Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.llursächsische Streifzüge haben würden. Sogar für eine den Augen wohlthuende Nachtbeleuchtung durch Von den Innenräumen wandten wir uns zur Besichtigung der Außen¬ llursächsische Streifzüge haben würden. Sogar für eine den Augen wohlthuende Nachtbeleuchtung durch Von den Innenräumen wandten wir uns zur Besichtigung der Außen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236739"/> <fw type="header" place="top"> llursächsische Streifzüge</fw><lb/> <p xml:id="ID_766" prev="#ID_765"> haben würden. Sogar für eine den Augen wohlthuende Nachtbeleuchtung durch<lb/> große mattgrüne Glasampeln war gesorgt. Selbstverständlich waren auch<lb/> Wahns- und Baderaume, die die neusten technischen Fortschritte aus diesen?<lb/> Gebiete aufwiesen, vorhanden. Rechts vor dem Schlosse war soeben ein schönes<lb/> Renaissaueegebäude fertig geworden, das eine Fortbildungsschule für die kon¬<lb/> firmierten Mädchen aufnehmen soll. Das Lieblichste, was wir sahen, waren<lb/> aber doch die sechs- lind siebenjährigen Mädchen bei ihrem Spiel. An langen<lb/> Tafeln saßen sie einträchtig bei einander, die einen mit Pnppcntuche, die andern<lb/> mit Pnppenwäsche, wieder andre mit den Puppenstuben beschäftigt: es sah aus,<lb/> als ob in jedem der Zimmer eine große Gesellschaft glücklicher Kinder ein¬<lb/> geladen wäre. Das war trotz der Anwesenheit der Aufseherinnen ein Scherzen,<lb/> Kichern und Necken, daß man auf den ersten Blick sah: in diesen Räumen<lb/> trieb nicht irgend eine Duckmäuserei ihr Wesen, sondern hier herrschte die echte<lb/> Heiterkeit, die sich mit wahrer Frömmigkeit und Zucht so wohl verträgt. Das<lb/> Ganze erschien uns als die ins Weibliche übersetzte casu, gioeossr des alten<lb/> Vittvrinv da Feltre.</p><lb/> <p xml:id="ID_767" next="#ID_768"> Von den Innenräumen wandten wir uns zur Besichtigung der Außen¬<lb/> seite des nach der Elbe zu mit Wall und Graben nagelneu Schlosses und<lb/> seiner wohlgepflegten Gärten und Parkanlagen. Wir standen lange still vor<lb/> dem schönen Nenaissancepvrtal, das von der Westseite zum Garten hinunter¬<lb/> führt. Denn hier hat der Erbauer, dessen ruhmreiches Geschlecht längst aus-<lb/> lMorben ist, der Nachwelt sein reichgeschmücktes Wappen hinterlassen. Hier<lb/> im stillen Garten triumphiert die Vergangenheit über die Gegenwart, hier<lb/> kommen die alten Erinnerungen zu ihrem Rechte. Was könnten diese Mauern,<lb/> dieser Hügel, ans dem sie stehn, erzählen! Prctzsch (Pretvkiua genannt in einer<lb/> Urkunde Ottos II. vom Jahre 981, später Prctatzsch) ist wegen seiner vorzüg¬<lb/> lichen Lage sicherlich eine der ältesten slawischen Siedlungen in dieser Gegend<lb/> gewesen. Im zwölften Jahrhundert soll Bernhard von Askanien hier eine<lb/> Burgwarte gegen die Sorben gegründet haben. Im Jahre 1325 verlieh der<lb/> Askanier Kurfürst Rudolf I. von Sachsen „dat Huß Prctatzsch und Klöden" an<lb/> Magnus Lofer und seinen Bruder Bertram von Rehefeld. Daß der Name<lb/> Rehefeld und nicht Löser der ursprüngliche des Geschlechts gewesen ist, geht aus<lb/> dem Wappen hervor: die Löser führen ein Reh im grünen Feld und ein halbes<lb/> springendes Reh auf dem Turuierhelm als Wappentier; daß aber der Name<lb/> Lofer wirklich verliehen ist, weil sich Magnus von Nehefeld um die „Lösung"<lb/> Markgraf Friedrichs mit der gebissenen Wange aus der brandenburgischen<lb/> Gefangenschaft (im Jahre 1312. s. Flathe, Sachs. Gesch. I, 258) verdient gemacht<lb/> habe, mochte ich dem unzuverlässigen Peecenstein nicht ohne weitere Prüfung<lb/> nachschreiben. Magnus Löser wurde zum Erbmarschall des sächsischem Kur¬<lb/> hauses ernannt; sein Geschlecht hat in dreizehn Generationen dnrch länger als<lb/> drei Jahrhunderte dieses Ehrenamt und Schloß Pretzsch behauptet. Wenn<lb/> wir im vorigen Abschnitt in Hans Friedrich von Schönberg, dem Verfasser<lb/> des Schildbnrgerbnchs, einen Typus aristokratischer Überhebung und boshafter<lb/> Spottsucht kennen lernten, so ist das Geschlecht der Löser typisch für die<lb/> Mannheit, Frömmigkeit und Kraft, die dieser sächsische Adel zumal im Zeit-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0215]
llursächsische Streifzüge
haben würden. Sogar für eine den Augen wohlthuende Nachtbeleuchtung durch
große mattgrüne Glasampeln war gesorgt. Selbstverständlich waren auch
Wahns- und Baderaume, die die neusten technischen Fortschritte aus diesen?
