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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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dieser Stelle nicht ausführlich eingehn kann. Es mag genügen, auf die That¬
sache hinzuweisen, daß eine einheitliche Ausbildung und Erziehung als größter
Mangel empfunden wird. Das hängt mit der Thatsache zusammen, daß jeder
beliebige Prälat in den diplomatischen Dienst eingeschoben werden kann, und
daß dies nicht selten geschieht, aus Gründen, die sich mit diplomatischer Vor¬
bildung und diplomatischem Verständnisse nicht decken. Als typisches Beispiel
dafür mag der verstorbne Pariser Nuntius Monsignor Clari genannt werden,
der ohne weiteres sein Vistnm Viterbo gegen seinen Willen mit der Stelle
in Paris vertauschen mußte. Die Erfolge dieser Nuntiatur sind bekannt.

Der diplomatische Dienst der Kurie ist endlich auch das Unsicherste für
eine regelmäßige Beförderung, was man sich denken kann. Von einer ge¬
wissen Regelinüßigleit des Aufsteigens kann keine Rede sein. Das hat Vor¬
teile für die Kurie auf der eiuen Seite, führt aber auch zu schwerer Schädigung
des diplomatischen Dienstes ans der andern Seite. Die stillschweigende Zensn-
nernng verdienter Beamten dadurch, daß man sie morale-, ja jahrelang un¬
beschäftigt in Rom zurückhält, ohne ihnen einen entsprechenden Lebensunter¬
halt anzuweisen, macht keine Frende und verbittert weite Kreise, die mit diesen
Herren bekannt sind. Es werden offne und geheime Anstrengungen gemacht,
wieder eine Stelle zu erhalten, und das Jntriguenspiel zieht sich endlos hin.
Diese Dinge bleiben nicht unbekannt, und sie tragen nicht dazu bei, das
Stantssekretariat populärer zu machen. Ich bin weit entfernt, alle Fülle, wo
Beamte zur Disposition gestellt werden, als unberechtigt zu bezeichnen, aber
viele davon sind es, und diesen Dingen sollte man mehr Aufmerksamkeit schenken.
Ein wichtiges Mittel hierbei ist, die Heranziehung von Neulingen im diplo¬
matischen Dienst für die Stellungen vom Uditore an aufwärts zu vermeiden.

Die materielle Stellung der odvkZ Ah Mission ist im allgemeinen aus¬
kömmlich, wenngleich nach keiner Richtung hin glänzend. Eine sehr bescheidne
Lebenshaltung wird mit den Gehalten ermöglicht, aber mehr auch nicht. Die
Gehalte der Uditoren und Sekretäre dagegen spotten jeder Beschreibung. Das
sind keine Gehalte, das sind höchstens Trinkgelder. Mancher bessere Diener
hat einen höhern Gehalt als diese Herren. Auch sind sie in ihrer persön¬
lichen Freiheit fast so beschränkt wie Zöglinge in einem Seminar. Solche
Dinge tragen ebenfalls nicht dazu bei, die knriale Diplomatie besonders zu
heben und die Arbcitsfreudigkeit der Beamten zu steigern. ,

Es wären noch die unverständlichen Beschränkungen des Verkehrs mit
der Kurie bei der Benutzung des Telegraphen, die mangelnde Information
der Nuntien über den Stand der Verhandlungen in andern Nuntiaturen durch
das Staatssekretariat, die geringe Sorgfalt bei der Bewahrung einzelner
Nttutiaturarchive und ähnliches zu erörtern, was aber bei andrer Gelegenheit
nachgeholt werden soll. Modern im guten Sinne ist der diplomatische Dienst
der Kurie im allgemeinen leider nicht.




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dieser Stelle nicht ausführlich eingehn kann. Es mag genügen, auf die That¬
sache hinzuweisen, daß eine einheitliche Ausbildung und Erziehung als größter
Mangel empfunden wird. Das hängt mit der Thatsache zusammen, daß jeder
beliebige Prälat in den diplomatischen Dienst eingeschoben werden kann, und
daß dies nicht selten geschieht, aus Gründen, die sich mit diplomatischer Vor¬
bildung und diplomatischem Verständnisse nicht decken. Als typisches Beispiel
dafür mag der verstorbne Pariser Nuntius Monsignor Clari genannt werden,
der ohne weiteres sein Vistnm Viterbo gegen seinen Willen mit der Stelle
in Paris vertauschen mußte. Die Erfolge dieser Nuntiatur sind bekannt.

Der diplomatische Dienst der Kurie ist endlich auch das Unsicherste für
eine regelmäßige Beförderung, was man sich denken kann. Von einer ge¬
wissen Regelinüßigleit des Aufsteigens kann keine Rede sein. Das hat Vor¬
teile für die Kurie auf der eiuen Seite, führt aber auch zu schwerer Schädigung
des diplomatischen Dienstes ans der andern Seite. Die stillschweigende Zensn-
nernng verdienter Beamten dadurch, daß man sie morale-, ja jahrelang un¬
beschäftigt in Rom zurückhält, ohne ihnen einen entsprechenden Lebensunter¬
halt anzuweisen, macht keine Frende und verbittert weite Kreise, die mit diesen
Herren bekannt sind. Es werden offne und geheime Anstrengungen gemacht,
wieder eine Stelle zu erhalten, und das Jntriguenspiel zieht sich endlos hin.
Diese Dinge bleiben nicht unbekannt, und sie tragen nicht dazu bei, das
Stantssekretariat populärer zu machen. Ich bin weit entfernt, alle Fülle, wo
Beamte zur Disposition gestellt werden, als unberechtigt zu bezeichnen, aber
viele davon sind es, und diesen Dingen sollte man mehr Aufmerksamkeit schenken.
Ein wichtiges Mittel hierbei ist, die Heranziehung von Neulingen im diplo¬
matischen Dienst für die Stellungen vom Uditore an aufwärts zu vermeiden.

