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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Doktor Duttmüllor und sein Freund

Asseflnsses -- es war eigentlich nur ein Flüßchen --, dahinter eine leichte Bodcn-
erhöhnng und ein welliges Land, aus dem die Türme und Dticher von Dörfern
hervorschauten, und zwar jenseits der Ane und der Asse zunächst Asseborn, dahinter
Rodcsheim und rechts seitwärts Klein-Siebendorf und Wenigcnstein, und ganz rechts,
hinter dem Hange des Göddeckenberges verborgen, aber mit seinen Fnbritschorn-
steinen herüberhebend Groß-Siebendvrf.

Wandte man sich nun der Waldseite zu, so hatte man vor sich einen Buchen-
wald auf ansteigender Hohe, ans dem eigensinnig gewundne Holzwege herabkrochen,
und zur linken Hand ein Thal, das vom Göddeckenberge und dem Böhnhardt gebildet
wurde, und aus dem eine Chaussee hervorkam, die von Braunfels über den
Böhnhardt, an Hvlzweißig vorüber nach Asseborn und Nodcsheim führte. Das Thal
war ein lauschiger Winkel, eine grüne Wiese zwischen Berg und Wald, hieß das Notte-
thal und erfreute sich großer Beliebtheit bei den Kindern, weil dort das Sedanfest
gefeiert wurde, bei den jungen Mädchen im Pfnrrhuuse, weil dort die süßesten
Blumen wuchsen, und bei den Hvlzweißiger Jägern, weil es dort gute Platze für
den Austand auf Rehe gab.

Die Bewohner von Holzweißig waren gute Leute und nach ihrem Kirchgange
zu urteilen auch gute Christen. Es waren Bauern, nicht bloß eine Landwirtschaft
treibende Bevölkerung, sondern richtige Bauern. Man kann nicht sagen, daß sie
zu deu fortgeschrittensten ihrer Art gehörten, doch war man mit Chili, Super¬
Phosphat, Schmutzprozenten und Schnitzelinnsse wohl vertraut.

Im Dorfe regierte als Schulze seit einer langen Reihe von Jahren Hans
Lüttge. Es dürfte schwierig sein, Antwort darauf zu geben, warum gerade er dieses
höchste weltliche Amt in der Gemeinde bekleidete, wenn man nicht annehmen wollte,
daß diese Würde ans seinem Gute hypothekarisch eingetragen war. Wenigstens war
schon sein Vater Schulze gewesen, und niemand zweifelte daran, daß sein Sohn
mich Schulze werden würde.

Aber was wäre der Herr Schulze ohne den Herrn Kantor gewesen! Der
Herr Kantor trug mit Stolz den etwas ungewöhnlichen Namen Mötefind. Nur
das betrübte ihn, daß er trotz eindringender etymologischer Studien nicht hatte
feststellen können, ob sein Name einen Meutefiuder oder Mäusefeiud bedeute. Der
Herr Kantor war das amtliche Gewissen des Herrn Schulzen; er erinnerte an die
Schreiben des Herrn Landrath, die endlich nach mehrmaliger Exzitativn erledigt
werden mußten, er wußte in Sachen der Steuereiuschätzung wie in Militär-
"ngelegenheiten Bescheid, er verstand es, die juristischen Dunkelheiten der Regierungs-
vcrfügungen einigermaßen aufzuhellen und hatte zufolge seiner Amtserfahrnngen und
mit Hilfe seines Konversationslexikons über alles im Himmel und auf Erden eine
ausschlaggebende Meinung, die er jedoch klug gesonnen zurückhielt. Also an dem
Herrn Kantor hatte der Herr Schutze eine wesentliche Hilfe.

Übrigens gehört anch zu einem Dorfregimente kein kleines ^.eil Wewhcct.
Man darf nicht' glauben, daß auf dem Lande alles ländlich-friedlich zugeht. Auch
da giebt es Verschwägerungen und Verfeindnngen, Beziehungen und Scheidewände.
Jeder hat seine besondern Interessen, und jeder denkt bei jeder Frage: Was habe
ich davon, oder was kostets mich? Dazu kommen Persönlichkeiten von besondrer
Art und von besondrer Meinung, die außerdem noch ihren besondern Anhang
haben. Alles dies will berücksichtigt sein, und dazu gehört eine genaue Sach- und
Personenkenntnis und eine gediegne Dorfdiplomatie. -- Da war in Holzwelßlg zum
Beispiel Fritze Pvplitz, das war ein "Landwirt." was übrigens etwas mehr be¬
deutet als "Ökonom," der machte alles anders als andre Leute und hatte immer
seine besondre Meinung. Er kam damit zwar nicht vorwärts, sondern eher zurück,
aber man mußte doch 'mit ihm rechnen. Da war der alte Esch, der zwar in der
Versammlung wenig sagte, aber hinterher alle Hoppes und Langbeins, die zu seiner
Verwandtschaft gehörten, ans die Beine brachte, und mancher andre, der in be¬
sondrer Weise behandelt werden mußte. Da war der Herr Pastor, ein alter Herr,


Doktor Duttmüllor und sein Freund

Asseflnsses — es war eigentlich nur ein Flüßchen —, dahinter eine leichte Bodcn-
erhöhnng und ein welliges Land, aus dem die Türme und Dticher von Dörfern
hervorschauten, und zwar jenseits der Ane und der Asse zunächst Asseborn, dahinter
Rodcsheim und rechts seitwärts Klein-Siebendorf und Wenigcnstein, und ganz rechts,
hinter dem Hange des Göddeckenberges verborgen, aber mit seinen Fnbritschorn-
steinen herüberhebend Groß-Siebendvrf.

