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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Pretorias letzte Tage unter der Burenherrschaft

oder Frau und Kind nach weniger bedrohten Distrikten zu senden, waren auf
dem Bahnhof zu Hunderten zu sehen. Aber man konnte doch den Unterschied
wahrnehmen zwischen denen, die aus Furcht vor den Engländern ihre Wohn-
stätte verließen, und denen, die sich frohen Mutes sagen konnten: Zur Pariser
Weltausstellung kommen wir noch gerade recht, und endlich deuen, die sich von
Frau und Kind trennten, weil sie diese vor den Ereignissen schützen wollten,
die bevorstanden.

Nach allem, was im Gouvernemcntsgebäude und im Arsenal vorging,
mußte man erwarten, das; kein entscheidender Widerstand bei Pretoria geleistet
werden würde. Schon längst war es ein offnes Geheimnis, daß der Sitz der
Regierung nach Lydenburg verlegt werden sollte, sobald die Engländer den
Naal überschritten hätten; aber etwas Bestimmtes wurde nicht bekannt gemacht,
Präsident Krüger verließ in der Nacht vom 28, auf deu 29, Mai 1900 in
Begleitung von Staatsanwalt Smuts und Postministcr van Alphen ganz im
geheimen schwere" Herzens Pretoria, Um seine Abreise weniger auffällig zu
machen, fuhr er mit einem Wagen nach Eerste Fabricken und benutzte erst vou
da aus die Eisenbahn nach Machadodorp. Regierungsgelder ungefähr in der
Höhe von zwei Millionen Pfund hat Krüger natürlich mitgenommen, um sie i"
sicherm Schutz zu haben, gerade nicht zum Vergnügen der Leute, die schon Tage
und Wochen in fieberhafter Aufregung das Negierungsgcbüudc gestürmt hatten,
um etwas Msli für gemachte Lieferungen herauszubekommen. Wenn es diesem
oder jenem auch gelungen sein dürfte, mit der nötigen "Schmiere" schnell zu
seinem Gelde zu kommen, so mußten sich doch die meisten mit einer Gouverne¬
mentsnote begnügen, in der ans hoffnungsgrüncm Papier die Bezahlung der
darin angegebnen Schuld nach Beendigung des Krieges zugesichert wurde. Am
29, Mai konnte man denn auch an dem Bureau des Hauptschatzmeisters eine
Bekanntmachung lesen, daß Ongquss nicht mehr ausgegeben, soudern gemachte
Lreferuugcn nur mit deu nach dem Kriege zahlbaren Noten bezahlt werden
würden. Auf diese Bekanntmachung hatte jedenfalls ein Opfer der neuen Be¬
stimmung lakonisch mit Bleistift die Bemerkung geschrieben: "WImt is Mir g.äärsZ8
a-lehr tus og,r?

Mit der Besetzung von Johannesburg und Elandsfvuteiu (am 31. Mui),
dem Kreuzungspunkte der Linien nach dem Oranje-Freistaat, nach Natal,
Klerksdorp und Pretoria beherrschten die Engländer natürlich das ganze Eisen¬
bahnnetz: wenigstens war der Verkehr vou Pretoria völlig abgeschnitten, was
denn auch eine Rückwirkung auf die frühere allgemeine rege Thätigkeit zur
Folge hatte. Zu Tausenden kamen nun Buren zu Fuß und zu Pferde nach
Pretoria aus der Richtung vou Johannesburg in einem Zustande, der uns
am besten zeigte, in welcher Weise der Rückzug vor sich gegangen war. Natürlich
waren das wieder Leute, die nur an ihre eigne Person dachten und ihre
Rettung lieber in der Flucht suchten, als in der Front mit ihren Kampfgenossen
auszuharren. Leider war ein großer Prozentsatz solcher Hasenherzen unter denen,
die sich mit Recht ein Volk voll Heldenmut nennen können. Es war traurig,


Pretorias letzte Tage unter der Burenherrschaft

oder Frau und Kind nach weniger bedrohten Distrikten zu senden, waren auf
dem Bahnhof zu Hunderten zu sehen. Aber man konnte doch den Unterschied
wahrnehmen zwischen denen, die aus Furcht vor den Engländern ihre Wohn-
stätte verließen, und denen, die sich frohen Mutes sagen konnten: Zur Pariser
Weltausstellung kommen wir noch gerade recht, und endlich deuen, die sich von
Frau und Kind trennten, weil sie diese vor den Ereignissen schützen wollten,
die bevorstanden.

