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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Panama oder Nicaragua?

und das Hauptausfallsthor der amerikanischen Industrie nach den Ländern
des fernen Ostens zu werden. Alles in allem genommen läßt sich so viel
sagen, daß der amerikanische Handel mit China, Japan, Australien und
Ozeanien, sofern er nicht durch besonders billige Eisenbahntarife über San
Franzisko und die übrigen westlichen Häfen geleitet werden sollte, sich in Zu¬
kunft der neuen Wasserstraße bedienen wird.

Stärker freilich wird die Veränderung sein, die der Verkehr nach der
Westküste Amerikas durch den Kanalbau erleidet. Während gegenwärtig der
Weg ums Kap Horn oder durch die Magellanstraße für europäische und
amerikanische Schiffe so ziemlich derselbe ist, gelangt Nordamerika dnrch den
Kanal bedeutend in Vorteil, wie ein Vergleich der in Frage kommenden Ent¬
fernungen beweist (Hamburg-Colon 5100, Liverpool-Colon 4530, Newyorb
Colon 2000 Seemeilen). Aber auch für europäische Dampfer tritt eine wesent¬
liche Fahrtverkürzung ein, wie sich ans folgenden Zahlen ergiebt.

Von Liverpool nach: über die Magellanstr, über Panama über Nicaragua
Valparaiso......... 8930 7600 8550
Callas.......... 10400 6150 7100
Gunaquil.......... 11150 5400 6320
Punta Arenas (Costarica) .... 12420 5080 SV20
Acapulco.......... 13450 6100 5800
San Franzisko....... . 15400 8050 7750

Dennoch erscheint es fraglich, ob der ganze europäische Handel nach der West¬
küste den neuen Weg einschlagen wird. Die hauptsächlichsten Massengüter,
die von dort zu uns kommen, sind Holz und Weizen aus Kalifornien, Erze
und Salpeter aus Peru und Chile: sie alle werden vorwiegend in großen
Seglern transportiert, die jedoch wegen der Windstille den Kanal nicht be¬
nutzen können. Nun betrügt die Segclschiffsfracht nach San Franzisko etwa
17 bis 20 Mark für die Tonne; sollte an deren Stelle die Beförderung durch
Dampfer treten, so würden sich die Frachtkosten mit Einschluß der Kanal¬
gebühren mindestens um 15 bis 20 Mark erhöhn. Wenn nun auch die
Weizentransporte eine solche Mehrbelastung allenfalls ertragen könnte", die
Erz- und Salpeterfrachtcn könnten es nicht: sie würden also nach wie vor
ihren Weg ums Kap Horn nehmen. Auch die Veränderung im Passagier¬
verkehr wird nicht allzugroß sein, da viele Reisende nach der Nordwestküste
Südamerikas schon jetzt den Weg über Panama wählen, und für die ameri¬
kanischen und die mexikanischen Häfen der Westküste bleibt die Beförderung
über Sau Franzisko schneller und vor allem angenehmer, da sie größtenteils
durch gemäßigte Breiten geht.

Demnach ist es also im wesentlichen der Verkehr Amerikas nach den
Paeificländern, der an dem Zustandekommen der neuen Wasserstraße interessiert
ist, und auch insofern hat es seine Berechtigung, daß die Vereinigten Staaten
von Anfang an die ganze Angelegenheit als eine rein amerikanische behandelt
wissen wollten -- eine Auffassung, die sie in jahrelangem diplomatischem Kampf
gegen England jetzt endlich durchgedrückt haben. Gewiß wird auch ein Teil
des europäischen Handels nach dem Stillen Ozean den neuen Weg einschlagen,
aber allzugroß wird er nicht sein, und so sind die Aussichten für die Frequenz


Panama oder Nicaragua?

und das Hauptausfallsthor der amerikanischen Industrie nach den Ländern
des fernen Ostens zu werden. Alles in allem genommen läßt sich so viel
sagen, daß der amerikanische Handel mit China, Japan, Australien und
Ozeanien, sofern er nicht durch besonders billige Eisenbahntarife über San
Franzisko und die übrigen westlichen Häfen geleitet werden sollte, sich in Zu¬
kunft der neuen Wasserstraße bedienen wird.

Stärker freilich wird die Veränderung sein, die der Verkehr nach der
Westküste Amerikas durch den Kanalbau erleidet. Während gegenwärtig der
Weg ums Kap Horn oder durch die Magellanstraße für europäische und
amerikanische Schiffe so ziemlich derselbe ist, gelangt Nordamerika dnrch den
Kanal bedeutend in Vorteil, wie ein Vergleich der in Frage kommenden Ent¬
fernungen beweist (Hamburg-Colon 5100, Liverpool-Colon 4530, Newyorb
Colon 2000 Seemeilen). Aber auch für europäische Dampfer tritt eine wesent¬
liche Fahrtverkürzung ein, wie sich ans folgenden Zahlen ergiebt.

