliches Leben ein Mensch der Feier. Wer es lernen will, kann die
ersten Stunden in Darmstadt nehmen.

Ein Dokument deutscher Kunst! Das klingt recht stolz, und geheimnis¬
voll wie die Plakate. Doch gehn wir hinein, vielleicht hilfts. ......- Auf dem
Mathildenhügel zu Darmstadt erhebt sichs. Mitten drin goldig leuchtend die
russische Kapelle. Ein Dokument deutscher Kunst! Vou den beiden hohen
Pylonen, den Trägern des große" Velmns, das den Eingang überspannt,
grüßen uus die ersten neuen Menschen, zwei Züge Menschen, darstellend den
"Drang der Menschheit zur physischen und moralischen Schönheit." Ästhe¬
tische Erziehung! Doch wir greifen vor, denn was das Bild darstellen soll,
sagt uns nur der Katalog, den wir erst drinnen kaufe" müssen. Auf seiner
letzten Umschlagscite steht zu lese": Der Katalog wurde verfaßt von Professor
Olbrich. Es ist gut, das zu wissen. Das Deutsch des Katalogs ist nämlich
leider kein Dokument deutscher Kunst, sondern eine Schande! Eine kleine Probe
genügt: "Der Ausstclluugszauu. Um die Abgrenzung des Ansstellnngsterrains
zu einem künstlerischen Moment zu erhebe" und diese deu Ansstellungsein-
"nhmcn dienstbar zu mache", wurden in Entfernungen von je 6 Meter Tafel"
gestellt, die imie" n"d außen Neklamcplakate aufnehmen sollen. Durch diesen
Gedanke" ist "ebst dem Zweck der Abgrenzung auch eine Summe von künst¬
lerischer Arbeit geweckt und für die Plakatkunst ein idealer Raum geschaffen
worden."

Was diese idealen, für eine durchaus nicht "erstklassige" Plakatkunst be¬
stimmten Räume umschließen, das ist die Künstlerkolonie. Hier erheben sich die
Häuser, i" denen sich nach demi Willen des Großherzogs von Hessen die von
ihm berufnen Künstler als Führer der neuen kunstgewerblichen Bewegung be¬
thätigen sollen.

Vielleicht hätten sie mehr erreicht, wenn sie uur das gewollt Hütten;
hoffentlich besinne" sie sich noch darauf und machen so wieder gut, was sie
jetzt versehen haben. Aus Versehen haben sie nämlich oder wenigstens viele
von ihnen Gernegroß gespielt und statt wertvoller Proben ihrer Begabung
ein Schauspiel für Freunde unfreiwilliger Komik gegeben. Bedeutsam ist an
der Ausstellung, abgesehen von verschiednen Einzelleistnngen, die hier nicht
aufgezählt werde" könne", der Reichtum an guter Kleinkunst und die Art und
Weise, wie der Großherzog vou Hessen deu Künstlern seiner Kolonie freies
Arbeiten gewährleistet hat. Nichts von dem Zwang der Hofkunst, nichts von
Schablone und Kommando. Das kann nicht genug gerühmt werden, und dieser


Die Ausstattung d« Darmstüdter Künstlerkolome

solls lernen, er soll erzogen werde»; man bildet ihn, man „vorbildet" und zeigt,
wies zu erreichen ist. Denn wir alle sind noch lange nicht ästhetisch genug,
auch die meisten Künstler nicht, wenigstens wir altmodischen nicht, die wir,
wie jüngst Liliencron in der Karikatur des Simplizissimus, noch behaglich Klöße
essen und Bier trinken mögen und uns nicht immer in den heiligen Einsam¬
keiten unsrer Künstlerseele bade». Aber das sollen wir lernen. Wenn es Mode
geworden ist, lernt es vielleicht mancher aus Geschäftsgründen und wird für
sein öffentliches Leben ein Mensch der Feier. Wer es lernen will, kann die
ersten Stunden in Darmstadt nehmen.

Ein Dokument deutscher Kunst! Das klingt recht stolz, und geheimnis¬
voll wie die Plakate. Doch gehn wir hinein, vielleicht hilfts. ......- Auf dem
Mathildenhügel zu Darmstadt erhebt sichs. Mitten drin goldig leuchtend die
russische Kapelle. Ein Dokument deutscher Kunst! Vou den beiden hohen
Pylonen, den Trägern des große» Velmns, das den Eingang überspannt,
grüßen uus die ersten neuen Menschen, zwei Züge Menschen, darstellend den
„Drang der Menschheit zur physischen und moralischen Schönheit." Ästhe¬
tische Erziehung! Doch wir greifen vor, denn was das Bild darstellen soll,
sagt uns nur der Katalog, den wir erst drinnen kaufe» müssen. Auf seiner
letzten Umschlagscite steht zu lese»: Der Katalog wurde verfaßt von Professor
Olbrich. Es ist gut, das zu wissen. Das Deutsch des Katalogs ist nämlich
leider kein Dokument deutscher Kunst, sondern eine Schande! Eine kleine Probe
genügt: „Der Ausstclluugszauu. Um die Abgrenzung des Ansstellnngsterrains
zu einem künstlerischen Moment zu erhebe» und diese deu Ansstellungsein-
»nhmcn dienstbar zu mache», wurden in Entfernungen von je 6 Meter Tafel»
gestellt, die imie» n»d außen Neklamcplakate aufnehmen sollen. Durch diesen
Gedanke» ist »ebst dem Zweck der Abgrenzung auch eine Summe von künst¬
lerischer Arbeit geweckt und für die Plakatkunst ein idealer Raum geschaffen
worden."