Nach allem, was im Gouvernemcntsgebäude und im Arsenal vorging,
mußte man erwarten, das; kein entscheidender Widerstand bei Pretoria geleistet
werden würde. Schon längst war es ein offnes Geheimnis, daß der Sitz der
Regierung nach Lydenburg verlegt werden sollte, sobald die Engländer den
Naal überschritten hätten; aber etwas Bestimmtes wurde nicht bekannt gemacht,
Präsident Krüger verließ in der Nacht vom 28, auf deu 29, Mai 1900 in
Begleitung von Staatsanwalt Smuts und Postministcr van Alphen ganz im
geheimen schwere» Herzens Pretoria, Um seine Abreise weniger auffällig zu
machen, fuhr er mit einem Wagen nach Eerste Fabricken und benutzte erst vou
da aus die Eisenbahn nach Machadodorp. Regierungsgelder ungefähr in der
Höhe von zwei Millionen Pfund hat Krüger natürlich mitgenommen, um sie i»
sicherm Schutz zu haben, gerade nicht zum Vergnügen der Leute, die schon Tage
und Wochen in fieberhafter Aufregung das Negierungsgcbüudc gestürmt hatten,
um etwas Msli für gemachte Lieferungen herauszubekommen. Wenn es diesem
oder jenem auch gelungen sein dürfte, mit der nötigen „Schmiere" schnell zu
seinem Gelde zu kommen, so mußten sich doch die meisten mit einer Gouverne¬
mentsnote begnügen, in der ans hoffnungsgrüncm Papier die Bezahlung der
darin angegebnen Schuld nach Beendigung des Krieges zugesichert wurde. Am
29, Mai konnte man denn auch an dem Bureau des Hauptschatzmeisters eine
Bekanntmachung lesen, daß Ongquss nicht mehr ausgegeben, soudern gemachte
Lreferuugcn nur mit deu nach dem Kriege zahlbaren Noten bezahlt werden
würden. Auf diese Bekanntmachung hatte jedenfalls ein Opfer der neuen Be¬
stimmung lakonisch mit Bleistift die Bemerkung geschrieben: "WImt is Mir g.äärsZ8
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Mit der Besetzung von Johannesburg und Elandsfvuteiu (am 31. Mui),
dem Kreuzungspunkte der Linien nach dem Oranje-Freistaat, nach Natal,
Klerksdorp und Pretoria beherrschten die Engländer natürlich das ganze Eisen¬
bahnnetz: wenigstens war der Verkehr vou Pretoria völlig abgeschnitten, was
denn auch eine Rückwirkung auf die frühere allgemeine rege Thätigkeit zur
Folge hatte. Zu Tausenden kamen nun Buren zu Fuß und zu Pferde nach
Pretoria aus der Richtung vou Johannesburg in einem Zustande, der uns
am besten zeigte, in welcher Weise der Rückzug vor sich gegangen war. Natürlich
waren das wieder Leute, die nur an ihre eigne Person dachten und ihre
Rettung lieber in der Flucht suchten, als in der Front mit ihren Kampfgenossen
auszuharren. Leider war ein großer Prozentsatz solcher Hasenherzen unter denen,
die sich mit Recht ein Volk voll Heldenmut nennen können. Es war traurig,


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[0434] Pretorias letzte Tage unter der Burenherrschaft oder Frau und Kind nach weniger bedrohten Distrikten zu senden, waren auf dem Bahnhof zu Hunderten zu sehen. Aber man konnte doch den Unterschied wahrnehmen zwischen denen, die aus Furcht vor den Engländern ihre Wohn- stätte verließen, und denen, die sich frohen Mutes sagen konnten: Zur Pariser Weltausstellung kommen wir noch gerade recht, und endlich deuen, die sich von Frau und Kind trennten, weil sie diese vor den Ereignissen schützen wollten, die bevorstanden. Nach allem, was im Gouvernemcntsgebäude und im Arsenal vorging, mußte man erwarten, das; kein entscheidender Widerstand bei Pretoria geleistet werden würde. Schon längst war es ein offnes Geheimnis, daß der Sitz der Regierung nach Lydenburg verlegt werden sollte, sobald die Engländer den Naal überschritten hätten; aber etwas Bestimmtes wurde nicht bekannt gemacht, Präsident Krüger verließ in der Nacht vom 28, auf deu 29, Mai 1900 in Begleitung von Staatsanwalt Smuts und Postministcr van Alphen ganz im geheimen schwere» Herzens Pretoria, Um seine Abreise weniger auffällig zu machen, fuhr er mit einem Wagen nach Eerste Fabricken und benutzte erst vou da aus die Eisenbahn nach Machadodorp. Regierungsgelder ungefähr in der Höhe von zwei Millionen Pfund hat Krüger natürlich mitgenommen, um sie i» sicherm Schutz zu haben, gerade nicht zum Vergnügen der Leute, die schon Tage und Wochen in fieberhafter Aufregung das Negierungsgcbüudc gestürmt hatten, um etwas Msli für gemachte Lieferungen herauszubekommen. Wenn es diesem oder jenem auch gelungen sein dürfte, mit der nötigen „Schmiere" schnell zu seinem Gelde zu kommen, so mußten sich doch die meisten mit einer Gouverne¬ mentsnote begnügen, in der ans hoffnungsgrüncm Papier die Bezahlung der darin angegebnen Schuld nach Beendigung des Krieges zugesichert wurde. Am 29, Mai konnte man denn auch an dem Bureau des Hauptschatzmeisters eine Bekanntmachung lesen, daß Ongquss nicht mehr ausgegeben, soudern gemachte Lreferuugcn nur mit deu nach dem Kriege zahlbaren Noten bezahlt werden würden. Auf diese Bekanntmachung hatte jedenfalls ein Opfer der neuen Be¬ stimmung lakonisch mit Bleistift die Bemerkung geschrieben: "WImt is Mir g.äärsZ8 a-lehr tus og,r? Mit der Besetzung von Johannesburg und Elandsfvuteiu (am 31. Mui), dem Kreuzungspunkte der Linien nach dem Oranje-Freistaat, nach Natal, Klerksdorp und Pretoria beherrschten die Engländer natürlich das ganze Eisen¬ bahnnetz: wenigstens war der Verkehr vou Pretoria völlig abgeschnitten, was denn auch eine Rückwirkung auf die frühere allgemeine rege Thätigkeit zur Folge hatte. Zu Tausenden kamen nun Buren zu Fuß und zu Pferde nach Pretoria aus der Richtung vou Johannesburg in einem Zustande, der uns am besten zeigte, in welcher Weise der Rückzug vor sich gegangen war. Natürlich waren das wieder Leute, die nur an ihre eigne Person dachten und ihre Rettung lieber in der Flucht suchten, als in der Front mit ihren Kampfgenossen auszuharren. Leider war ein großer Prozentsatz solcher Hasenherzen unter denen, die sich mit Recht ein Volk voll Heldenmut nennen können. Es war traurig,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/434>, abgerufen am 13.05.2024.