Die materielle Stellung der odvkZ Ah Mission ist im allgemeinen aus¬
kömmlich, wenngleich nach keiner Richtung hin glänzend. Eine sehr bescheidne
Lebenshaltung wird mit den Gehalten ermöglicht, aber mehr auch nicht. Die
Gehalte der Uditoren und Sekretäre dagegen spotten jeder Beschreibung. Das
sind keine Gehalte, das sind höchstens Trinkgelder. Mancher bessere Diener
hat einen höhern Gehalt als diese Herren. Auch sind sie in ihrer persön¬
lichen Freiheit fast so beschränkt wie Zöglinge in einem Seminar. Solche
Dinge tragen ebenfalls nicht dazu bei, die knriale Diplomatie besonders zu
heben und die Arbcitsfreudigkeit der Beamten zu steigern. ,

Es wären noch die unverständlichen Beschränkungen des Verkehrs mit
der Kurie bei der Benutzung des Telegraphen, die mangelnde Information
der Nuntien über den Stand der Verhandlungen in andern Nuntiaturen durch
das Staatssekretariat, die geringe Sorgfalt bei der Bewahrung einzelner
Nttutiaturarchive und ähnliches zu erörtern, was aber bei andrer Gelegenheit
nachgeholt werden soll. Modern im guten Sinne ist der diplomatische Dienst
der Kurie im allgemeinen leider nicht.




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[0663] (Lcitholica dieser Stelle nicht ausführlich eingehn kann. Es mag genügen, auf die That¬ sache hinzuweisen, daß eine einheitliche Ausbildung und Erziehung als größter Mangel empfunden wird. Das hängt mit der Thatsache zusammen, daß jeder beliebige Prälat in den diplomatischen Dienst eingeschoben werden kann, und daß dies nicht selten geschieht, aus Gründen, die sich mit diplomatischer Vor¬ bildung und diplomatischem Verständnisse nicht decken. Als typisches Beispiel dafür mag der verstorbne Pariser Nuntius Monsignor Clari genannt werden, der ohne weiteres sein Vistnm Viterbo gegen seinen Willen mit der Stelle in Paris vertauschen mußte. Die Erfolge dieser Nuntiatur sind bekannt. Der diplomatische Dienst der Kurie ist endlich auch das Unsicherste für eine regelmäßige Beförderung, was man sich denken kann. Von einer ge¬ wissen Regelinüßigleit des Aufsteigens kann keine Rede sein. Das hat Vor¬ teile für die Kurie auf der eiuen Seite, führt aber auch zu schwerer Schädigung des diplomatischen Dienstes ans der andern Seite. Die stillschweigende Zensn- nernng verdienter Beamten dadurch, daß man sie morale-, ja jahrelang un¬ beschäftigt in Rom zurückhält, ohne ihnen einen entsprechenden Lebensunter¬ halt anzuweisen, macht keine Frende und verbittert weite Kreise, die mit diesen Herren bekannt sind. Es werden offne und geheime Anstrengungen gemacht, wieder eine Stelle zu erhalten, und das Jntriguenspiel zieht sich endlos hin. Diese Dinge bleiben nicht unbekannt, und sie tragen nicht dazu bei, das Stantssekretariat populärer zu machen. Ich bin weit entfernt, alle Fülle, wo Beamte zur Disposition gestellt werden, als unberechtigt zu bezeichnen, aber viele davon sind es, und diesen Dingen sollte man mehr Aufmerksamkeit schenken. Ein wichtiges Mittel hierbei ist, die Heranziehung von Neulingen im diplo¬ matischen Dienst für die Stellungen vom Uditore an aufwärts zu vermeiden. Die materielle Stellung der odvkZ Ah Mission ist im allgemeinen aus¬ kömmlich, wenngleich nach keiner Richtung hin glänzend. Eine sehr bescheidne Lebenshaltung wird mit den Gehalten ermöglicht, aber mehr auch nicht. Die Gehalte der Uditoren und Sekretäre dagegen spotten jeder Beschreibung. Das sind keine Gehalte, das sind höchstens Trinkgelder. Mancher bessere Diener hat einen höhern Gehalt als diese Herren. Auch sind sie in ihrer persön¬ lichen Freiheit fast so beschränkt wie Zöglinge in einem Seminar. Solche Dinge tragen ebenfalls nicht dazu bei, die knriale Diplomatie besonders zu heben und die Arbcitsfreudigkeit der Beamten zu steigern. , Es wären noch die unverständlichen Beschränkungen des Verkehrs mit der Kurie bei der Benutzung des Telegraphen, die mangelnde Information der Nuntien über den Stand der Verhandlungen in andern Nuntiaturen durch das Staatssekretariat, die geringe Sorgfalt bei der Bewahrung einzelner Nttutiaturarchive und ähnliches zu erörtern, was aber bei andrer Gelegenheit nachgeholt werden soll. Modern im guten Sinne ist der diplomatische Dienst der Kurie im allgemeinen leider nicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/663>, abgerufen am 16.05.2024.