Gebiete aufwiesen, vorhanden. Rechts vor dem Schlosse war soeben ein schönes
Renaissaueegebäude fertig geworden, das eine Fortbildungsschule für die kon¬
firmierten Mädchen aufnehmen soll. Das Lieblichste, was wir sahen, waren
aber doch die sechs- lind siebenjährigen Mädchen bei ihrem Spiel. An langen
Tafeln saßen sie einträchtig bei einander, die einen mit Pnppcntuche, die andern
mit Pnppenwäsche, wieder andre mit den Puppenstuben beschäftigt: es sah aus,
als ob in jedem der Zimmer eine große Gesellschaft glücklicher Kinder ein¬
geladen wäre. Das war trotz der Anwesenheit der Aufseherinnen ein Scherzen,
Kichern und Necken, daß man auf den ersten Blick sah: in diesen Räumen
trieb nicht irgend eine Duckmäuserei ihr Wesen, sondern hier herrschte die echte
Heiterkeit, die sich mit wahrer Frömmigkeit und Zucht so wohl verträgt. Das
Ganze erschien uns als die ins Weibliche übersetzte casu, gioeossr des alten
Vittvrinv da Feltre.
Von den Innenräumen wandten wir uns zur Besichtigung der Außen¬
seite des nach der Elbe zu mit Wall und Graben nagelneu Schlosses und
seiner wohlgepflegten Gärten und Parkanlagen. Wir standen lange still vor
dem schönen Nenaissancepvrtal, das von der Westseite zum Garten hinunter¬
führt. Denn hier hat der Erbauer, dessen ruhmreiches Geschlecht längst aus-
lMorben ist, der Nachwelt sein reichgeschmücktes Wappen hinterlassen. Hier
im stillen Garten triumphiert die Vergangenheit über die Gegenwart, hier
kommen die alten Erinnerungen zu ihrem Rechte. Was könnten diese Mauern,
dieser Hügel, ans dem sie stehn, erzählen! Prctzsch (Pretvkiua genannt in einer
Urkunde Ottos II. vom Jahre 981, später Prctatzsch) ist wegen seiner vorzüg¬
lichen Lage sicherlich eine der ältesten slawischen Siedlungen in dieser Gegend
gewesen. Im zwölften Jahrhundert soll Bernhard von Askanien hier eine
Burgwarte gegen die Sorben gegründet haben. Im Jahre 1325 verlieh der
Askanier Kurfürst Rudolf I. von Sachsen „dat Huß Prctatzsch und Klöden" an
Magnus Lofer und seinen Bruder Bertram von Rehefeld. Daß der Name
Rehefeld und nicht Löser der ursprüngliche des Geschlechts gewesen ist, geht aus
dem Wappen hervor: die Löser führen ein Reh im grünen Feld und ein halbes
springendes Reh auf dem Turuierhelm als Wappentier; daß aber der Name
Lofer wirklich verliehen ist, weil sich Magnus von Nehefeld um die „Lösung"
Markgraf Friedrichs mit der gebissenen Wange aus der brandenburgischen
Gefangenschaft (im Jahre 1312. s. Flathe, Sachs. Gesch. I, 258) verdient gemacht
habe, mochte ich dem unzuverlässigen Peecenstein nicht ohne weitere Prüfung
nachschreiben. Magnus Löser wurde zum Erbmarschall des sächsischem Kur¬
hauses ernannt; sein Geschlecht hat in dreizehn Generationen dnrch länger als
drei Jahrhunderte dieses Ehrenamt und Schloß Pretzsch behauptet. Wenn
wir im vorigen Abschnitt in Hans Friedrich von Schönberg, dem Verfasser
des Schildbnrgerbnchs, einen Typus aristokratischer Überhebung und boshafter
Spottsucht kennen lernten, so ist das Geschlecht der Löser typisch für die
Mannheit, Frömmigkeit und Kraft, die dieser sächsische Adel zumal im Zeit-
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