Von Liverpool nach: über die Magellanstr, über Panama über Nicaragua
Valparaiso......... 8930 7600 8550
Callas.......... 10400 6150 7100
Gunaquil.......... 11150 5400 6320
Punta Arenas (Costarica) .... 12420 5080 SV20
Acapulco.......... 13450 6100 5800
San Franzisko....... . 15400 8050 7750

Dennoch erscheint es fraglich, ob der ganze europäische Handel nach der West¬
küste den neuen Weg einschlagen wird. Die hauptsächlichsten Massengüter,
die von dort zu uns kommen, sind Holz und Weizen aus Kalifornien, Erze
und Salpeter aus Peru und Chile: sie alle werden vorwiegend in großen
Seglern transportiert, die jedoch wegen der Windstille den Kanal nicht be¬
nutzen können. Nun betrügt die Segclschiffsfracht nach San Franzisko etwa
17 bis 20 Mark für die Tonne; sollte an deren Stelle die Beförderung durch
Dampfer treten, so würden sich die Frachtkosten mit Einschluß der Kanal¬
gebühren mindestens um 15 bis 20 Mark erhöhn. Wenn nun auch die
Weizentransporte eine solche Mehrbelastung allenfalls ertragen könnte», die
Erz- und Salpeterfrachtcn könnten es nicht: sie würden also nach wie vor
ihren Weg ums Kap Horn nehmen. Auch die Veränderung im Passagier¬
verkehr wird nicht allzugroß sein, da viele Reisende nach der Nordwestküste
Südamerikas schon jetzt den Weg über Panama wählen, und für die ameri¬
kanischen und die mexikanischen Häfen der Westküste bleibt die Beförderung
über Sau Franzisko schneller und vor allem angenehmer, da sie größtenteils
durch gemäßigte Breiten geht.

Demnach ist es also im wesentlichen der Verkehr Amerikas nach den
Paeificländern, der an dem Zustandekommen der neuen Wasserstraße interessiert
ist, und auch insofern hat es seine Berechtigung, daß die Vereinigten Staaten
von Anfang an die ganze Angelegenheit als eine rein amerikanische behandelt
wissen wollten — eine Auffassung, die sie in jahrelangem diplomatischem Kampf
gegen England jetzt endlich durchgedrückt haben. Gewiß wird auch ein Teil
des europäischen Handels nach dem Stillen Ozean den neuen Weg einschlagen,
aber allzugroß wird er nicht sein, und so sind die Aussichten für die Frequenz


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[0258] Panama oder Nicaragua? und das Hauptausfallsthor der amerikanischen Industrie nach den Ländern des fernen Ostens zu werden. Alles in allem genommen läßt sich so viel sagen, daß der amerikanische Handel mit China, Japan, Australien und Ozeanien, sofern er nicht durch besonders billige Eisenbahntarife über San Franzisko und die übrigen westlichen Häfen geleitet werden sollte, sich in Zu¬ kunft der neuen Wasserstraße bedienen wird. Stärker freilich wird die Veränderung sein, die der Verkehr nach der Westküste Amerikas durch den Kanalbau erleidet. Während gegenwärtig der Weg ums Kap Horn oder durch die Magellanstraße für europäische und amerikanische Schiffe so ziemlich derselbe ist, gelangt Nordamerika dnrch den Kanal bedeutend in Vorteil, wie ein Vergleich der in Frage kommenden Ent¬ fernungen beweist (Hamburg-Colon 5100, Liverpool-Colon 4530, Newyorb Colon 2000 Seemeilen). Aber auch für europäische Dampfer tritt eine wesent¬ liche Fahrtverkürzung ein, wie sich ans folgenden Zahlen ergiebt. Von Liverpool nach: über die Magellanstr, über Panama über Nicaragua Valparaiso......... 8930 7600 8550 Callas.......... 10400 6150 7100 Gunaquil.......... 11150 5400 6320 Punta Arenas (Costarica) .... 12420 5080 SV20 Acapulco.......... 13450 6100 5800 San Franzisko....... . 15400 8050 7750 Dennoch erscheint es fraglich, ob der ganze europäische Handel nach der West¬ küste den neuen Weg einschlagen wird. Die hauptsächlichsten Massengüter, die von dort zu uns kommen, sind Holz und Weizen aus Kalifornien, Erze und Salpeter aus Peru und Chile: sie alle werden vorwiegend in großen Seglern transportiert, die jedoch wegen der Windstille den Kanal nicht be¬ nutzen können. Nun betrügt die Segclschiffsfracht nach San Franzisko etwa 17 bis 20 Mark für die Tonne; sollte an deren Stelle die Beförderung durch Dampfer treten, so würden sich die Frachtkosten mit Einschluß der Kanal¬ gebühren mindestens um 15 bis 20 Mark erhöhn. Wenn nun auch die Weizentransporte eine solche Mehrbelastung allenfalls ertragen könnte», die Erz- und Salpeterfrachtcn könnten es nicht: sie würden also nach wie vor ihren Weg ums Kap Horn nehmen. Auch die Veränderung im Passagier¬ verkehr wird nicht allzugroß sein, da viele Reisende nach der Nordwestküste Südamerikas schon jetzt den Weg über Panama wählen, und für die ameri¬ kanischen und die mexikanischen Häfen der Westküste bleibt die Beförderung über Sau Franzisko schneller und vor allem angenehmer, da sie größtenteils durch gemäßigte Breiten geht. Demnach ist es also im wesentlichen der Verkehr Amerikas nach den Paeificländern, der an dem Zustandekommen der neuen Wasserstraße interessiert ist, und auch insofern hat es seine Berechtigung, daß die Vereinigten Staaten von Anfang an die ganze Angelegenheit als eine rein amerikanische behandelt wissen wollten — eine Auffassung, die sie in jahrelangem diplomatischem Kampf gegen England jetzt endlich durchgedrückt haben. Gewiß wird auch ein Teil des europäischen Handels nach dem Stillen Ozean den neuen Weg einschlagen, aber allzugroß wird er nicht sein, und so sind die Aussichten für die Frequenz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/258>, abgerufen am 14.05.2024.