Was diese idealen, für eine durchaus nicht „erstklassige" Plakatkunst be¬
stimmten Räume umschließen, das ist die Künstlerkolonie. Hier erheben sich die
Häuser, i» denen sich nach demi Willen des Großherzogs von Hessen die von
ihm berufnen Künstler als Führer der neuen kunstgewerblichen Bewegung be¬
thätigen sollen.

Vielleicht hätten sie mehr erreicht, wenn sie uur das gewollt Hütten;
hoffentlich besinne» sie sich noch darauf und machen so wieder gut, was sie
jetzt versehen haben. Aus Versehen haben sie nämlich oder wenigstens viele
von ihnen Gernegroß gespielt und statt wertvoller Proben ihrer Begabung
ein Schauspiel für Freunde unfreiwilliger Komik gegeben. Bedeutsam ist an
der Ausstellung, abgesehen von verschiednen Einzelleistnngen, die hier nicht
aufgezählt werde» könne», der Reichtum an guter Kleinkunst und die Art und
Weise, wie der Großherzog vou Hessen deu Künstlern seiner Kolonie freies
Arbeiten gewährleistet hat. Nichts von dem Zwang der Hofkunst, nichts von
Schablone und Kommando. Das kann nicht genug gerühmt werden, und dieser


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[0428] Die Ausstattung d« Darmstüdter Künstlerkolome solls lernen, er soll erzogen werde»; man bildet ihn, man „vorbildet" und zeigt, wies zu erreichen ist. Denn wir alle sind noch lange nicht ästhetisch genug, auch die meisten Künstler nicht, wenigstens wir altmodischen nicht, die wir, wie jüngst Liliencron in der Karikatur des Simplizissimus, noch behaglich Klöße essen und Bier trinken mögen und uns nicht immer in den heiligen Einsam¬ keiten unsrer Künstlerseele bade». Aber das sollen wir lernen. Wenn es Mode geworden ist, lernt es vielleicht mancher aus Geschäftsgründen und wird für sein öffentliches Leben ein Mensch der Feier. Wer es lernen will, kann die ersten Stunden in Darmstadt nehmen. Ein Dokument deutscher Kunst! Das klingt recht stolz, und geheimnis¬ voll wie die Plakate. Doch gehn wir hinein, vielleicht hilfts. ......- Auf dem Mathildenhügel zu Darmstadt erhebt sichs. Mitten drin goldig leuchtend die russische Kapelle. Ein Dokument deutscher Kunst! Vou den beiden hohen Pylonen, den Trägern des große» Velmns, das den Eingang überspannt, grüßen uus die ersten neuen Menschen, zwei Züge Menschen, darstellend den „Drang der Menschheit zur physischen und moralischen Schönheit." Ästhe¬ tische Erziehung! Doch wir greifen vor, denn was das Bild darstellen soll, sagt uns nur der Katalog, den wir erst drinnen kaufe» müssen. Auf seiner letzten Umschlagscite steht zu lese»: Der Katalog wurde verfaßt von Professor Olbrich. Es ist gut, das zu wissen. Das Deutsch des Katalogs ist nämlich leider kein Dokument deutscher Kunst, sondern eine Schande! Eine kleine Probe genügt: „Der Ausstclluugszauu. Um die Abgrenzung des Ansstellnngsterrains zu einem künstlerischen Moment zu erhebe» und diese deu Ansstellungsein- »nhmcn dienstbar zu mache», wurden in Entfernungen von je 6 Meter Tafel» gestellt, die imie» n»d außen Neklamcplakate aufnehmen sollen. Durch diesen Gedanke» ist »ebst dem Zweck der Abgrenzung auch eine Summe von künst¬ lerischer Arbeit geweckt und für die Plakatkunst ein idealer Raum geschaffen worden." Was diese idealen, für eine durchaus nicht „erstklassige" Plakatkunst be¬ stimmten Räume umschließen, das ist die Künstlerkolonie. Hier erheben sich die Häuser, i» denen sich nach demi Willen des Großherzogs von Hessen die von ihm berufnen Künstler als Führer der neuen kunstgewerblichen Bewegung be¬ thätigen sollen. Vielleicht hätten sie mehr erreicht, wenn sie uur das gewollt Hütten; hoffentlich besinne» sie sich noch darauf und machen so wieder gut, was sie jetzt versehen haben. Aus Versehen haben sie nämlich oder wenigstens viele von ihnen Gernegroß gespielt und statt wertvoller Proben ihrer Begabung ein Schauspiel für Freunde unfreiwilliger Komik gegeben. Bedeutsam ist an der Ausstellung, abgesehen von verschiednen Einzelleistnngen, die hier nicht aufgezählt werde» könne», der Reichtum an guter Kleinkunst und die Art und Weise, wie der Großherzog vou Hessen deu Künstlern seiner Kolonie freies Arbeiten gewährleistet hat. Nichts von dem Zwang der Hofkunst, nichts von Schablone und Kommando. Das kann nicht genug gerühmt werden, und dieser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/428>, abgerufen am 11.05.2024.