Wandte man sich nun der Waldseite zu, so hatte man vor sich einen Buchen-
wald auf ansteigender Hohe, ans dem eigensinnig gewundne Holzwege herabkrochen,
und zur linken Hand ein Thal, das vom Göddeckenberge und dem Böhnhardt gebildet
wurde, und aus dem eine Chaussee hervorkam, die von Braunfels über den
Böhnhardt, an Hvlzweißig vorüber nach Asseborn und Nodcsheim führte. Das Thal
war ein lauschiger Winkel, eine grüne Wiese zwischen Berg und Wald, hieß das Notte-
thal und erfreute sich großer Beliebtheit bei den Kindern, weil dort das Sedanfest
gefeiert wurde, bei den jungen Mädchen im Pfnrrhuuse, weil dort die süßesten
Blumen wuchsen, und bei den Hvlzweißiger Jägern, weil es dort gute Platze für
den Austand auf Rehe gab.

Die Bewohner von Holzweißig waren gute Leute und nach ihrem Kirchgange
zu urteilen auch gute Christen. Es waren Bauern, nicht bloß eine Landwirtschaft
treibende Bevölkerung, sondern richtige Bauern. Man kann nicht sagen, daß sie
zu deu fortgeschrittensten ihrer Art gehörten, doch war man mit Chili, Super¬
Phosphat, Schmutzprozenten und Schnitzelinnsse wohl vertraut.

Im Dorfe regierte als Schulze seit einer langen Reihe von Jahren Hans
Lüttge. Es dürfte schwierig sein, Antwort darauf zu geben, warum gerade er dieses
höchste weltliche Amt in der Gemeinde bekleidete, wenn man nicht annehmen wollte,
daß diese Würde ans seinem Gute hypothekarisch eingetragen war. Wenigstens war
schon sein Vater Schulze gewesen, und niemand zweifelte daran, daß sein Sohn
mich Schulze werden würde.

Aber was wäre der Herr Schulze ohne den Herrn Kantor gewesen! Der
Herr Kantor trug mit Stolz den etwas ungewöhnlichen Namen Mötefind. Nur
das betrübte ihn, daß er trotz eindringender etymologischer Studien nicht hatte
feststellen können, ob sein Name einen Meutefiuder oder Mäusefeiud bedeute. Der
Herr Kantor war das amtliche Gewissen des Herrn Schulzen; er erinnerte an die
Schreiben des Herrn Landrath, die endlich nach mehrmaliger Exzitativn erledigt
werden mußten, er wußte in Sachen der Steuereiuschätzung wie in Militär-
"ngelegenheiten Bescheid, er verstand es, die juristischen Dunkelheiten der Regierungs-
vcrfügungen einigermaßen aufzuhellen und hatte zufolge seiner Amtserfahrnngen und
mit Hilfe seines Konversationslexikons über alles im Himmel und auf Erden eine
ausschlaggebende Meinung, die er jedoch klug gesonnen zurückhielt. Also an dem
Herrn Kantor hatte der Herr Schutze eine wesentliche Hilfe.

Übrigens gehört anch zu einem Dorfregimente kein kleines ^.eil Wewhcct.
Man darf nicht' glauben, daß auf dem Lande alles ländlich-friedlich zugeht. Auch
da giebt es Verschwägerungen und Verfeindnngen, Beziehungen und Scheidewände.
Jeder hat seine besondern Interessen, und jeder denkt bei jeder Frage: Was habe
ich davon, oder was kostets mich? Dazu kommen Persönlichkeiten von besondrer
Art und von besondrer Meinung, die außerdem noch ihren besondern Anhang
haben. Alles dies will berücksichtigt sein, und dazu gehört eine genaue Sach- und
Personenkenntnis und eine gediegne Dorfdiplomatie. — Da war in Holzwelßlg zum
Beispiel Fritze Pvplitz, das war ein „Landwirt." was übrigens etwas mehr be¬
deutet als „Ökonom," der machte alles anders als andre Leute und hatte immer
seine besondre Meinung. Er kam damit zwar nicht vorwärts, sondern eher zurück,
aber man mußte doch 'mit ihm rechnen. Da war der alte Esch, der zwar in der
Versammlung wenig sagte, aber hinterher alle Hoppes und Langbeins, die zu seiner
Verwandtschaft gehörten, ans die Beine brachte, und mancher andre, der in be¬
sondrer Weise behandelt werden mußte. Da war der Herr Pastor, ein alter Herr,


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[0109] Doktor Duttmüllor und sein Freund Asseflnsses — es war eigentlich nur ein Flüßchen —, dahinter eine leichte Bodcn- erhöhnng und ein welliges Land, aus dem die Türme und Dticher von Dörfern hervorschauten, und zwar jenseits der Ane und der Asse zunächst Asseborn, dahinter Rodcsheim und rechts seitwärts Klein-Siebendorf und Wenigcnstein, und ganz rechts, hinter dem Hange des Göddeckenberges verborgen, aber mit seinen Fnbritschorn- steinen herüberhebend Groß-Siebendvrf. Wandte man sich nun der Waldseite zu, so hatte man vor sich einen Buchen- wald auf ansteigender Hohe, ans dem eigensinnig gewundne Holzwege herabkrochen, und zur linken Hand ein Thal, das vom Göddeckenberge und dem Böhnhardt gebildet wurde, und aus dem eine Chaussee hervorkam, die von Braunfels über den Böhnhardt, an Hvlzweißig vorüber nach Asseborn und Nodcsheim führte. Das Thal war ein lauschiger Winkel, eine grüne Wiese zwischen Berg und Wald, hieß das Notte- thal und erfreute sich großer Beliebtheit bei den Kindern, weil dort das Sedanfest gefeiert wurde, bei den jungen Mädchen im Pfnrrhuuse, weil dort die süßesten Blumen wuchsen, und bei den Hvlzweißiger Jägern, weil es dort gute Platze für den Austand auf Rehe gab. Die Bewohner von Holzweißig waren gute Leute und nach ihrem Kirchgange zu urteilen auch gute Christen. Es waren Bauern, nicht bloß eine Landwirtschaft treibende Bevölkerung, sondern richtige Bauern. Man kann nicht sagen, daß sie zu deu fortgeschrittensten ihrer Art gehörten, doch war man mit Chili, Super¬ Phosphat, Schmutzprozenten und Schnitzelinnsse wohl vertraut. Im Dorfe regierte als Schulze seit einer langen Reihe von Jahren Hans Lüttge. Es dürfte schwierig sein, Antwort darauf zu geben, warum gerade er dieses höchste weltliche Amt in der Gemeinde bekleidete, wenn man nicht annehmen wollte, daß diese Würde ans seinem Gute hypothekarisch eingetragen war. Wenigstens war schon sein Vater Schulze gewesen, und niemand zweifelte daran, daß sein Sohn mich Schulze werden würde. Aber was wäre der Herr Schulze ohne den Herrn Kantor gewesen! Der Herr Kantor trug mit Stolz den etwas ungewöhnlichen Namen Mötefind. Nur das betrübte ihn, daß er trotz eindringender etymologischer Studien nicht hatte feststellen können, ob sein Name einen Meutefiuder oder Mäusefeiud bedeute. Der Herr Kantor war das amtliche Gewissen des Herrn Schulzen; er erinnerte an die Schreiben des Herrn Landrath, die endlich nach mehrmaliger Exzitativn erledigt werden mußten, er wußte in Sachen der Steuereiuschätzung wie in Militär- "ngelegenheiten Bescheid, er verstand es, die juristischen Dunkelheiten der Regierungs- vcrfügungen einigermaßen aufzuhellen und hatte zufolge seiner Amtserfahrnngen und mit Hilfe seines Konversationslexikons über alles im Himmel und auf Erden eine ausschlaggebende Meinung, die er jedoch klug gesonnen zurückhielt. Also an dem Herrn Kantor hatte der Herr Schutze eine wesentliche Hilfe. Übrigens gehört anch zu einem Dorfregimente kein kleines ^.eil Wewhcct. Man darf nicht' glauben, daß auf dem Lande alles ländlich-friedlich zugeht. Auch da giebt es Verschwägerungen und Verfeindnngen, Beziehungen und Scheidewände. Jeder hat seine besondern Interessen, und jeder denkt bei jeder Frage: Was habe ich davon, oder was kostets mich? Dazu kommen Persönlichkeiten von besondrer Art und von besondrer Meinung, die außerdem noch ihren besondern Anhang haben. Alles dies will berücksichtigt sein, und dazu gehört eine genaue Sach- und Personenkenntnis und eine gediegne Dorfdiplomatie. — Da war in Holzwelßlg zum Beispiel Fritze Pvplitz, das war ein „Landwirt." was übrigens etwas mehr be¬ deutet als „Ökonom," der machte alles anders als andre Leute und hatte immer seine besondre Meinung. Er kam damit zwar nicht vorwärts, sondern eher zurück, aber man mußte doch 'mit ihm rechnen. Da war der alte Esch, der zwar in der Versammlung wenig sagte, aber hinterher alle Hoppes und Langbeins, die zu seiner Verwandtschaft gehörten, ans die Beine brachte, und mancher andre, der in be¬ sondrer Weise behandelt werden mußte. Da war der Herr Pastor, ein alter Herr,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/109>, abgerufen am 14.05.2024.